High-End-Fahrsimulator: Mehr Sicherheit bei Einsatzfahrten

Johanniter-Akademie Niedersachsen/Bremen sieht wertvolle Ergänzung für eine optimierte Rettungsdienstausbildung

Tanja Schulz

Sensibilisierung im Umgang mit dem Fahrzeug und erhöhte Konzentration lassen sich gezielt trainieren. Sensibilisierung im Umgang mit dem Fahrzeug und erhöhte Konzentration lassen sich gezielt trainieren.
JUH/Jan Klaassen

Seit rund eineinhalb Jahre setzt die Johanniter-Akademie Niedersachsen/Bremen mit ihrem Fahrsimulator am Campus Hannover auf das ergänzende Training von Einsatzfahrten. Gründe dafür gibt es genug: die steigende Verkehrsdichte auf den Straßen und die damit zunehmend unvorhersehbaren und unübersichtlichen Situationen an Ver- kehrskreuzungen, Ampeln und Ausfahrten.

Bei den Einsatzfahrten mit Sonder- und Wegerechten, den soge- nannten Blaulichtfahrten, kommen noch weitere Risiken und Stressfaktoren für die Einsatzkräfte hinzu.

Der für knapp 60.000 Euro von der Johanniter-Unfall-Hilfe ange- schaffte High-End-Simulator besteht aus einem dynamischen Fahrersitz mit Lenkrad, Blinker, Bremse, drei Monitoren sowie einer VR-Brille, die realistische Alltagssituationen abbilden können. Der Simulator kann auf einen Anhänger verladen und somit auch an anderen Johanniter-Standorten eingesetzt werden. Das Fahrgefühl am Simulator sei dem im Rettungswagen schon sehr nahe, erklärt Kai Schäfer, Fachbereichsleiter Rettungsdienst Aus- und Fortbildung an der Akademie, auch wenn es manchmal leichte Verzögerungen in der Mechanik gäbe. Die Möglichkeiten im simulierten Training haben dennoch vielseitiges Potenzial:

„Mit einer Stufenausbildung können wir in den jeweiligen Szenarien die Komplexität steigern – beim Rangieren, dem Fahren in Stadt und auf dem Land, bei allen Wettern und mit unter- schiedlicher Verkehrsdichte“, erläutert der Ausbildungsleiter und fasst die bisherigen Erfahrungen zusammen: „Seit März 2023 haben wir knapp 300 Personen am Fahrsimulator geschult. Dazu gehören in erster Linie die angehenden Notfallsanitäterinnen und -sanitäter aus unserem schulischen Bereich, hier sind im Curriculum 48 Einheiten in der dreijährigen Ausbildung vorge- sehen. Wir versuchen aber zudem, das Training gelegentlich im Grundlehrgang für unsere Rettungssanitäter durchzuführen und dabei auch das Ehrenamt mitzudenken.“

Optionale Trainings- möglichkeiten sieht Schäfer aber auch bei anderen Kolleginnen und Kollegen, die mit einem Fahrzeug im Einsatz sind: „Es kann auch ein Angebot für unseren Menü-Service sein, ebenso lohnt das Training sicher auch für den Organtransport.“

High-End-Fahrsimulator: Mehr Sicherheit bei Einsatzfahrten
Quelle: JUH

Bereits erfolgreich geschult und kooperiert hat die Akademie mit zwölf Kolleginnen und Kollegen der DRK-Bereitschaft in der Region Hannover, darüber hinaus nahmen zwei Mitglieder einer Werksfeuerwehr in Alfeld am Training teil.

 „Solche Kooperationen sind neben der Qualifizierung ein wichtiger Teil der finanziellen Abwägung“, erläutert Kai Schäfer. „Abgesehen von unseren eigenen Kursen, die eine bestimmte Gruppengröße und Dozenten erfor- dern, können wir mit dem Simulator auch zu anderen Kunden fahren, vor Ort sein und das Training in deren Arbeitsalltag inte- grieren. Das fließt in eine effiziente Kostenplanung ebenso ein wie die Auswertung zwischen den Kosten des Fahrsicherheitstrai- nings, möglichen geringeren Fahrzeugschäden oder eventuell günstigeren Versicherungsbeiträgen aufgrund eines Nachweises für das Sicherheitstraining.“

Stresslevel und Unfallrisiko bei Einsatzfahrten sind in der Regel höher als bei normalen Fahrten, dennoch zeigt die Schadens- analyse 2022/2023 des Fuhrparkmanagements der JUH im Landesverband Niedersachsen/Bremen einen anderen Schwerpunkt, wie Mitarbeiter Uwe Klöppel, auch zuständig für den Schwerpunkt Unfallprävention, berichtet:

„Die Problembereiche im Rettungs- dienst zeichnen sich größtenteils bei Park- und Rangierschäden, Auffahr- und Abbiegeschäden oder aber in Kreuzungssituationen mit roter Ampel unter „Blaulicht“ ab. Dazu gehören der Klassiker „Spiegel an Spiegel“ aber auch andere falsche Einschätzungen der Fahrzeugabmessungen, ein zu geringer Sicherheitsabstand, das Rangieren ohne Einweiser sowie generelle Unaufmerksamkeit oder Ablenkung. In diesem Rahmen verzeichnen wir 85 Prozent unserer Fahrzeugschäden bei Fahrten ohne Alarm und nur 15 Prozent bei Fahrten mit Sonder- und Wegerechten.“

In diesem Rahmen werden natürlich in der Praxis entsprechende Fahrzeugtrainings angeboten und durchgeführt, den Simulator wertet Uwe Klöppel aber als maßgebliche Ergänzung:

„Unser oberstes Ziel lautet `Erkennen und Vermeiden‘. Beim Training am Simulator spielen daher Aufmerksamkeit und Konzentration eine wesentliche Rolle. Das bringt insgesamt mehr Sicherheit und dient der Gefahrenvermeidung.“

High-End-Fahrsimulator: Mehr Sicherheit bei Einsatzfahrten
Quelle: JUH

Die Szenarien am Fahrsimulator, die angehende Rettungskräfte durchlaufen, sind daher genau auf diese Erkenntnisse ausgelegt: Durch Fußgänger, seitliche Rollerfahrer, Funk- oder andere Lärmgeräusche kann der Druck an unterschiedliche Szenarien angepasst und verändert werden. Zusätzlich werden die Szenarien um die Themen verstopfte Rettungsgassen, Behinderungen bei der Einfahrt in Kreuzungsbereiche, zugeparkte Krankenhauseinfahrten und auch das Parken am Unfallort in unübersichtlicher Situation ergänzt.

„Das Ziel ist daher nicht nur eine verbesserte Fahrpraxis, sondern eine insgesamt erhöhte Sensibilisierung und Konzentration im Umgang mit dem Einsatzfahrzeug“, unterstreicht Uwe Klöppel.

„Die bestmögliche Behandlung von Notfallpatienten ist natürlich der wichtigste Teil unserer Ausbildung“, sagt Kersten Enke, Leiter der Johanniter-Akademie Niedersachen/Bremen. Damit dieses aber erst möglich sei, müssten die Einsatzkräfte schnell und vor allem sicher zum Unfallort gelangen.

„Mit dem Simulationstrai- ning können wir schwierige Verkehrssituationen realistisch trai- nieren und die Rettungskräfte sehr gut auf ihren Alltag vorberei- ten. Und nicht zuletzt kann das Handling eines großen Rettungstransportwagens (RTW) in sicherer Umgebung eingeübt werden“, sagt Enke.

Mit dem Einsatz des Fahrsimulators erweitert die Johanniter- Akademie in Hannover die Rettungsdienstausbildung um eine weitere digitale Komponente und geht den eingeschlagenen Weg konsequent weiter. Nicht zuletzt aufgrund der Pandemielage hat die Johanniter-Akademie als Reaktion ihre Bildungsangebote seit März 2020 auf „Blended Learning“ umgestellt. Dies bedeutet ein koordiniertes Zusammenspiel aus Unterricht in Kleingruppen und selbstgestaltetem E-Learning mit Hilfe des eigenen Lern- Management-Systems „JUH-Learn.“ Darüber hinaus werden an der Johanniter-Akademie bereits seit 2018 VR-Brillen in die Aus- bildung von Fachkräften im Rettungsdienst und Katastrophenschutz integriert. Hier wird den Einsatzkräften in einem Mixed-Reality-Ansatz eine Lage visuell und akustisch simuliert, während gleich- zeitig die Kommunikation zwischen den Einsatzkräften trainiert wird. Diese neuen Erlebnismöglichkeiten unterstützen die Aus- und Weiterbildung maßgeblich.

Über die Johanniter-Akademie Niedersachsen/Bremen

Die Johanniter-Akademie Niedersachsen/Bremen, mit ihren Standorten in Hannover, Oldenburg, Südniedersachen und Elsfleth, ist bundesweit eine der führenden Bildungseinrichtun- gen für Rettungsdienst, Pflege und Katastrophenschutz. Das Spektrum reicht von der notfallmedizinischen Basisausbildung zum Rettungssanitäter/zur Rettungssanitäterin über die drei- jährige Berufsausbildung zum Notfallsanitäter/zur Notfallsani- täterin bis hin zur Fortbildung von Rettungsmedizinern und -medizinerinnen und Führungskräften im Rettungsdienst. Die Entwicklung und Durchführung der Bildungsangebote sind gemäß DIN EN ISO 9001:2015 und AZAV zertifiziert. Die Seminare wer- den begleitend evaluiert, und die Ausbildung wird ständig den neuen pädagogischen und wissenschaftlichen Entwicklungen und Erkenntnissen angepasst. 

Weitere Informationen unter www.johanniter-akademie.de/nb


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