Schneller. Umweltbewusster. Ressourcenschonender.

Der Einsatz verschiedener Löschmittel im Vergleich

Sarah Heggen

Die Taktik richtiger Löschmittel bestimmt maßgeblich den Einsatzerfolg – beginnend mit den Anforderungen an das Löschgerät und die Löschmittel bis hin zum Umweltschutz. Über diese Themen sprach CP im Januar mit Hartmut Ziebs, Vizepräsident des Deutschen Feuerwehrverbandes, in der Dienststelle der Feuerwehr Schwelm. Die Fragen stellte Sarah Heggen, Redaktion CP.

CP: 

Herr Ziebs, vielen Dank, dass Sie CP zum Gespräch empfangen. Bitte stellen Sie sich unseren Lesern kurz vor. 


Hr. Ziebs: 

Als gelernter Bauingenieur trat ich 1977 in den Dienst der Freiwilligen Feuerwehr ein. Seit mittlerweile 14 Jahren bin ich ehrenamtlicher Bezirksbrandmeister bei der Bezirksregierung Arnsberg. Zuvor war ich Leiter der Feuerwehr in Schwelm. Seit 2003 bin ich außerdem Vizepräsident des Deutschen Feuerwehrverbandes (DFV), der nunmehr seit über 150 Jahren besteht und alle Feuerwehren in einem Verband vertritt. Hier bin ich zuständig für die Fachbereiche Einsatz, Löschmittel, Umweltschutz, Ausbildung, Forschung und in Teilen Soziales. 


CP: 

Wie bewerten Sie die Frage der Nachwuchsgewinnung insbesondere im Bereich des Ehrenamtes? 


Hr. Ziebs: 

Es ist eine große Herausforderung, die Menschen, die wir an die Arbeit der Freiwilligen Feuerwehr heranführen können, auch langfristig zu binden. Neben dem Aspekt der Menschenführung spielt die Frage nach einer auf guten Füßen basierenden Ausbildung und der entsprechenden Fähigkeitsschulung eine wichtige Rolle.


CP: 

Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe für die sinkenden Nachwuchszahlen?


Hr. Ziebs: 

Tatsächlich war der Wegfall der Wehrpflicht unproble­matisch für die Freiwilligen Feuerwehren. Der Wunsch junger Menschen, ein flexibles Leben zu führen und ortsungebunden zu studieren, spielt sicher eine bedeutende Rolle. Unseren Nachwuchs gewinnen wir natürlich aus den Jugendfeuerwehren. Hier begeistern wir die Kinder und Jugendlichen sehr früh für den Feuerwehrdienst.


CP: 

Wie verläuft hier die Entwicklung in den letzten Jahren?


Hr. Ziebs: 

Das ist sehr unterschiedlich, in einigen Regionen sinken die Zahlen von Einsteigern bei den Jugendfeuerwehren rasant. Nachvollziehbar wird das beim Blick auf den demografischen Wandel. Will man die Zahlen konstant halten, muss man die verbleibenden Freiwilligen mit entsprechenden Angeboten früh an sich binden, bevor andere das tun. Bei der Frage der Nachwuchsgewinnung arbeitet man mittlerweile auch auf internationaler Ebene zusammen und sucht gemeinsam nach Lösungen, um dem demografischen Wandel und der Frage nach den Konsequenzen zu begegnen.


CP: 

Kommen wir nun zu Ihren Aufgabenfeldern beim DFV. Hierzu zählen Brandbekämpfung und Umweltschutz. Wie gestaltet sich die Entwicklung seit den Gründerjahren der Feuerwehr? 


Hr. Ziebs: 

Tatsächlich haben wir heute – trotz der Weiterentwicklungen in den Bereichen Technik und chemische Löschmittel – immer noch den Stand aus den Gründerjahren der Feuerwehr, denn das einfachste Löschmittel ist nach wie vor Wasser. Es hat eine hervorragende Löschwirkung und lässt sich gut fördern, aber hat auch Nachteile: Wasserschäden steigen möglicherweise beim Löschvorgang und es kann zu Kontaminierungen durch das Löschwasser kommen – weniger bei Wohnungsbränden als beim Brand einer Industrieanlage.


CP: 

Welche Löschmittel kommen außerdem zum Einsatz und welche Risiken bergen diese?


Hr. Ziebs: 

Wir nutzen je nach Brandklasse auch Schaumlöschmittel, wobei der Druckluftschaum wieder auf dem Vormarsch ist. Bereits im 2. Weltkrieg erfunden, ist dieses Löschmittel in Vergessenheit geraten und erhält jetzt wieder Einzug in Deutschland. Hierbei versucht man die Vorteile von Wasser und Schaum in Kombination als Lösch­mittel zu verwenden. Vorreiter in diesem Bereich ist die Berliner Feuerwehr, die in den letzten Jahren zahlreiche Fahrzeuge für den Erst­angriff mit Druckluftschaumverfahren ausgerüstet hat. 

Vorteile bei diesem Verfahren sind geringe Wasserschäden und ein sehr schneller Löscherfolg bei wenig Wasserverbrauch. Das wiederum bindet weniger Personal und ist somit ressourcenschonend. Ich persönlich sehe im Druckluftlöschverfahren die Möglichkeit, zukünftig Brände besser und auch umweltschonender in den Griff zu bekommen.


CP: 

Wie gestaltet sich die prozentuale Verteilung im Einsatz von Wasser zu Schaumlöschmitteln?


Hr. Ziebs: 

Etwa 90% der Brände werden mit Wasser gelöscht, 10% mit Schaumlöschverfahren, je nach Brandklasse als normaler Mittelschaum, Schwerschaum oder Druckluftschaum. Es gibt wenige Brände, bei denen man Schaumlöschmittel einsetzen muss. Natürlich kann sich das Verhältnis zukünftig noch verschieben, wenn man beispielsweise Druckluftschaumverfahren gemäß der Aspekte „schneller“, „umweltschonender“ und „wasserschonender“ etabliert hat. 


CP: 

Ressourcenschonende Löschtechniken sind begrüßenswert, doch birgt Schaum als Löschmittel immer eine gewisse Umweltbelastung. Wie begegnet man dem im Einsatz?


Hr. Ziebs: 

Das ist eine spannende Frage. Die Rettung von Menschenleben steht natürlich an erster Stelle. Dann gilt zu klären, was getan werden muss, um den Einsatzerfolg so umweltschonend wie möglich zu erzielen. In der Löschmittelausbildung wird grundsätzlich die Frage „Löschen oder abbrennen lassen?“ unter dem Aspekt der Umweltgefährdung gelehrt, bei dem Umweltbelastungen durch Rauchgase gegenüber denen durch kontaminiertes Löschwasser oder PFT-Belastungen im Löschschaum abgewogen und unter Berücksichtigung der Sicherheit der Einsatzkräfte bewertet werden. Gerade in den letzten zehn Jahren hat man – nicht zuletzt aus Kostengründen – den Blick für Umweltgefährdung geschärft.


CP: 

Ist der Arbeitsschritt der Entsorgung besonders personalbindend? 


Hr. Ziebs: 

Während des laufenden Einsatzes muss schon die Lösch­wasseraufbereitung mit eingebaut werden; dies bindet entsprechend Personal. In bestimmten Unternehmensbereichen, wie etwa der Industrie, ist die Löschwasseraufbereitung von Seiten des Baurechts bereits vorgesehen. Es gibt natürlich zahlreiche alte Industrieanlagen, die diese Ausstattung nicht vorweisen. Bei Bränden, etwa auf der Autobahn, bereitet das Auffanggen von Löschwasser andere Schwierigkeiten an das dafür abgestellte Personal. 


CP: 

Die thematisierten PFT-haltigen Löschmittel stehen schon lange in der Kritik. Wieso ist es für die Feuerwehren so schwierig, auf deren Einsatz zu verzichten?


Hr. Ziebs: 

Die Diskussion um PFT-haltige Schaumlöschmittel ist derzeit wieder sehr aktuell. Werkfeuerwehren verschiedener Industrieunternehmen können alternativlos nur PFT-haltige Löschmittel einsetzen, zum Beispiel AFFF, denn nur mit diesem speziellen Film auf der brennenden Oberfläche können beispielsweise Chemiebrände gelöscht werden. Hier gilt es, Fragen nach Sonderregelungen und der Entsorgung zu klären. Zwar kann man PFT- haltige Substanzen entsorgen, doch nur durch sehr kostspielige Verbrennungsverfahren. 

Man wird nicht ganz auf PFT-haltige Schaumlöschmittel verzichten können, doch muss man sich dessen bewusst sein, dass beim Einsatz entsprechende Maßnahmen bis hin zur Entsorgung getroffen werden müssen. Der DFV hat hierzu einen Ratgeber zu den Richtlinien und dem Einsatz von fluorhaltigen Einsatzmitteln für Einsatzkräfte der Feuerwehren veröffentlicht. Er klärt darüber auf, in welchen Fällen PFT-haltige Schaumlöschmittel zum Einsatz kommen können bzw. müssen.


CP: 

Ist das nicht ein Aspekt für die Forschung, PFT durch andere Tenside zu ersetzen?


Hr. Ziebs: 

Ja, das ist ein Ansatz für die Forschung. Derzeit investieren die Feuerwehren sehr viel Geld in die Sicherheitsforschung, doch wird im Zuge dessen weniger Geld in bestimmte Einzellöschverfahren investiert. Natürlich haben auch Schaummittelhersteller ein großes Interesse daran, Alternativen zu finden; da sehe ich uns auf einem guten Weg. 


CP: 

Woher rührt die Intention der Hersteller, möglichst umweltschonend bzw. PFT-frei zu produzieren?


Hr. Ziebs: 

Das ist zunächst eine Frage der Konkurrenz der Hersteller untereinander. Aus wirtschaftlichen Gründen haben Unternehmen ein großes Interesse daran, Alternativen zu PFT-haltigen Schaummitteln zu finden. 


CP: 

Wie sieht es mit der Vorhaltung von Schaumlöschmitteln aus? 


Hr. Ziebs: 

Das ist ein großes Problem bei Schaummitteleinsätzen. Im Rahmen der Fahrzeugnormung haben Feuerwehren Schaummittel auf den Löschfahrzeugen immer vorgesehen. Bei kleinen Einsätzen reichen schon fünf Liter Schaum aus, bei Großeinsätzen müssen die Einsatzkräfte mehrere Tausend Liter Schaumlöschmittel vorrätig haben. Um diese Mengen abrufen zu können, werden die jeweiligen Vorräte im Umkreis des Einsatzortes zusammengezogen.


CP: 

Gibt es Einsatzlagen, die ein besonderes Schadenspotential für Mensch und Umwelt bergen?


Hr. Ziebs: 

Ja, etwa beim Material Carbonfaser, das beispielsweise im Fahrzeugbau zum Einsatz kommt. Carbonfasern haben ähnliche Eigenschaften wie Asbest, bloß zerlegen sie sich in noch feinere Partikel, die im schlimmsten Fall beim Einatmen die Lunge durchbohren. Diese feinen Partikel sind nicht nur gesundheitsschädigend, sondern auch krebsfördernd und bergen deshalb ein hohes Gefahrenpotential. 

Im Schadensfall kommt es zu einer großflächigen Verteilung der Carbonfasern durch die aufsteigenden Rauchwolken. Das ist eine Problematik, der sich die Feuerwehr in Zukunft gegenüber stellen muss aufgrund der Verwendung des Materials im Fahrzeugbau und bei der Sonderfahrzeugauskleidung. Es ist unsere Aufgabe als Verband, auf die Neuerungen aus der Industrie entsprechend zu reagieren. Aus diesem Grund erarbeitet der DFV eine Einsatzempfehlung für Feuerwehrleute für den richtigen Umgang bei Carbonbränden. Dieser beginnt beim Atemschutz und reicht bis zur Spezialreinigung der Einsatzkleidung. 


CP: 

Wagen wir zum Abschluss des Gespräches noch einen Ausblick auf die künftigen Herausforderungen im Feuerwehrwesen.


Hr. Ziebs: 

Gerne. Ich glaube, dass die Aspekte Umweltschutz und Brandbekämpfung künftig noch stärker in den Fokus rücken werden. Die Feuerwehr muss sich auch in allen anderen Bereichen der ABC-Gefahrenabwehr intensiver mit dem Umweltaspekt befassen. Zudem werden alternative Löschverfahren nicht primär aus Kostengründen denn aus Personalmangel weiterentwickelt, was erhebliche Auswirkungen auf den Umweltschutz haben wird, beispielsweise im Hinblick auf Druckluftschaumverfahren, die weniger Löschwasser benötigen.


CP: 

Vielen Dank für das aufschlussreiche Gespräch. Für die Zukunft des Feuerwehrwesens wünschen wir viel Geschick und viel Erfolg bei der Umsetzung Ihrer Konzepte zur Nachwuchsgewinnung. 

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