Unfallfaktoren bei Feuerwehrfahrzeugen

Thomas Zawadke

Heinz Neumann

Unfälle in der Vergangenheit, insbesondere mit TLF, werfen Fragen auf. In diesem Beitrag werden Hinweise gegeben auf mögliche Faktoren, die zu einem Unfall geführt haben oder führen können. Viele LF 20 werden mit Tanks deutlich über 2000 l Fassungsvermögen gebaut. Gegenüber den klassischen (alten) TLF mit Staffelbesatzung werden diese LF aber heute mit einer deutlich erweiterten Beladung, fahrbaren Haspeln und einer geräumigen Gruppenkabine ausgestattet. Zusätzliche Beladung, Entnahmehilfe für Schiebleiter, Dachkästen, Lichtmast und sogar Wasserwerfer auf dem Dach erhöhen den Schwerpunkt beträchtlich. Die Fahrzeuge sind heute deutlich größer, schwerer und vor allem höher!

Einfluss der Aufbaugestaltung, des Überhangs und der Kabinenausführung auf...
Einfluss der Aufbaugestaltung, des Überhangs und der Kabinenausführung auf die Achslastverteilung bei gleich großem Tank, Aufbau sowie Radstand.
Quelle: Skizze: FFTZ

Einfluss der Aufbaugestaltung

Es dürfte bekannt sein, dass das Schwallverhalten der Flüssigkeit einen erheblichen Einfluss auf das Fahrverhalten eines Fahrzeugs hat und das nicht nur in Kurven, sondern auch bei Längsfahrt (Aufschaukeln durch Bodenwellen) und beim Bremsen (Nachschwingen und Impuls durch Längsschwall der Flüssigkeit).

Immer mehr Feuerwehren überschreiten die geltende Gewichtsgrenze nach DIN von 16,0 t (Feuerwehraufstellflächen!). Insbesondere bei Fahrzeugen mit großen Löschwasserbehältern
(> 3.000 l) bzw. bei Fahrzeugen mit zusätzlicher Heckbeladung (z.B. fahrbare Haspeln) kann es abhängig von der Positionierung der Löschmittelbehälter zu Problemen kommen:

  • Überladung des gesamten Fahrzeugs
  • Überlastung einer Achse
  • ungünstige Gewichtsverteilung auf Vorder-/Hinterachse
  • hoher Schwerpunkt

Ein großer Hecküberhang führt zum Ausscheren des Fahrzeugs in Kurvenfahrt und zum Aufschaukeln bei Geradausfahrt bei Bodenwellen.

Fahrzeuge mit angetriebenen Vorderachsen haben aufgrund der Antriebsgelenke gegenüber den nicht angetriebenen Vorderachsen einen deutlich größeren Wendekreis. Bei permanentem Allradantrieb bewirken sie aber ein verbessertes Kurvenverhalten insbesondere bei glattem Untergrund. Es besteht damit eine etwas größere Chance, mit der Vorderachse aus einem unbefestigten Bankett seitlich neben der Teerdecke wieder auf die Straße zurückzufahren und so eventuell ein Umkippen in den Straßengraben zu verhindern. Allerdings kann ein zu starkes Gegenlenken auch hier zu einem Umkippen führen, wenn das Heck in den Graben rutscht.

Bei dreiachsigen Fahrgestellen z.B. WLF oder GTLF kommt ein weiterer Aspekt hinzu. Die Doppelachse stabilisiert das Fahrzeug mit 6x4x2 Antrieb in Geradeausfahrt, was bei Kurvenfahrt zu einem erschwerten Einlenken und natürlich höherem Reifenverschleiß als bei 6x2x4 Fahrgestellen mit Nachlauflenkachse (NALL) führt. Diese haben einen deutlich geringeren Wendekreis, jedoch trägt die NALL fast nichts zur Seitenführung des Fahrzeuges bei. Daher haben diese Fahrzeuge ein gewöhnungsbedürftiges Fahrverhalten vor allem bei Fahrzeugen mit hohem oder weit hinten liegendem Schwerpunkt (z.B. WLF).

Bei der Aufbaugestaltung für Fahrzeuge mit großem Tank hat sich vor allem die Modul- bzw. Segmentbauweise durchgesetzt. Auf einem Grundrahmen wird der Tank über der Hinterachse montiert. Je nach Einsatzzweck kommt dahinter oder davor die Pumpenanlage. Im freien Geräteraum vor oder hinter dem Tank kann nun noch Ausrüstung oder eine Sonderlöschanlage gelagert werden. Allein dieser Umstand führt dazu, dass die Gewichtsverteilung nicht immer ausgewogen vorgenommen werden kann.

Einfluss der Fahrzeugbreite, Radspur und Schwerpunkt (in diesem Beispiel immer...
Einfluss der Fahrzeugbreite, Radspur und Schwerpunkt (in diesem Beispiel immer die gleiche Höhe) auf das Kippverhalten bzw. den Kippwinkel eines Fahrzeugs.
Quelle: Skizze: FFTZ

Einfluss der Antriebsart und Radführung

Vorteile von Allradantrieb
(gilt nur, wenn dieser permanent vorhanden ist oder rechtzeitig eingeschaltet wurde):

  • Bessere Traktion bei glattem bzw. schmierigem Untergrund
  • Höhere Bodenfreiheit

Nachteile von Allradantrieb

  • Höherer Schwerpunkt, damit frühere Kippneigung
  • Höhere Ein- und Ausstiege
  • Größerer Wendekreis
  • Größere Entnahmehöhen
  • Weniger Gewichtsreserven durch höheres Eigengewicht
  • Höhere Anschaffungs- und Unterhaltskosten

Allradfahrzeuge sind für einige Einsatzlagen erforderlich, und damit ist es ein strategisches Thema für die Fahrzeugplanung.

Als einfaches System ist der zuschaltbare Allradantrieb (zuschaltbarer Vorderachsantrieb ohne Längsdifferential) am Markt. Es wird nur die Hinterachse angetrieben. Die Vorderachse muss im Stillstand des Fahrzeuges zugeschaltet werden. Im Fahrbetrieb führt dies zu Verspannungen im Antriebsstrang und ist beim Fahren auf teilweise schneebedeckter Fahrbahn auf den trockenen Abschnitten deutlich im Fahrverhalten spürbar. Dieser Betriebs­zustand ist daher nur für schlüpfrigen Untergrund geeignet.

Bei gesperrtem Längsdifferential können Abweichungen der Abrolllängen der Räder auch gefährlich werden. So führt die Benutzung von Schneeketten auf den Hinterrädern zur Verlängerung des Abrollumfangs. Da hier auch der größere Krafteintrag erfolgt, werden die Vorderräder „in den Schlupf“ geschoben. Der geringere Reibbeiwert kann dann das ohnehin kritische Lenkverhalten gänzlich aufheben. Deshalb sollten bei Allradfahrzeugen immer alle Räder mit Ketten belegt werden. Der permanente Allradantrieb hat daher deutliche Vorteile. Die Vorderachse zieht das Fahrzeug in die neue Richtung. Das Differential im Verteilergetriebe sorgt für einen spannungsfreien Triebstrang.

Am kopflastigsten sind Drehleitern, die Unfallgefahr wird geringer bei...
Am kopflastigsten sind Drehleitern, die Unfallgefahr wird geringer bei abnehmender Größe und weniger Aufbauten.
Quelle: Steffen85, Wiki Commons

Entscheidenden Anteil an der Geländefähigkeit eines Fahrzeuges hat der Fahrwiderstand vor allem auf weichen Böden. Je geringer der Fahrwiderstand ist, desto mehr Leistung/Drehmoment kann für den Vortrieb genutzt werden. Großen Einfluss hat dabei die Spur der Achsen zueinander. Je genauer die Hinterachse der Vorderachse in gleicher Spur folgt, desto geringer ist der Fahrwiderstand. Die Vorderachse gräbt die Spur und verfestigt den Untergrund, und die Hinterachse kann in dieser Spur nachlaufen und das Fahrzeug antreiben. Deshalb sollte bei Geländefahrzeugen die Spur der Achsen gleich sein. Unterschiede in der Spur oder Zwillingsbereifung auf der Hinterachse haben hier deutliche Nachteile, und je weicher der Boden, desto geringer sollte der Bodendruck sein und desto weniger tiefe Spuren werden erzeugt.

Auch bei Geländefahrt verhindert das ABS das Blockieren der Räder durch Lösen der Bremse am blockierenden Rad, was auf losem Untergrund zu einem deutlich längeren Bremsweg führt, denn in losem Untergrund gräbt sich ein blockierendes Rad ein und verkürzt so den Bremsweg. Das ABS sollte daher bei Geländefahrt abschaltbar sein.

Starrachsen sind einfach, robust, wartungsarm und haben speziell im Gelände den Vorteil, dass die Bodenfreiheit unter der Achse immer gleich ist. Außerdem gibt es keine Sturz- und Spurveränderung beim Ein- oder Ausfedern. Bei Einzelradaufhängung kann es beim Einfedern schon mal zu „unliebsamer“ Berührung des Fahrzeugbodens im Gelände kommen.

Einfluss der Bereifung

Sowohl im Gelände als auch bei Straßenfahrt haben die Reifen einen entscheidenden Einfluss auf das Fahr- und insbesondere das Bremsverhalten. Prinzipiell sind für Geländefahrzeuge große Einzelbereifungen von Vorteil (gleiche Spur). Diese Reifen sind mit speziellen Profilen erhältlich (z.B. für Sand oder Straße/Gelände-Kombination). Für Feuerwehrfahrzeuge sind die Kombinationsprofile meist die erste Wahl.

Zwillingsbereifungen sind nur sehr eingeschränkt geländetauglich, da neben der „zweiten Spur“ die Gefahr besteht, dass sich Steine zwischen die Zwillingsreifen klemmen und den Reifen beschädigen und es kommt bei schmierigem Boden sehr schnell auch zum Zusetzen der Profile und der Reifenzwischenräume.

Breite Reifen auf der Vorderachse können die Traktion bzw. Spurhaltung, insbesondere bei Spurrillen deutlich erhöhen, führen aber u. U. zu erheblichem Verschleiß z. B. im Lenkgetriebe und Lenkstangengelenken. Die Ersatzreifen und die Vorhaltung von Ketten müssen ebenfalls darauf abgestimmt sein.

Breitreifen sollten aber nicht mit Singlebereifung verwechselt werden! Singlebereifungen sind von den Herstellern für den Geländeeinsatz und für deutlich geringere Reifendrücke zugelassen als im Straßeneinsatz. Je geringer der Reifendruck, desto größer wird die Aufstandsfläche und entsprechend kleiner wird der Bodendruck. Bei Erreichen von befestigten Wegen muss der Reifendruck wieder entsprechend den Vorgaben für Straßenbetrieb eingestellt werden, da es sonst durch die erhöhte Walkarbeit des Reifens schnell zur Überhitzung und Reifenschäden kommen kann und sich das Fahr- und insbesondere das Bremsverhalten drastisch ändert.

Auch das Federverhalten der Reifen unterscheidet sich wesentlich. Breitreifen haben eine geringere Flankenhöhe im Verhältnis zur Reifenbreite (bei Singlereifen sind diese annähernd gleich) und sind somit deutlich „straffer“, haben dadurch aber eine bessere Querstabilität als Singlereifen, da der Reifen bei Querkräften (z.B. schnelle Kurvenfahrt) nicht so stark ausweichen kann.

Einfluss der Federung(en)

Der Großteil der Feuerwehrfahrzeuge ist nach wie vor mit mechanischen Federungen (z. B. Blattfeder) ausgestattet. Auch Luft­federungen sind heute Stand der Technik.

Ähnlich wie bei den Bremsen ist auch bei den Federungen das Hauptaugenmerk auf Robustheit und Unempfindlichkeit zu legen. Daher ist sicher für die meisten Fahrzeuge die mechanische Blattfederung erste Wahl. Wichtig ist dabei eine saubere Auslegung der Feder-/Dämpfercharakteristik in Verbindung mit entsprechend dimensionierten Stabilisatoren. Die Spiralfeder findet nur in einigen Fahrgestellen Anwendung, und die notwendigen Rahmenkonzepte als verwindungssteifer Rahmen, gegenüber verwindungsweichem Rahmen bei Blattfederung, führen zu einer herabgesetzten Kippgrenze vor allem bei hohem Aufbauschwerpunkt. Je nach Aufbau kann dies sogar zu einer deutlich schlechteren Geländeeignung als bei blattgefederten Fahrzeugen führen. Insbesondere in der Auslegung als WLF muss dies berücksichtigt werden, da die hohen Rahmen und weichen Schraubenfedern zu einem früheren Kippmoment führen können beim Auf- oder Absatteln der Behälter.

Luftfederungen haben wiederum gegenüber den mechanischen Federn einen höheren Federungskomfort und verbessertes Ansprechverhalten. Hauptargument für die Luftfederung kann die Möglichkeit der Erhöhung der Bodenfreiheit bzw. das Absenken zur optimierten Geräteentnahme sein.

Schematische Darstellung der verschiedenen Federungen an einem Fahrzeug.
Schematische Darstellung der verschiedenen Federungen an einem Fahrzeug.
Quelle: Skizze: FFTZ

Systeme zur Erhöhung der Fahrstabilität sind unter verschiedenen Bezeichnungen bzw. Abkürzungen bei den Herstellern vorhanden. Auf diese Systeme aufbauend, verwendet die Wankregelung, die erfassten Daten der Sensoren (Aufbaubewegung, Fahrgeschwindigkeit, Gaspedalstellung, Bremsdruck, Querbeschleunigung usw.), um z. B. die Federrate von „weich“ auf „hart“ stufenlos zu verstellen oder unter Einbeziehung der Gierraten (= Drehen über die Hochachse), der Lenkwinkel des Lenkrades und die Radgeschwindigkeiten das Fahrzeug bei drohendem Ausbrechen durch gezielten Bremseneingriff an einzelnen Rädern zu stabilisiert.

Zwingende Voraussetzung für solche Systeme ist ein elektronisches Bremssystem, das das Abbremsen einzelner Räder zulässt. Weitere Systeme (ABS, EDC des Motors, Stoßdämpferkontrolle, Sensorik von Gaspedal, Bremse und Lenkwinkel, Querbeschleunigungssensor und Gierratensensor) müssen mit dem ESP/ESC zusammenspielen, um eine saubere Funktion zu gewährleisten.

Aber Vorsicht: Die physikalischen Grenzen der Reibbeiwerte und die Fahrphysik können auch von diesen Systemen nicht überlistet werden. Auch mit allen erdenklichen Systemen zur Fahrstabilität wird das Kippen eines TLF nicht verhindert, wenn die Grenzen der Physik überschritten werden. Und diese Grenzen sollte der Fahrer erkennen können.

Subjektiv war dies bei alten Fahrzeugen deutlich einfacher, denn der Schwerpunkt war niedrig, der Fahrgestellrahmen und die Achsfederung sehr steif und sowohl die Kabine als auch der Fahrersitz waren nicht gefedert. Heutige Fahrzeuge haben einen torsionsweichen Rahmen, auf dem der Aufbau mit Tank über dämpfende Elemente verbunden wird. Auch die Kabinen sind heute gefedert mit den Rahmen verbunden, und der Fahrersitz verfügt über eine wesentlich weichere Polsterung und ist in vielen Fällen nochmals zusätzlich gefedert. Für Fahrzeuge, die täglich viele Stunden unterwegs sind, mag dieser Komfort für den Fahrer sicher zum Wohlbefinden beitragen und der Ermüdung vorbeugen und in Bezug auf die teils erheblichen Last-/Leerzustände eines LKW sogar erforderlich sein.

In einem Feuerwehrfahrzeug, das praktisch immer voll beladen ist, muss diese Technik zumindest für einige Anwendungen angezweifelt werden, insbesondere dann, wenn die Fahrzeuge deutlich häufiger mit höheren Geschwindigkeiten und in Grenzsituationen bewegt werden.

Die Federraten (insbesondere der Kabine zum gefederten Sitz) können sich positiv wie negativ überlagern und dem Fahrer in der Kabine ein sicheres Gefühl vermitteln, das real am Fahrgestell (Aufbaubewegung zur Kabine unterschiedlich und überlagerter Einfluss der Rad- und Achsfederung) zur Straße nicht mehr vorhanden ist.

Der Verfasser vertritt daher die Auffassung, dass bei Feuerwehrfahrzeugen auf luftgefederte Fahrersitze verzichtet werden sollte.

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