23.10.2023 •

Mit neuen THW-Fahrzeugen gerüstet für kommende Herausforderungen

Marie Huppert

Bei der Übergabe der geländegängigen Fahrzeuge werden die THW-Einsatzkräfte
intensiv in der Bedienung geschult.
THW/Finn Fischer

Corona-Pandemie, Flutkatastrophe, Ukraine-Krieg – der Bevölkerungsschutz in Deutschland steht vor immer neuen Herausforderungen. Um diesen zu begegnen, brauchen die mittlerweile mehr als 85.000 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer des Technischen Hilfswerks (THW) eine gute Ausbildung, aber vor allem auch moderne Fahrzeuge und Technik, die sie im Einsatz bestmöglich unterstützen. Dafür werden nicht nur kontinuierlich neue Fahrzeuge beschafft, sondern diese auch anhand von Erfahrungen aus vergangenen Einsätzen weiterentwickelt.  

Das THW verfügt momentan über einen Fuhrpark von rund 11.800 Einsatzfahrzeugen, die beständig gewartet, erneut und verbessert werden müssen. Dabei handelt es sich natürlich nicht nur um einen einzigen Fahrzeugtyp. Die Anzahl und Art der Fahrzeuge in einem THW-Ortsverband richten sich immer nach den am jeweiligen Standort dislozierten Fachgruppen, für die sie unterwegs sind. Gibt es bei diesen Teileinheiten Änderungen in der so genannten Stärke- und Ausstattungsnachweisung (StAN), ändern sich auch die Anforderungen an die Fahrzeuge. Insgesamt sind für das THW momentan 35 verschiedene Fahrzeug- und Anhängertypen im Einsatz.  

Der Allrounder in jedem Ortsverband

Mit 730 Stück ist der Gerätekraftwagen (GKW) das am häufigsten anzutreffende Fahrzeug im THW – und vielleicht auch das wichtigste. Denn das Fahrzeug der Bergungsgruppe ist ein echtes Allroundtalent. Mit einer Gruppenkabine, in der bis zu neun Einsatzkräfte Platz finden, und mehreren Gerätefächern bringt er, wie ein Werkzeugkoffer, alles mit, was an der Einsatzstelle an Basis-Material benötigt wird: Er bietet Platz für Schaufeln, Krankentragen, ein tragbares Stromaggregat, Leitern und Stützen für einsturzgefährdete Häuser. Auch Spezialwerkzeug für die Menschenrettung findet in ihm Platz, beispielsweise ein Abseilgerät sowie Material zum Bau einer Seilbahn. Ein rundum solides Fahrzeug, das die Basis vieler Einsätze bildet. Umso größer ist die Freude, dass es für den GKW in den nächsten Monaten in die nächste Phase geht. 121 neue Fahrzeuge dieses Typs hat das THW nun bestellt, weitere 60 Stück als Option. Nachdem die jüngste Serie von der Firma Freytag gebaut wurde und auf einem MAN basierte, wird die neue Serie beim Hersteller Binz produziert und beruht auf dem LKW-Modell Atego 1630 von Mercedes-Benz. Der Stückpreis liegt bei 280.000 Euro, insgesamt handelt es sich um einen Auftragswert von voraussichtlich rund 34 Millionen Euro. Es ist das erste Mal, dass die Firma Binz ein Großfahrzeug für das THW produziert. Anschließend werden THW-Einsatzkräfte das Musterfahrzeug einem intensiven Praxistest unterziehen. Wenn der neue GKW alle Tests bestanden hat, können sich die Einsatzkräfte der Bergungsgruppe dann ab 2024 über ihren neuen, alten Allrounder freuen.  

Der Werkstatt-Spezialist

Daneben gibt es aber natürlich auch die Spezialisten im Fuhrpark des THW. Einen von ihnen stellten die THW-Expertinnen und -Experten auf der Fachmesse Interschutz im vergangenen Jahr vor einem interessierten Publikum vor: den mobilen Werkstattcontainer. Er gehört zur Ausstattung der neuen Fachgruppe „Logistik Materialwirtschaft“. Mit ihr baut das THW seine Kernkompetenz Logistik weiter aus. Die Fachgruppe „Logistik Materialwirtschaft“ bildet zusammen mit der ebenfalls neu konzipierten Fachgruppe „Logistik Verpflegung“ den neuen Fachzug „Logistik“. Im Jahr 2020 wurden durch diese Neustrukturierung die bisherigen 66 Fachgruppen Logistik deutlich aufgewertet.  

Die Fachgruppe „Logistik Materialerhaltung“ kümmert sich dabei um die Versorgung mit Verbrauchsgütern und den Materialerhalt. Im Einsatz besteht ihre wichtigste Aufgabe darin, Fahrzeuge und Geräte Instand zu halten und so die Einsatzbereitschaft am Einsatzort sicherzustellen. Dafür ist der 20 Fuß große, von der Firma CHS-Container produzierte Werkstattcontainer unerlässlich. Sein Stückpreis beläuft sich auf rund 159.000 Euro. Er kann an der Einsatzstelle abgesetzt werden und besticht besonders durch seine Anpassungsfähigkeit. Er führt alle gängigen Werkzeuge für Reparaturen und Instandsetzungen sowie eine Auswahl an Ersatz- und Verschleißteilen mit. Mit einer Aufteilung in Werkbereich, Lagerregal und Büroarbeitsplatz kann ein Großteil des Materials sicher verstaut werden, während er gleichzeitig genug Platz zum Arbeiten bietet. Zudem ist er komplett flexibel einzurichten, sodass er sich an die örtlichen Gegebenheiten anpassen lässt. Durch ein mitgeliefertes Vorzelt und eine Außenbeleuchtung auf allen vier Seiten kann die Arbeitsfläche noch zusätzlich nach außen hin verdoppelt werden. Das Innere ist klimatisiert und beheizbar, weshalb er bei jedem Wetter genutzt werden kann.  

Zum Transport der Werkstatt-Container kommen im THW Tieflade-Anhänger oder Wechselbrücken-Anhänger zum Einsatz. Das Auf- und Abladen funktioniert über ein elektromechanisches Stützsystem, das in der Lage ist, den Container auf eine Höhe von bis zu 1,75 Metern anzuheben. Dadurch ist er auch auf unebenem Boden nutzbar. Seit dem Jahr 2020 wurde der Container sukzessive an THW-Ortsverbände ausgeliefert, sodass sich mittlerweile 63 Container im THW befinden.  

Der neue Werkstattcontainer der Fachgruppe „Logistik Materialerhaltung“...
Der neue Werkstattcontainer der Fachgruppe „Logistik Materialerhaltung“ basiert auf der High-Cube-Variante eines ISO-Containers und hat damit eine mehr als 30 Zentimeter größere Innenhöhe als ein Standard Seecontainer.
Quelle: THW/Daniel Hermann

Der Spezialist bei Hochwasser und schwierigem Gelände

Ein weiterer Experte auf seinem Gebiet ist der jüngste Zuwachs der THW-Flotte: der LKW mit Ladekran der Fachgruppe „Wassergefahren“. Im vergangenen Mai konnten Helferinnen und Helfer im niedersächsischen Elze die ersten fünf Fahrzeuge in Empfang nehmen. Bei der Entwicklung des besonders leistungsstarken LKW flossen die Erfahrungen aus zahlreichen Hochwassereinsätzen der vergangenen Jahre, insbesondere den Einsatz nach Starkregen Bernd 2021, mit ein. Er begleitet ab sofort die Fachgruppe Wassergefahren, die eingesetzt wird, um Menschen und Tiere in Notlagen auf oder an Gewässern zu retten oder Sachwerte zu bergen. Dazu unterstützt er sie bei Gefahren und Schäden durch Überflutung und wirkt bei der Damm- und Deichsicherung mit. Der acht Meter lange und 430 PS-starke LKW hat ein zulässiges Gesamtgewicht von bis zu 26.000 Kilogramm und wird von der Firma Freytag auf der Basis eines MAN-LKW produziert. Er bietet Platz für sechs Einsatzkräfte und ist serienmäßig mit einem Ladekran ausgestattet, der vom Führerstand sowie mobil bedienbar ist. Zusätzlich besitzt er erstmals auch einen Rettungskorb und eine Frontseilwinde mit einer Zugkraft von sechs Tonnen. Für die Ausstattung der insgesamt 68 LKW mit der Seilwinde stellten die Stiftung THW und die THW-Bundesvereinigung e.V. zusammen rund 1,25 Millionen Euro aus Spendengeldern bereit. Pro LKW beläuft sich der Preis auf 335.000 Euro. So ausgestattet ist das dreiachsige Fahrzeug nicht nur geländegängig, sondern kann auch leicht überflutete Flächen überwinden, die Boote der Fachgruppe zu Wasser lassen und Sachgüter bergen und umschlagen. Zusammen mit dem Mehrzweckarbeitsboot (MzAB) ermöglicht er es der Fachgruppe Wassergefahren, überschwemmte Bereiche mit flachem Wasserstand zu erreichen, in die andere Fahrzeuge nicht vordringen können. Im Laufe dieses Jahres sind insgesamt 40 Auslieferungen dieses neuen Fahrzeugtyps geplant.

Der LKW der Fachgruppe „Wassergefahren“ ist mit Rettungskorb, Seilwinde und...
Der LKW der Fachgruppe „Wassergefahren“ ist mit Rettungskorb, Seilwinde und Ladekran ausgestattet.
Quelle: THW/Daniel Hermann

Zwischenbilanz und Ausblick in die Zukunft

Trotz spürbarer Lieferkettenprobleme durch Corona-Lockdowns und Ukraine-Krieg freuten sich im vergangenen Jahr mehr als 350 THW-Ortsverbände über knapp 500 neue Fahrzeuge im Wert von rund 50 Millionen Euro. Im Jahr davor waren es sogar mehr als 900 Einsatzfahrzeuge und Anhänger – ein Rekord. Mithilfe des Konjunkturpakets konnte das THW in den vergangenen drei Jahren insgesamt mehr als 200 Millionen Euro in die Erneuerung seines Fuhrparks investieren und mehr als 2.000 neue Fahrzeuge ausliefern. Auch weiterhin arbeitet das THW kontinuierlich daran, seine Fahrzeuge zu modernisieren und an die aktuellen Herausforderungen anzupassen.  

Vorne ist der LKW standardmäßig mit einer Frontseilwinde mit einer Zugkraft...
Vorne ist der LKW standardmäßig mit einer Frontseilwinde mit einer Zugkraft von sechs Tonnen ausgestattet.
Quelle: THW/Daniel Hermann

In den nächsten Jahren können sich die Bergungsgruppen im THW auf 450 neue Wechselbrücken-Anhänger freuen. Für diese gibt es einen extrem großen Bedarf, da sie die Flexibilität der Einheiten enorm erhöhen. Mit ihnen können die Einsatzkräfte verschiedenste Wechselbrücken und Standard-Container transportieren, die sonst eigene Fahrsysteme benötigen würden. Dafür fahren sie den Anhänger einige Zentimeter herunter, positionieren ihn unter den auf Füßen stehenden Container und fahren ihn wieder hoch – alles per Knopfdruck. Damit sparen die Anhänger nicht nur Kosten, sondern auch Zeit, Kraft und Platz in den Garagen der Ortsverbände. Perspektivisch werden außerdem die Anhänger der Fachgruppen Infrastruktur, Sprengen und Logistik erneuert, sowie Anhänger mit 650 kVA-Netzersatzanlagen für die Fachgruppen Elektroversorgung eingeführt. Nach der Fachgruppe Wassergefahren, wird sich zudem auch die Fachgruppe Brückenbau über einen neuen LKW freuen können.



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