Die Welt der Feuerwehr und des Rettungsdienstes ist eine Welt voller Herausforderungen und Gefahren, die ein hohes Maß an Fachwissen, Erfahrung und auch die richtige Ausrüstung erfordern. In einem Umfeld, in dem jede Sekunde zählt und das Wohlergehen von Menschen auf dem Spiel steht, ist es unerlässlich, Risiken und Gefahren im Voraus zu analysieren und zu minimieren. Dies unterstreicht die Bedeutung einer fundierten Gefährdungsanalyse, die sowohl für die Einsatzplanung als auch für die Sicherheit des Einsatzpersonals unabdingbar ist.
In der heutigen Zeit, in der sich die Natur von Bedrohungen und Einsätzen ständig weiterentwickelt – sei es durch neue Technologien, veränderte Umweltbedingungen oder neue Arten von Gefahren –, ist eine kontinuierliche Anpassung und Erweiterung des Wissens und der Schutzausrüstung gefragter denn je. Von der Notwendigkeit spezialisierter Schutzausrüstung in verschiedenen Brandszenarien – wie z. B. Innenangriffe beim Wohnungsbrand im Gegensatz zur Technischen Hilfeleistung – bis hin zu speziellen Herausforderungen wie der Eisrettung oder gar dem Schutz gegen ballistische Gefahren, stellt dieser Artikel verschiedene Aspekte der Gefährdungsanalyse im Feuerwehr- und Rettungsdienst dar und beleuchtet ihre Bedeutung für die Sicherheit und Effektivität der Einsätze.
Dieser Artikel zielt darauf ab, ein tieferes Verständnis für die Notwendigkeit einer sorgfältigen Auswahl unterschiedlicher Schutzausrüstungen zu schaffen und gleichzeitig die Entwicklungen und Verbesserungen in diesem Bereich zu beleuchten, die dazu beitragen, das Leben von Einsatzkräften und Bürgern zu schützen und zu retten.
Auf dem knappen zur Verfügung stehenden Raum darf keine Patentlösung für alle Anforderungen erwartet werden. Der Artikel versteht sich eher als „Teaser“, wie das im Filmgewerbe heißt. Er soll ein paar wichtige Fakten und Randbedingungen benennen, neugierig machen und einen Anreiz geben, sich für den jeweils eigenen Bereich näher mit dem Thema auseinanderzusetzen. Ob diese Auseinandersetzung stattfindet oder nicht, entscheidet über die Gesundheit und schlimmstenfalls das Leben der Einsatzkräfte. Das Thema ist also alles andere als trivial.
Die Gefährdungsanalyse als Basis
Die verschiedenen Blickwinkel der Gefährdungsanalyse
Die Gefährdungsanalyse begegnet uns mittlerweile fast überall. Selbst im Bürodienst werden Arbeitsplätze auf der Basis von Gefährdungsanalysen betrachtet und eingerichtet. Ist zwischen Schreibtisch und Schrank zu wenig Platz zum Hindurchgehen, besteht die Gefahr, sich zu stoßen. Der Sicherheitsbeauftragte gibt den Arbeitsplatz erst frei, wenn die Mindestmaße erfüllt sind.
Nun geht es im Einsatzdienst von Feuerwehr, Rettungsdiensten und technischen Hilfsdiensten nicht nur um einen blauen Fleck am Oberschenkel. Selbst mit einem blauen Auge würde man sich bisweilen glücklich schätzen. Daher ist die Gefährdungsanalyse hier ein besonders wichtiges Instrument des Sicherheitsmanagements. Sie wurde über die Jahre ein integraler Bestandteil des Risikomanagements in allen Bereichen des Feuerwehr- und Rettungswesens und ermöglicht es den Einsatzkräften, sich auf die Vielfalt und Komplexität der Herausforderungen vorzubereiten, die sie in ihrem Berufsalltag erwarten. Die dadurch strukturierte Vorbereitungsarbeit und Organisation trägt maßgeblich zur Minimierung von Risiken und zur Maximierung der Einsatzwirksamkeit bei.
Dabei gibt es zwei Blickwinkel: Einmal muss eine Gefährdungsanalyse in Bezug auf die zu rettenden Personen oder das zu schützende Material durchgeführt werden. Dies ist die normale Herangehensweise an einen Einsatz im Laufe des Geschehens in Form des Führungsvorgangs und spielt sich am Anfang desselben im Bereich der Lagefeststellung und Planung ab. Und dann ist eine Gefährdungsanalyse in Bezug auf die Gefahren für das eigene Personal erforderlich. Zum Teil findet auch diese im Zuge des individuellen Führungsvorgangs statt. So ist ihr Ergebnis maßgeblich für die Auswahl des geeigneten Anzugs und der geeigneten Schutzausstattung. Zum Teil muss sie aber bereits im Vorfelde der Einsätze erfolgt sein. Und genau dieser Teil ist gemeint, wenn in diesem Artikel über Gefährdungsanalyse gesprochen wird. Denn vor Ort können die Einsatzkräfte nur aus dem Portfolio auswählen, das auf den Einsatzfahrzeugen verlastet ist. Hier die richtige Grundauswahl zu treffen, ist Aufgabe vorbereitender Arbeiten. Die dort verortete Gefährdungsanalyse entscheidet also darüber, ob das Personal vor Ort das nötige Equipment und die erforderliche PSA überhaupt verfügbar hat.
Brandschutz
Betrachten wir zunächst den Brandschutz: Jeder Brandfall ist einzigartig und stellt unterschiedliche Anforderungen an die Einsatzkräfte. Die DGUV Information 205-014 „Auswahl von persönlicher Schutzausrüstung für Einsätze bei der Feuerwehr“ zeigt, wie wichtig es ist, die richtige Ausrüstung basierend auf einer sorgfältigen Analyse der potenziellen Gefahren zu wählen. Dies umfasst nicht nur die direkten Gefahren durch Feuer und Rauch, sondern auch sekundäre Risiken wie strukturelle Instabilitäten und gefährliche Stoffe.
Rettungsdienst
Auch im Rettungsdienst ist die Gefährdungsanalyse unverzichtbar, um sowohl Patienten als auch Helfer zu schützen. Die Herausforderungen reichen von Verkehrs- und Unfallrisiken bis hin zu Gefahren durch Kontamination durch Körperflüssigkeiten oder gar Inkorporation durch Inhalation oder versehentliche Verletzungen durch Injektionsnadeln. Eine gründliche Risikobewertung vor dem Einsatz kann lebensrettende Sekunden sparen und gleichzeitig die Sicherheit aller Beteiligten erhöhen.
Technische Hilfe
Bei technischen Hilfseinsätzen, wie beispielsweise bei Verkehrsunfällen, Naturkatastrophen oder industriellen Unfällen, sind die Risiken vielschichtig. Die Fachempfehlung des Fachausschusses Technik der deutschen Feuerwehren Nr. 67 vom 17.02.2021 „Persönliche Schutzausrüstung für die Feuerwehren vor dem Hintergrund neuer Herausforderungen“ hebt hervor, wie wichtig es ist, dass die Einsatzkräfte auf eine breite Palette von Szenarien vorbereitet sind und ihre Ausrüstung entsprechend anpassen können.
Kontamination und Hygiene
Eine Gefährdung, die vor wenigen Jahrzehnten noch kaum Aufmerksamkeit genoss, ist die Kontamination mit Gefahrstoffen. In früheren Zeiten war es nicht unüblich, dass Feuerwehrleute dieselbe schmutzige und möglicherweise kontaminierte Kleidung über längere Zeit trugen – ohne angemessene Reinigungsverfahren. Insbesondere beim Helm galt: Je zerbeulter und schmutziger dieser ist, desto deutlicher zeigt dies die Einsatzerfahrung und den Biss der Einsatzkraft. Die sukzessive Anreicherung von Gefahrstoffen in der PSA führte zu einem erhöhten Risiko für gesundheitliche Probleme, einschließlich der Exposition gegenüber krebserregenden Stoffen.
Die DGUV Information 205-035 „Hygiene und Kontaminationsvermeidung bei der Feuerwehr“ unterstreicht, wie essenziell es ist, die Gesundheit und Sicherheit der Einsatzkräfte durch konsequente Einsatzhygiene, Kontaminationsvermeidung und eine regelmäßige industrielle Reinigung der Einsatzbekleidung zu schützen. Bei der klassischen Wäsche – das ist inzwischen allgemein bekannt – verbleiben viele krebserregende Substanzen im Gewebe. Wäscht man möglicherweise gar zuhause, so überträgt man dabei karzinogene polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) und andere gesundheitsgefährdende Stoffe auch noch auf die Privatbekleidung. Aber moderne Verfahren und Technologien gewerblicher Wäschereien ermöglichen es, Schutzbekleidung effektiv von gefährlichen Substanzen zu reinigen. Eine Wäsche zuhause muss auf jeden Fall tabu sein.
Dies zeigt, dass die Gefährdungsanalyse speziell in diesem Fall nicht nur auf die unmittelbaren Risiken eines Einsatzes abzielt, sondern auch langfristige Gesundheitsaspekte berücksichtigt. Das Thema wurde in der Crisis Prevention vom 25.10.2021 bereits durch Dennis Kuhn von der Unfallkasse NRW aufgegriffen und eingehend beleuchtet.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Entwicklung im Umgang mit kontaminierter Schutzbekleidung von einer anfänglichen Vernachlässigung zu einem zentralen Anliegen in der Feuerwehr geworden ist. Die konsequente Umsetzung von Hygiene- und Dekontaminationsstandards ist entscheidend, um die Gesundheit und Sicherheit der Einsatzkräfte zu gewährleisten und die langfristigen Risiken durch Kontamination zu minimieren.
Örtliche Besonderheiten und neue Gefahren
Je nach den örtlichen Gegebenheiten kommen besondere Gefahren für die Einsatzkräfte hinzu. Befinden sich im Zuständigkeitsbereich beispielsweise Gewässer, so muss sich die Feuerwehr auch auf Wasserrettung und Eisrettung vorbereiten. Solche besonderen Einsatzszenarien erfordern eine besondere Ausrüstung, deren Notwendigkeit und Zusammensetzung sich ebenfalls aus einer Gefährdungsanalyse ergibt. Das ist jetzt kein neues Modewort. Es geht schlichtweg nicht ohne sie, wenn man nicht ohne Sinn und Verstand in operative Hektik verfallen möchte. Lässt man sie weg, wird der Organisationsverantwortliche spätestens im Schadenfall vom Richter daran erinnert, was er versäumt hat. Dann ist es für den Geschädigten aber zu spät, und die Strafe für ein solches Organisationsverschulden wird empfindlich sein.
Immer wieder begegnen wir in den Nachrichten auch Schilderungen von Amokläufen, begangenen oder vereitelten Terroranschlägen und Angriffen auf Einsatzkräfte nicht nur der Polizei. Auf ihre Neutralität können sich Feuerwehr und Rettungsdienst schon lange nicht mehr verlassen. Gegen diese neuen und für den Feuerwehr- und Rettungsdienstalltag bislang eher unüblichen Gefahren gibt es auch geeignete PSA. Hier betreten wir allerdings dünnes Eis, um eine Analogie aus der zuvor angesprochenen Eisrettung zu benutzen.
Es gibt Feuerwehren im In- und Ausland, die in ihrem Fundus ballistische Schutzkleidung (zumeist Helme und Westen) bevorraten und vereinzelt auch auf den Einsatzfahrzeugen mitführen. Für Bundeswehrfeuerwehren im Auslandseinsatz ist dies Standard, wobei sich eine Kombination von Brandschutzkleidung und ballistischem Schutz als äußerst problematisch, wenn nicht praktisch unmöglich erwiesen hat. Auch die ukrainischen zivilen Feuerwehren müssen diese Gratwanderung machen und sind dadurch besonderen körperlichen Belastungen ausgesetzt. Das vorstehende Bild zeigt einen Soldaten in ballistischer Schutzausstattung bei der technischen Hilfeleistung. Bundeswehrfeuerwehrangehörige kommen im Auslandseinsatz ausschließlich im Status Soldat zum Einsatz, damit sie bewaffnet sein können und den Schutz durch die einschlägigen internationalen Abkommen (bspw. Haager Landkriegsordnung und Genfer Konventionen mit ihren Zusatzabkommen) genießen.
Für die Feuerwehren im Friedenseinsatz ohne großflächige Bedrohung durch feindlichen Raketenbeschuss wie derzeit in der Ukraine oder anderen Kriegsgebieten muss im Vorfelde von Einsätzen die essenzielle Frage gestellt werden: Wohin geht die Feuerwehr und wohin nicht? Denn mit einer geeigneten PSA ist es bei einer Bedrohungslage durch Schusswaffen und Sprengmittel nicht allein getan, was deutlich die Grenzen von PSA aufzeigt. In diesen außergewöhnlichen Einsätzen ist neben einer geeigneten Schutzausstattung auch ein eintrainiertes besonderes taktisches Verhalten erforderlich. Aus diesem Grunde besteht mittlerweile zumindest in Deutschland Einvernehmen darüber, dass im unmittelbaren Gefahrenbereich von Schusswaffen und Sprengmitteln ausschließlich die Polizei tätig wird und Verletzte aus diesen Bereichen in Sicherheit bringt. Das obige Bild zeigt genau das während einer großangelegten Übung mit Spezialeinsatzkräften aus ganz Deutschland in Hamburg. Wir lernen: Die PSA ist kein Allheilmittel und kann nicht gegen alles schützen. Eine – genau! – Gefährdungsanalyse zeigt dies auf.
Diese beiden Beispiele verdeutlichen die Vielfalt und Komplexität der Aufgaben, denen sich Feuerwehr und Rettungsdienste stellen müssen, und die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Anpassung und Weiterentwicklung in diesen Bereichen – nicht nur durch geeignete PSA, sondern auch durch angepasstes taktisches Vorgehen. Rechtzeitige Absprachen mit anderen Mitspielern in der Gefahrenabwehr, allen voran der Polizei, sind hier unerlässlich.
Literaturempfehlungen
So wie dem Richter ein Blick ins Gesetz die Urteilsfindung erleichtert, lassen sich zum Thema PSA zahlreiche Publikationen unterschiedlicher Herausgeber finden, die für die Beschaffung grundlegende Informationen enthalten. Als essenziell können sicher die Folgenden bezeichnet werden. Die Aufzählung ist selbstverständlich nicht erschöpfend, sondern nur beispielgebend. Für Verantwortliche im Bekleidungswesen und der Beschaffung sind diese Quellen Pflichtlektüre.
- DIN EN 469 „Schutzkleidung für die Feuerwehr“
- DIN EN 443 „Feuerwehrhelme für die Brandbekämpfung
in Gebäuden und anderen baulichen Anlagen“ - DGUV Information 205-014 „Auswahl von persönlicher Schutzausrüstung für Einsätze bei der Feuerwehr basierend auf einer Gefährdungsbeurteilung“
- DGUV Information 205-035 „Hygiene und Kontaminationsvermeidung bei der Feuerwehr“
- DGUV Information 205-020 „Feuerwehrschutzkleidung – Tipps für Beschaffer und Benutzer“
- Fachempfehlung des Fachausschusses Technik der deutschen Feuerwehren Nr. 67 vom 17.02.2021 „Persönliche Schutzausrüstung für die Feuerwehren vor dem Hintergrund neuer Herausforderungen“
- HuPF „Herstellungs- und Prüfungsbeschreibung für eine universelle Feuerwehrschutzkleidung“
Zusammenfassung
Feuerwehrleute sowie Angehörige von Rettungsdiensten und technischen Hilfsorganisationen sind im Einsatz vielfältigen Risiken ausgesetzt. Dies gilt gleichermaßen für Polizei und Militär, deren Tätigkeitsfelder hier aber nicht betrachtet wurden.
Nur eine im Vorfelde der Einsätze durchgeführte Gefährdungsanalyse ermöglicht es einer Institution, ihr Personal in Bezug auf die zur Verfügung zu stellende PSA hinreichend auszustatten und zu schützen. Eine solche Gefährdungsanalyse muss umfassend sein und alle in Frage kommenden Risiken berücksichtigen. Der Gesundheitsschutz der Mitarbeiter steht hierbei im Fokus. Wird diese wichtige einsatzvorbereitende Maßnahme versäumt, kann dies für die organisationsverantwortliche Person gravierende juristische Folgen haben.
Die korrekte Auswahl und Nutzung der Schutzbekleidung ist ein kritischer Faktor für die Sicherheit und Effektivität bei Feuerwehreinsätzen. Fortschritte in Material und Design haben zu einer zunehmenden Spezialisierung und Verbesserung der Schutzausrüstung geführt, was die Anpassungsfähigkeit und Sicherheit der Feuerwehrleute in allen Einsatzszenarien erhöht – sofern man Gebrauch davon macht.
Crisis Prevention 1/2024
Dipl.-Ing. Sebastian L. Vries
Branddirektor a. D. | Oberstleutnant d. R.
Präsidiumsmitglied der Vereinigung zur Förderung des deutschen Brandschutzes
E-Mail: vries@vfdb.de