Integriertes und vernetztes Krisenmanagement

Durch einen integrierten Plattformansatz die Resilienz erhöhen und Lagen beherrschen.

Dominik Fanta

Innovative Airbus Technologien für den Katastrophenschutz
Airbus

Jede durch eine Katastrophe hervorgerufene Krise beginnt meist mit dem ersten Notruf, den ein Leitstellendisponent annimmt. Für die ersten Rettungskräfte ergibt sich initial eine Lage, die unter Umständen zu einer Krise „aufwächst“. Erste Maßnahmen zur Kommunikation und Lagedarstellung werden ergriffen. Parallel beeinflussen Faktoren wie Wetter, Wind, Topographie oder auch die Reaktion der Bevölkerung den Verlauf der Krise. Für die Beteiligten der Katastrophenschutz- und Zivilschutzstruktur ergeben sich mehrere Herausforderungen: Daten aus unterschiedlichen Quellen müssen verarbeitet und in einem vernetzten Lagebild visualisiert werden, die Maßnahmen müssen effizient koordiniert und überwacht werden, Ressourcen müssen gemanagt werden. Doch auch eine vorausschauende Beurteilung von möglichen Krisen wird immer wichtiger. Insbesondere nach den letzten nationalen Krisen, wie der Flutkatastrophe im Ahrtal, wurde offenkundig, dass in den Bereichen der Vorbereitung, der Koordination und der Kooperation sowie der Vernetzung und Verfügbarkeit von Informationen, Verbesserungspotential besteht. Vor dem Hintergrund immer komplexer werdender Einsatzlagen wie Unwetterereignisse, Waldbrände, Pandemien oder Cyber-Angriffe sowie der sich verändernden Sicherheitslage und dem Schutz kritischer Infrastruktur (KRITIS) wird dies umso relevanter.

Indes hat das Bundesministerium des Innern (BMI) eine Resilienzstrategie sowie die Absicht formuliert, den Katastrophenschutz zu erneuern. Innerhalb der Katastrophenschutzstruktur sollen unter anderem die Integration, die Koordination sowie die Kooperation verbessert werden.

Airbus stellt mit dem Crisis-Management-System (CMS) ein Konzept für integriertes und vernetztes Krisenmanagement vor und versucht damit, Lösungsvorschläge für die o.g. Herausforderungen zu erarbeiten. Dabei greift Airbus sowohl auf seine langjährige Erfahrung im Bereich der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) und des Bevölkerungsschutzes als auch auf seine Expertise in den Themen Digitale Infrastruktur, Konnektivität, Datenverarbeitung und -sicherung sowie Simulation und Künstliche Intelligenz zurück.

Das Crisis-Management-System (CMS)

Das CMS von Airbus ist eine integrierte und intelligente Plattform zur Datenverarbeitung und –visualisierung im Krisenmanagement. Den Rahmen des Systems bildet eine digitale Infrastruktur, die auf einer abgesicherten Cloud-Umgebung gehostet wird. Die Plattform kann dabei sowohl als „Software as a Service“ (SaaS) als auch kundenseitig vor Ort (On-Premises) implementiert und betrieben werden. Den Kern des Systems bilden intelligente Software-Lösungen zur Datenverarbeitung, die neben einem 360°-Lagebild auch eine Simulationskomponente beinhalten.

Das System wird so aufgebaut sein, dass sowohl bestehende als auch zukünftige Tools, Akteure und Komponenten des Katastrophenschutzes (Einsatzkräfte, freiwillige Spontanhelfer, militärische Kräfte, Anwendungstools, Datenbanken, Netzwerke, Lage- und Einsatzführungssysteme, Leitstellen, Lagezentren, Krankenhausdaten usw.) flexibel miteinander vernetzt werden können und im Lagebild visualisiert werden.

Daten unterschiedlichster Formate und Quellen werden „end-to-end“, also vor, während und nach einer Krisensituation verarbeitet. Bereits vor einer Krise können Strukturdaten des Katastrophenschutzes mit sozioökonomischen Daten (beispielsweise Versorgungsmöglichkeiten der Bevölkerung oder die Position vulnerabler Bevölkerungsgruppen) verknüpft und im Lagebild dargestellt werden. Das System identifiziert Daten zur Früherkennung von Lagen und antizipiert deren Verlauf mithilfe von Szenarioanalysen und Simulation. Dies gibt im Vorfeld einer Krise Aufschluss über die Resilienz der Bevölkerung und macht den möglichen Einfluss durch eine Krise verständlicher. Kommt es dann zu einer Krise, kann der Impact auf die einzelnen Regionen und Bevölkerungsgruppen beurteilt und die Ressourcen entsprechend eingesetzt werden. Über eine vorausschauende Lagebeurteilung können der Krisenverlauf und daraus resultierende Einflüsse auf die Bevölkerung, aber auch auf die eingesetzten Kräfte, rechtzeitig abgeschätzt und für Einsatzentscheidungen herangezogen werden. Darüber hinaus lassen sich weitere Sensordaten von Pegelstandanzeigern, Luftqualitätssensoren oder auch Satellitendaten verknüpfen und in die Lagebeurteilung integrieren. Insbesondere der Einbindung satellitengestützter Technologie, als Rückfallebene zu bestehenden BOS-Kommunikationsnetzwerken oder als Informationsquelle in Echtzeit, kommt in Zukunft höhere Bedeutung zu.

Die Zusammenführung all dieser Daten zu einem einheitlichen 360°-Lagebild (auch über die Vernetzung von Lagezentren), gewährleistet einen konsistenten Informationsfluss durch alle Phasen einer Krise und über alle Ebenen hinweg.

Die Visualisierung des Lagebildes soll dabei an die jeweilige Ebene, und zwar von der Lagedarstellung am Einsatzort, über die Katastrophenschutzbehörden bis hin zu nationalen Lagezentren und den politischen Verantwortungsträgern angepasst sein.

Des Weiteren unterstützt die Plattform die branchenüblichen Standards und Protokolle. Um sensible Daten zu schützen, wird das CMS über die entsprechende Cyberabsicherung verfügen.


Das Airbus Crisis Management System (CMS) auf einen Blick:

  • Integrierte und intelligente “end-to-end” Datenver­arbeitung (vor, während und nach der Krise)
  • Zusammenführung und Verarbeitung unterschiedlicher Datenquellen und -formate
  • Visualisierung relevanter Informationen zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle (sehen, was Sie gerade sehen möchten)
  • Automatisches Generieren von Echtzeit-Lage­information sowie intelligente Simulation der ­zukünftigen Lageentwicklung
  • Verknüpfung aller Beteiligten und Förderung ­übergreifender Zusammenarbeit

Das Airbus Crisis Management System CMS dient als integrierte Datenplattform im...
Das Airbus Crisis Management System CMS dient als integrierte Datenplattform im Krisenmanagement
Quelle: Airbus

Die Vorteile

Die Einsatzkräfte, Behörden und Beteiligten des Katastrophen- und Zivilschutzes werden in der Vorbereitung, Planung, Koordination und Kooperation unterstützt. Frühzeitige Integration von Informationen machen eine vorausschauende und strategische (auch finanzielle) Ressourcen- und Bedarfsplanung möglich. Die einheitliche Darstellung der Lage sowie der Ressourcen schafft einen Überblick über die Reaktionsmöglichkeiten.

Die Verknüpfung und Visualisierung relevanter Daten über alle Ebenen verkürzt die Reaktionszeit, die Maßnahmen können über alle Ebenen koordiniert und deren Wirkung datenbasiert überwacht werden. Echtzeitdaten erhöhen das Verständnis für die Lage und deren Abhängigkeiten. Die Komplexität lässt sich dadurch besser managen. Darüber hinaus ermöglicht Simulation eine vorausschauende Beurteilung der Lage und ihrer Entwicklung (“Vor der Lage” sein). Schließlich wird durch die Vernetzung aller Katastrophenschutzkomponenten und –beteiligten die Koordination und Kooperation gefördert.

Die Zukunft

Zukünftig sollen in einem ersten Demonstrator technische Produkte des Krisenmanagements über die Plattform miteinander vernetzt und Daten ausgetauscht werden. In einer konsistenten Lagedarstellung sollen die Daten ebenenübergreifend visualisiert werden. Insbesondere für die Vorbereitung auf zukünftige Krisen, ist eine Integration von Risikomanagementmethoden in das CMS angedacht. Der Ansatz von Airbus zielt hier darauf ab, die Weiterentwicklung eng mit der Anwenderseite abzustimmen, mit weiteren Anbietern zu kooperieren und gemeinsam die Entwicklung eines CMS voranzutreiben. Hierzu sucht Airbus aktuell Anwendungsfälle zur Durchführung von Pilotprojekten.

Eine flächendeckende Integration und Vernetzung relevanter Daten, etwa von kritischer Infrastruktur, von sozialen Medien oder auch Bevölkerungs- und Unternehmensdaten, führen langfristig zu einem umfassenderen Lageverständnis.

Kombiniert mit entsprechender Cyber-Absicherung, moderner Datenverarbeitung und künstlicher Intelligenz, werden derartige Systeme in Zukunft ein Schlüsselelement für das Krisenmanagement im Bevölkerungsschutz darstellen. 


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