Die Höhenrettungsgruppe der Berufsfeuerwehr Nürnberg

Einsätze in großen Höhen und Tiefen

Peter Saul

Stadt Nürnberg Feuerwehr

Im Jahr 1999 stellte die Berufsfeuerwehr Nürnberg erstmals ihre neuaufgestellte Höhenrettungsgruppe (HöRG) der Öffentlichkeit vor. Zweck der neuen Truppe sollte sein, Einsätze in großen Höhen und Tiefen, die außerhalb der Reichweite der üblichen Feuerwehrleitern lagen, dennoch sicher bewältigen zu können. Der Fokus lag dabei auf der Personenrettung von Kranen, Masten oder Hochhausdächern, jedoch sollten auch exponierte Hilfeleistungen bei Unwettereinsätzen oder nach Dachstuhlbränden zum Spektrum der neuen Einheit gehören. Vor der Indienststellung der Höhenrettungsgruppe konnten solche Einsätze häufig nur unter Inkaufnahme eines erheblichen Absturzrisikos absolviert werden. Es war weder geeignetes Material vorhanden, noch standen die nötigen Kenntnisse über entsprechende Sicherungstechniken zur Verfügung.

Jeder Angehörige der Höhenrettungsgruppe muss jährlich mindestens 72...
Jeder Angehörige der Höhenrettungsgruppe muss jährlich mindestens
72 Fortbildungsstunden absolvieren.
Quelle: Stadt Nürnberg Feuerwehr

Die Höhenrettungsgruppe ist seit ihrer Indienststellung auf der Feuerwache 2 im Nürnberger Osten stationiert. Dort versehen die Höhenretter ihren Dienst als normale Einsatzbeamte im 24-Stunden-Schichtrhythmus und rücken zu Brand- und Hilfeleistungseinsätzen aus. In der einsatzfreien Zeit sind die Beamten mit Aus- und Fortbildungsmaßnahmen beschäftigt oder arbeiten in den Werkstätten und Sachgebieten der Feuerwache. Zur Erhaltung der körperlichen Leistungsfähigkeit stehen ein sehr gut ausgestatteter Fitnessraum und eine Sportwiese zur Verfügung.

Bei einer Alarmierung der Höhenrettungsgruppe wechseln die eingeteilten Höhenretter als Springerbesatzung vom Löschzug auf den Gerätewagen-Höhenrettung (GW-HöRG). Noch auf der Wache wird die erforderliche Spezialausrüstung angelegt. Binnen einer Viertelstunde kann dann jeder Ort des Nürnberger Stadtgebietes durch die Höhenrettungsspezialisten erreicht werden.

In den Anfangsjahren passte die Ausrüstung an Seilen, Gurtzeugen und Karabinern noch in ein halbes Dutzend Rucksäcke und eine große Blechkiste. Als Einsatzfahrzeug stand damals ein älterer Mannschaftstransportwagen zur Verfügung, der allerdings im Alarmfall erst beladen werden musste. Diese Behelfslösung war auf Dauer nicht zufriedenstellend, so dass bald der Wunsch nach einem eigenen Gerätewagen laut wurde. Der Wunsch sollte sich bereits im Jahr 2001 erfüllen. Mit Unterstützung durch Sponsoren konnte ein nach den Vorstellungen der Höhenretter gefertigter „Gerätewagen-Höhenrettung“ auf Basis eines Mercedes-Sprinter in Dienst gestellt werden. Derzeit laufen bereits Planungen, um dieses Fahrzeug im nächsten Jahr durch eine Neubeschaffung ersetzen zu können. Um die zwischenzeitlich zur Verfügung stehende Ausstattung mit modernen Akkuseilwinden, modularen Dreibocksystemen und diversen Spezialtragen sicher unterbringen zu können, ist künftig auch ein geräumigerer Geräteaufbau erforderlich.

Nicht nur materiell, auch personell ist die Höhenrettungsgruppe über die Jahre angewachsen. Mittlerweile besteht die Einheit aus 33 aktiven Einsatzkräften. Diese verteilen sich auf drei Wachabteilungen. Elf Höhenretter verfügen über die Qualifikation zum Höhenrettungsausbilder und Einheitsführer der Sondereinheit. Alle Höhenretter sind darüber hinaus mindestens als Rettungssanitäter ausgebildet. Für einen Höhenrettungseinsatz gilt eine Mindeststärke von fünf Einsatzbeamten. Innerhalb des Nürnberger Stadtgebietes rückt die Höhenrettungsgruppe mit dem Gerätewagen-Höhenrettung sowie einem Hilfeleistungslöschgruppenfahrzeug (HLF 20) zu Einsätzen aus. Bei überörtlichen Anforderungen kann zudem für einen schnellen Transport auf Hubschrauber der DRF-Luftrettung oder der Hubschrauberstaffel der Bayerischen Polizei zurückgegriffen werden.

Der Einsatz mit Hubschraubern war schon von Beginn an für die Höhenrettungsgruppe als schnelles Verbringungsmittel und zum Erreichen schwierig zugänglicher Einsatzstellen vorgesehen. Bereits vor der offiziellen Indienststellung der Einheit hatten deshalb gemeinsame Übungen mit der Polizei, der DRF-Luftrettung und der Bundeswehr stattgefunden. Hierbei wurde trainiert, Höhenretter und Patienten mit der Außenwinde der Hubschrauber abzusetzen und wieder aufzuwinden. In den Anfangsjahren waren die Verfahrensweisen bei den verschiedenen Hubschrauberbetreibern noch durchaus unterschiedlich. Zwischenzeitlich hat hier jedoch weitestgehend eine Standardisierung stattgefunden, was die Zusammenarbeit sehr erleichtert. Eine besondere Rolle spielte hierbei das Zentrum für Sicherheit und Ausbildung der Bayerischen Bergwacht (ZSA) in Bad Tölz. Dort trainieren neben Bergwachteinheiten und Hubschrauberbesatzungen auch die Angehörigen der Höhenrettungsgruppen der sieben bayerischen Berufsfeuerwehren regelmäßig.

Die Nürnberger Höhenretter können zwischenzeitlich auf eine ganze Reihe erfolgreicher Realeinsätze mit der Hubschrauberrettungswinde zurückblicken.

Eine Einsatzübung an einer Dükerbaustelle erfordert eine Rettung aus 30...
Eine Einsatzübung an einer Dükerbaustelle erfordert eine Rettung
aus 30 Metern Tiefe.
Quelle: Stadt Nürnberg Feuerwehr

Eine Konkurrenz zur Bergwacht besteht durch die Höhenrettungsgruppen der Feuerwehr übrigens nicht. Während die Höhenrettungsgruppen vorrangig im urbanen Raum zum Einsatz kommen, obliegt der Bergwacht nach dem Bayerischen Rettungsdienstgesetz (BayRDG) die Rettung aus unwegsamem Gelände.

Interessierte Bewerber für die Höhenrettungsgruppe müssen zunächst die vollständige Feuerwehrgrundausbildung und die Ausbildung zum Rettungssanitäter erfolgreich abgeschlossen haben, bevor sie sich für den Dienst in der Höhenrettungsgruppe bewerben können. In einem Auswahlverfahren müssen sie dann ihre körperliche Fitness und ihre Höhentauglichkeit nachweisen. Ebenso werden die praktischen Kenntnisse auf dem Gebiet der Absturzsicherung geprüft.

Nach erfolgreichem Abschluss der Eignungsprüfung durchläuft der Bewerber den zweiwöchigen Höhenrettungsgrundlehrgang, den die Nürnberger Höhenrettungsgruppe in aller Regel in Eigenregie durchführt. Im bayernweiten Verbund der Höhenrettungsgruppen findet allerdings auch ein reger Austausch statt, sodass städteübergreifend freie Lehrgangsplätze angeboten werden.

Für die Ausbildung der Höhenrettungsausbilder greift die Feuerwehr Nürnberg zumeist auf das Lehrgangsangebot anderer Berufsfeuerwehren oder Feuerwehrschulen zurück, da dem angehenden Ausbilder möglichst ein gewisser Blick „über den eigenen Tellerrand“ ermöglicht werden soll.

Einen zentralen Faktor für die Leistungsfähigkeit einer Höhenrettungsgruppe stellt die kontinuierliche Fortbildung dar. Jeder Angehörige der Höhenrettungsgruppe muss deshalb jährlich mindestens 72 Fortbildungsstunden absolvieren, um weiterhin in der Gruppe eingesetzt werden zu können. Im Dienstplan der Feuerwache 2 sind der Donnerstag und der Freitag für die Fortbildung der Höhenretter reserviert.

Die über hundert Jahre alte Feuerwache 2 wurde im Laufe der Jahre sukzessive für die Übungszwecke der Höhenrettungsgruppe ertüchtigt. Der ehemalige Schlauchturm ist zwischenzeitlich zu einer Höhenrettungsübungsanlage mit Steigleitern und Plattformen umgebaut worden, so dass Grundtechniken der Höhenrettung jederzeit auch auf der Feuerwache geübt werden können. Im Dachboden des Wachgebäudes wurden ein Seilparcours und eine Boulderwand zum Klettertraining installiert. Eine Besonderheit dürfte der im Freigelände errichtete austauschbare Kletterbaum darstellen, der in einem Betonfundament eingespannt ist und an dem Rettungstechniken mit Steigeisen trainiert werden können. Die Fortbildung findet dennoch soweit wie möglich an realen Objekten im gesamten Stadtgebiet statt. Es wird angestrebt, ein möglichst umfassendes Spektrum denkbarer Einsatzszenarien zu trainieren. Die Rettung einer abgestürzten Person aus einem Getreidesilo steht dabei genauso auf dem Übungsprogramm wie das Abseilen eines überschweren Notfallpatienten mit über 300 Kilogramm Gewicht.

Bei gemeinsamen Übungen mit der Polizei, der DRF-Luftrettung und der...
Bei gemeinsamen Übungen mit der Polizei, der DRF-Luftrettung
und der Bundeswehr wird trainiert, Höhenretter und Patienten mit der Außenwinde der Hubschrauber abzusetzen.
Quelle: Stadt Nürnberg Feuerwehr

Immer wieder wird auch das Erreichen schwer zugänglicher Punkte an Bauwerken trainiert, wozu Kletterfähigkeiten und spezielle Seiltechniken erforderlich sind. Da Industriekletterer und Baumspezialisten zu den potentiellen Patienten der Gruppe zählen, müssen sich die Höhenretter auch mit den Seiltechniken dieser Berufsgruppen vertraut machen. Für die Besonderheiten der Rettung aus Bäumen absolviert jeder Höhenretter sogar eine mehrtägige Zusatzausbildung.

Bei Rettungseinsätzen darf aber nicht nur die rein technische Lösung im Vordergrund stehen. Auch die medizinische Versorgung kann unter bestimmten Voraussetzungen ausschließlich durch die Höhenretter der Feuerwehr geleistet werden. Neben der fachlichen Qualifikation zum Rettungssanitäter oder Rettungsassistenten können die Höhenretter auf spezialisierte Notfalltaschen und -rucksäcke zurückgreifen, um auch unter schwierigen Bedingungen optimal arbeiten zu können. Relativ neu und durch Einsatzerfahrungen begründet ist ein persönliches Erste-Hilfe-Set, das jeder Höhenretter am Gurt trägt. Damit lassen sich schnell auch stark blutende Verletzungen versorgen.

Arbeiten in großen Höhen und Tiefen sind naturgemäß immer mit Risiken verbunden. Jedoch steht im Feuerwehrdienst die Sicherheit im Vordergrund. Alle Seiltechniken werden deshalb doppelt abgesichert, so dass das Versagen eines einzelnen Ausrüstungsteils nicht zu einem Absturz führen kann. Mit ganz wenigen Ausnahmen hängt der Höhenretter immer an zwei Seilsystemen. Diese Vorsicht erscheint vielleicht übertrieben, da jedes der verwendeten Seile mehrere Tonnen Tragkraft aufweist. Durch scharfe Kanten oder heiße Oberflächen könnten diese Seile jedoch in kürzester Zeit durchtrennt werden, so dass die doppelte Absicherung unbedingt erforderlich ist. Dem Schutz der Seile und Schlingen durch Kantenschutzelemente und entsprechend geplante Seilverläufe kommt ebenso hohe Bedeutung zu. Für Übung und Einsatz gelten hierbei exakt die gleichen hohen Sicherheitsstandards. Keine doppelte Sicherheit gibt es indes beim Hubschraubereinsatz mit der Rettungswinde. Deshalb müssen alle Handgriffe bei Windeneinsätzen besonders sorgfältig ausgeführt werden.

Mehrmals jährlich führt die Höhenrettungsgruppe Trainingstage mit der Polizei und der DRF-Luftrettung durch. Auch mit der Bundeswehr und der Bundespolizei werden immer wieder gemeinsame Übungen veranstaltet. Für den Hubschraubereinsatz werden grundsätzlich alle Höhenretter der Berufsfeuerwehr Nürnberg ausgebildet. Der dreitägige Luftrettungsgrundlehrgang wird in Zusammenarbeit mit der Bayerischen Polizeihubschrauberstaffel und dem Zentrum für Sicherheit und Ausbildung (ZSA) der Bayerischen Bergwacht durchgeführt.

Das Fachwissen der Höhenretter kommt der Nürnberger Feuerwehr auch in anderen Bereichen zugute. Die Expertise der Höhenretter ist bei vielen Ausbildungsveranstaltungen und Vorträgen gefragt. Seit Jahren laufen ebenfalls die Absturzsicherungslehrgänge für Angehörige der Berufsfeuerwehr und der Freiwilligen Feuerwehr unter der Regie der Höhenrettungsgruppe. Auch etliche externe Feuerwehren nutzten in der Vergangenheit das Angebot, sich durch Nürnberger Höhenretter in der Absturzsicherung schulen zu lassen. Darüber hinaus prüfen Sachkundige der Höhenrettungsgruppe im vorgeschriebenen Turnus die gesamte Absturzsicherungsausrüstung der Nürnberger Feuerwehr. Mehrere tausend Ausrüstungsteile müssen hierbei jährlich sorgfältig überprüft und dokumentiert werden. Zwischenzeitlich verfügt die Höhenrettungsgruppe für diese Aufgabe über zwölf Sachkundige für die Prüfung von Persönlicher Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA).

Die Kernaufgabe einer jeden Höhenrettungsgruppe ist freilich der Einsatz. Nachdem die Anfangsjahre eher von spärlichen Alarmierungszahlen gekennzeichnet waren, nehmen die Einsatz­anforderungen in den letzten Jahren kontinuierlich zu. Zwischenzeitlich werden jährlich rund 60 bis 70 Höhenrettungseinsätze absolviert. Sehr häufig rückt die Höhenrettungsgruppe hierbei zum Einsatzstichwort „Person droht zu springen“ aus. Bei diesen Einsätzen ist neben der Seiltechnik häufig auch Einfühlungsvermögen und psychologisches Geschick gefragt.

Von ein paar harmlosen Blessuren abgesehen konnten in der mittlerweile über 20-jährigen Historie der Nürnberger Höhenrettungsgruppe alle Einsätze und Übungen absolviert werden, ohne dass dabei Einsatzkräfte zu körperlichem Schaden kamen.

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