Die Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS) will mit ihrem aktuellen Förderprogramm KoPa_45 Innovationen für den breitbandigen Digitalfunk BOS fördern. Das Programm startete diesen Sommer und wird bis Ende 2025 eine Vielzahl von Forschungsfragen bearbeiten, die für künftige breitbandige einsatzkritische Mobilfunknetze von Bedeutung und Interesse sind. Der Leitgedanke dabei: Wie können die Vorteile der fünften und sechsten Generationen der internationalen Mobilfunkstandards (5G/6G) für die einsatzkritische Kommunikation genutzt werden? Welche technischen und praktikablen Möglichkeiten ergeben sich aus Edge- und Cloudcomputing? Das Programm soll den Weg bereiten, um geeignete Anwendungen für die BOS zu erforschen, zu entwickeln und zu realisieren.
Für den Präsidenten der BDBOS, Herrn Andreas Gegenfurtner, steht eines heute schon fest:
„Um unsere ambitionierten Ziele im Hinblick auf den Digitalfunk der nächsten Generation zu erreichen, müssen wir neben Forschungseinrichtungen vor allem auch auf die Innovationskraft des Marktes setzen. Mit dem Programm wollen wir für die Zukunft ein Ökosystem aus Forschung und Wirtschaft im Bereich der einsatzkritischen Kommunikation schaffen.“
Die Fördermaßnahme der BDBOS umfasst ein Volumen von rund 20 Millionen Euro. Die Bekanntmachung listet insgesamt 62 beispielhafte Forschungsfragen auf, um möglichst passgenau mit spezialisierten Partnern aus Wirtschaft und Wissenschaft die Erforschung und Entwicklung des Digitalfunks der nächsten Generation voranzutreiben.
Einzel- und Verbundprojekte
Gefördert werden Einzelprojekte und Verbundprojekte, bestehend aus Akteuren aus Wissenschaft und Wirtschaft sowie idealerweise auch Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS). Auf diese Weise beabsichtigt die BDBOS, Anforderungen an Forschung, Produkte und Dienstleistungen frühzeitig in die weitere Entwicklung einfließen zu lassen. Dabei geht es mehr um Evolution statt Revolution: Der bestehende Digitalfunk BOS soll um innovative Datenanwendungen ergänzt werden – und der aktuelle Zeitpunkt könnte nicht besser sein.
„Die laufenden Forschungsanstrengungen zu 5G und 6G in Deutschland und Europa erfolgen fast ausschließlich im engen Schulterschluss zwischen Forschung und Wirtschaft. Und genau diese Akteure sprechen wir jetzt mit unserem Förderprogramm für die BOS-Kommunikation im Breitbandzeitalter an“, erklärt Gegenfurtner.
Normiertes Verfahren
Dabei muss die BDBOS einem gesetzlich normierten Prozedere folgen. In Zusammenarbeit zwischen BDBOS und dem Bundesministerium des Innern und für Heimat sowie dem Projektträger VDI/VDE, der die Umsetzung des Förderprogramms unterstützt, entstand die Bekanntmachung des Förderprogramms.
"Mit der Veröffentlichung der Förderrichtlinie im Bundesanzeiger sind nahezu alle Vorbereitungen abgeschlossen und das Förderprogramm nimmt jetzt endlich seine Arbeit auf“, freut sich Gegenfurtner über den weiteren Fortgang des Projekts.
Einbindung von Nutzergruppen
Perspektivisch werden wir Lösungen für den Ersatz des aktuellen, einsatzerprobten Digitalfunk BOS, welcher auf dem schmalbandigen TETRA-Standard basiert, finden müssen. Seine Ablösung wird voraussichtlich in den 2030er Jahren parallel zur Verfügbarkeit der nächsten, sechsten Mobilfunkgeneration erfolgen. Bis dahin gibt es noch viel zu tun. Denn mit der kommenden Breitbandtechnik werden in Zukunft deutlich mehr Daten gesammelt und übermittelt. Möglich wird so auch, Sensor-, Bewegungs- und Verbindungsdaten von den Einsatzkräften in Echtzeit auszuwerten und entscheidungsunterstützend aufzubereiten, so dass sie im Einsatz genutzt werden können.
Daher ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Anwender des Digitalfunk BOS frühzeitig über die Entwicklungen in den geförderten Projekten informiert werden und mitgestalten können.
"Wir werden in den gezielten Austausch mit unseren Nutzergruppen gehen, um den Digitalfunk der nächsten Generation für alle zu entwickeln“, kündigt Gegenfurtner an.
So sind bereits Informationsveranstaltungen und ein Messeauftritt rund um das Förderprogramm in Vorbereitung. Interessierte Nutzergruppen können über ihre jeweiligen Betriebsorganisationen mit der BDBOS in Kontakt treten und beteiligt werden.
Die Innovationen der Welt des Mobilfunks…
Ein Balanceakt stellt das Management der Erwartungen dar. Ein Beispiel: Die Leistungskennziffern des kommenden sechsten Mobilfunkstandards sind imposant. Bis zu einem Terabit pro Sekunde an Daten sollen mit einer Latenz von unter einer Millisekunde verschickt und empfangen werden können. Zur Verbesserung der bekannten Leistungsmerkmale wie Übertragungsrate, Latenz und Geräteanzahl kommen neue Technologien wie Network Sensing, also die Nutzung von Funkwellen zur Wahrnehmung der Umgebung.
Ob die Gesundheitsdaten im Einsatz befindlicher Personen oder die Übermittlung eines vollumfassenden Lagebilds in Echtzeit an die Leitzentrale – mit den kommenden Mobilfunkgenerationen könnte sich auch das Zusammenspiel von Einsatzkräften vor Ort und in den Leitzentralen ändern. Die dafür notwendige Standardisierung und Zertifizierung von 6G wird international allerdings erst für das Ende dieses Jahrzehnts erwartet. Die BDBOS arbeitet mit dem Förderprogramm KoPa_45 daran, rechtzeitig Bedarfe für den Digitalfunk BOS zu erkennen und – noch wichtiger – in der Zukunft nutzbar zu machen.
… nutzbar gemacht für die BOS
Um möglichst passgenaue Projekte für das Förderprojekt zu gewinnen, hat die Bundesanstalt einen Katalog aus Forschungsfragen erarbeitet. Hierbei handelt es sich um Themen, die die BDBOS im Rahmen der aktuellen und absehbaren zukünftigen Anforderungen an den breitbandigen Digitalfunk BOS beschäftigen. Diese Fragen sind in Interessensgebiete aus dem Bereich einsatzkritischer Breitbandnetze eingeteilt.
Die Themengebiete und Forschungsfragen sollen potenzielle Interessenten ansprechen und inspirieren. Sie bieten so einen Anstoß für mögliche Projektideen im Rahmen des Förderprogramms. Der Fragenkatalog ist schon seit längerer Zeit auf der Webseite der BDBOS abrufbar.
„Wir freuen uns sehr, dass uns bereits vor der Veröffentlichung der Bekanntmachung viele Anfragen und Projektideen erreicht haben“, ist Andreas Gegenfurtner von der Richtigkeit der Vorgehensweise überzeugt.
Die Forschungsfragen werden auch in der veröffentlichten Förderrichtlinie aufgegriffen – hier exemplarisch drei Interessengebiete:
Interessensgebiet einsatzunterstützende Applikationen und Dienste
Das Interessensgebiet einsatzunterstützende Applikationen und Dienste umfasst einerseits den sinnvollen Einsatz von 3GPP-standardisierten einsatzkritischen Diensten, sog. Mission Critical Services (MCX). Andererseits geht es hier auch um die Entwicklung von Konzepten und Lösungen für einsatzunterstützende Applikationen (EuA). Dies betrifft unter anderem die Entwicklung von Funktionsmodulen für EuA. Hier lautet beispielsweise eine Förderfrage: Wie können Funktionsmodule für die Entwicklung von EuA, also Basis- und BOS-spezifische Module, für von BOS genutzte Endgeräte konzipiert und entwickelt werden, um die BOS in ihren Einsatzlagen effizient zu unterstützen? Und welche Open-Source Lösungen eignen sich für den Ersatz sicherheitskritischer Software-Bibliotheken von Drittanbietern?
Die direkte Applikationsentwicklung wird mit folgender Forschungsfrage betrachtet: Wie kann eine Einsatzlagen-Applikation konzipiert werden, sodass diese je nach Einsatzlage, Profil und Rechten der Einsatzkraft Funktionsmodule aktiviert/deaktiviert, Einsatzinformationen bereitstellt und zugleich eine einfache Bedienbarkeit gewährleistet? Weitere Forschungsfragen dieses Interessensgebiets beziehen sich auf die Nutzung von EuA ohne Netzanbindung, App-Portabilität – also die Verwendung von Apps auf verschiedenen Smart Devices, die Konzeption einer „BOS-ready“-App oder auch die automatisierte Auswertung von Bild- und Videoaufnahmen.
Interessensgebiet Leitstellen, Smart Devices und sonstige Endgeräte
Dieser Bereich betrachtet in Bezug auf Leitstellen Weiterentwicklungen der Funktionalitäten, um den stark steigenden Bedarf für Datenverarbeitung und Entscheidungsvorbereitung dort abzubilden, aber auch die Form der An- und Einbindung in das einsatzkritische Breitbandnetz. So lautet eine Frage: Wie können innovative Leitstellenfunktionalitäten (bspw. Videoübertragung und -auswertung, Roboter- und Drohnensteuerung, Augmented Reality) in ein einsatzkritisches Breitbandnetz implementiert werden? Oder: Wie können verschiedene Anschaltmethoden für Leitstellen sinnvoll als Rückfallebenen für einen Ausfall kombiniert eingesetzt werden?
Zu Smart Devices hingegen wird zum Beispiel gefragt, wie standardisierte und nicht-standardisierte Sicherheitsbausteine kommerzieller Endgeräte bzw. potentiell zum Einsatz kommender Betriebssysteme für den einsatzkritischen Betrieb vorteilhalft genutzt werden können oder wie eine Jammer-Erkennung mittels des Endgeräts (z. B. Erkennen eines Störers im Uplink vor Videoübertragung) realisiert werden kann. Auch sonstige Geräte werden bedacht, zum Beispiel wie ein Roboter oder eine Drohne remote über 5G ohne direkte Sichtverbindung zum Operator gesteuert werden und Sensordaten in Echtzeit an eine mobile oder feste Einsatzleitstelle übertragen kann. Oder wie sich ein Zugriff auf die in Einsatzfahrzeugen fest verbauten Kameras (Front- und Rückfahrkameras) technisch sicher realisieren lässt.
Interessensgebiet App-, Teilnehmer- und Endgerätemanagement
Unter dieser Überschrift werden Lösungen für das Management von Applikationen, Teilnehmern und Endgeräten in einem einsatzkritischen Breitbandnetz gesucht. So soll sich in diesem Bereich unter anderem damit auseinandergesetzt werden, wie eine zentrale, mandantenfähige, den BOS-Anforderungen genügende Applikationsverwaltung aufgebaut werden kann. Auch die Frage, wie eine nicht-proprietäre, technologieübergreifende (TETRA, Smartphones, MC-Endgeräte, IoT, sonstige Smart Devices) Endgeräteverwaltung realisiert werden könnte, ist von Interesse. Gleiches gilt für Überlegungen, wie ein technologieübergreifendes Teilnehmerverwaltungssystem die BOS-Teilnehmerdaten für TETRA-Endgeräte sowie breitbandige Endgeräte in einem eigenen Kernnetz zentral verwalten kann. Im Zusammenhang mit dieser Fragestellung stellen sich weiterführende Fragen: Wie können die Teilnehmerdaten aller Teilsysteme verknüpft und mit einem System verwaltet werden? Wie können dezentrale Funktionen im Sinne einer Mandantenfähigkeit sicher, zuverlässig und konsistent realisiert werden?
Aber auch einsatznahe Problemfelder werden in diesem Interessensgebiet beleuchtet. So werden hier auch Forschungsfragen gestellt wie „Wie kann ein „Bring your own device“-Ansatz, also die Einbindung privater Endgeräte in den breitbandigen Digitalfunk BOS, realisiert werden?“ oder „Wie kann eine Nutzerauthentifizierung für Einsatzkräfte innerhalb von Einsatzlagen geschaffen werden, ohne die Sicherheit der Daten zu gefährden?“. Auch hier stellen sich weitere Problemstellungen, beispielsweise wie gleichzeitig ein schneller Zugriff auf das Endgerät sowie die benötigten Applikationen erfolgen und der Authentifizierungsprozess auf breitbandigen Endgeräten gestaltet werden kann. Die Betrachtung von Vor- und Nachteilen verschiedener Authentifizierungsmethoden für Teilnehmer, BOS und Teilnehmerverwaltung ist ein weiterer wichtiger Punkt, der im Rahmen des Förderprogramms bearbeitet werden kann.
Infrastruktur für die Förderprojekte
Um die geförderten Projekte bei ihrer Arbeit in den vorgenannten und den weiteren Interessensgebieten zu unterstützen stellt die BDBOS eine moderne Test- und Erprobungsumgebung – ihre Breitband-Entwicklungsumgebung – zur Verfügung. Diese besteht aus zwei Breitband-Campusnetzen, die sowohl LTE- als auch 5G-Funktionalität bieten. So ist die Funkübertragung in den Modi LTE, 5G Standalone und 5G Non-Standalone möglich.
Eines der Campusnetze wird auf der BDBOS-eigenen Testplattform in Berlin aufgebaut, mit lokalem oder remote Zugriff. Das zweite Campusnetz wird in einen Kfz-Anhänger verbaut und ermöglicht so Test- und Erprobungsszenarien an wechselnden Standorten, beispielsweise vor Ort bei verschiedenen BOS.
„Die BDBOS schafft mit der Breitband-Entwicklungsumgebung auch für kleinere Unternehmen oder Forschungseinrichtungen ohne eigene Entwicklungsplattform eine zeitgemäße Infrastruktur um ihre Lösungen zu testen und weiterzuentwickeln. Auch Anwendertests in realitätsnahen Einsatzszenarien, beispielsweise auf Feuerwehr- oder Polizeiübungsplätzen, können wir so realisieren“, wirbt der Präsident der BDBOS.
Blick nach vorne
Mit der breitbandigen Datenübertragung im Digitalfunk der nächsten Generation kommen auf die BDBOS als Betreiberin große Herausforderungen zu. Es wird neue Geräteklassen – wie Smart Devices und Wearables – und komplexe Applikationen geben, die den Einsatz der Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste maßgeblich unterstützen und verändern werden. Gleichzeitig muss die Bundesanstalt sicherstellen, dass Angriffspunkte und Sicherheitsrisiken beobachtet und bestenfalls behoben werden.
„Der Digitalfunk der nächsten Generation macht ein hohes Maß an digitaler Souveränität erforderlich“, ist sich Präsident Andreas Gegenfurtner sicher: „Wir werfen mit dem Förderprogramm wesentliche Fragestellungen auf, für die wir hoffentlich gemeinsam mit Markt, Forschung und Anwenderinnen und Anwendern Lösungen finden werden. Diese werden wichtige Bausteine für den leistungsstarken, sicheren und zukunftsfähigen Digitalfunk der nächsten Generation bilden.“
Crisis Prevention 3/2023
Philipp Hasbach
Referat S1 – Digitalfunkstrategie
Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationenmit Sicherheitsaufgaben (BDBOS)
E-Mail: philipp.hasbach@bdbos.bund.de