Terrorismus und seine Bekämpfung

Deutschland, Großbritannien und Schweden im Vergleich

Prof. Frank Fiedrich, Michael Schölzel, Zhixin Zhang, Tim Lukas

Spätestens seit den Anschlägen vom 11. September 2001, den Bombenanschlägen von Madrid und ­London oder den jüngsten Angriffen auf die Satirezeitschrift Charlie Hebdo und den Konzertsaal Bataclan in Paris ist offensichtlich, dass der islamistische Terrorismus eine globale Bedrohung darstellt. Al-Qaida und Boko Haram, die Taliban und der Islamische Staat gehören zu den derzeit gefährlichsten Terrororganisationen, die durch gewaltsame Anschläge weltweit Angst und Schrecken verbreiten. Der Terrorismus überschreitet dabei nationalstaatliche Grenzen und ist zu einem transnationalen Phänomen geworden, welches internationaler Strategien der Bekämpfung bedarf.

Die terroristische Gefahr

So bestehen auf europäischer Ebene bereits zahlreiche Konzepte, die international und von den einzelnen Mitgliedsstaaten umgesetzt werden. Der Bezug zum Terrorismus ist jedoch in den jeweiligen Ländern unterschiedlich, da die meisten westlichen Industriegesellschaften in der Vergangenheit ihre je eigenen Terrorismuserfahrungen gemacht haben. 

Am Beispiel von Deutschland, Großbritannien und Schweden sollen im Folgenden die nationalen Rahmenbedingungen des Terrorismus beleuchtet und die Strategien seiner Bekämpfung systematisch untersucht werden.

Terrorismus in Deutschland, Schweden und Großbritannien

In Deutschland setzte der moderne Terrorismus im Umfeld der Studentenbewegung Ende der 1960er Jahre ein. Die Rote Armee Fraktion (RAF) überzog das Land bis in die 1990er Jahre mit Entführungen und Sprengstoffanschlägen, die vor allem Repräsentanten aus Politik und Wirtschaft galten, aber auch Polizisten, Fahrer und Unbeteiligte trafen. 

Dabei handelten die Terroristen bereits früh über nationale Grenzen hinweg. Die RAF verfügte über enge internationale Verbindungen: Die deutschen Linksterroristen trainierten in palästinensischen Übungslagern, es bestanden Kooperationen mit Terrororganisationen aus benachbarten Ländern, wie etwa der französischen Action Directe oder den Roten Brigaden in Italien.

Während der Terrorismus der RAF einen sozialrevolutionären Ansatz verfolgte, der mit gewaltsamen Mitteln die kapitalistische Wirtschafts- und Sozialordnung in der Bundesrepublik umstürzen wollte, sind die Terrorismuserfahrungen in Groß­britannien durch einen ethno-nationalistischen Terrorismus geprägt, der aus dem Konflikt zwischen der irisch-republikanischen Unabhängigkeitsbewegung und Großbritannien resultierte. 

Die Entrechtung und Diskriminierung der katholischen Bevölkerung im Norden Irlands führte zur Gründung der gewaltbereiten Irish Republican Army (IRA), die bis zum Ende des bewaffneten Kampfes im Jahr 2005 zahllose Anschläge gegen britische Einrichtungen und Personen des öffentlichen Lebens verübte. Die IRA stand dabei in einem engen Austausch mit anderen ethno-nationalistischen Terrororganisationen im Ausland, so z. B. mit der palästinensischen PLO und der ETA im nordspanischen Baskenland.

Zwar war die deutsche Botschaft in Stockholm bereits in den 1970er Jahren Ziel eines Anschlags der RAF, anders als in Deutschland und Großbritannien jedoch spielt die Bedrohung durch den Terrorismus in Schweden erst seit den Anschlägen vom 11. September eine größere Rolle. Eine eigenständige terroristische Gruppierung hat es in Schweden nicht gegeben. 

Der religiös motivierte Bombenanschlag in Stockholm 2010 allerdings lenkte die Aufmerksamkeit der schwedischen Öffentlichkeit auf das Phänomen des sogenannten „homegrown ­terrorism“, da der irakischstämmige Attentäter als schwedischer Staatsbürger im Land aufgewachsen war und im Vorfeld keinerlei Anzeichen der Tat ersichtlich waren. Verbindungen zu radikalislamistischen Netzwerken in Pakistan und Jordanien wurden erst nach dem Anschlag öffentlich.

Europäische Terrorismus-Bekämpfungsstrategie

Da der Terrorismus keine nationalen Grenzen kennt, existieren internationale und grenzüberschreitende Terrorismus-Bekämpfungsstrategien, wie etwa die im Jahr 2005 vom EU-Ministerrat verabschiedete „Strategie der Europäischen Union zur Terrorismusbekämpfung“. Deutschland, Großbritannien und Schweden stehen insofern nicht allein im Kampf gegen den Terrorismus, sondern orientieren ihre Aktivitäten an europäischen Strategien. 

Der Rat der Europäischen Union gliedert diese in die Bereiche „Prävention“, „Schutz“, „Verfolgung“ und „Reaktion“. „Prävention“ zielt auf die Verhinderung von Radikalisierungsprozessen und umfasst Maßnahmen gegen die gezielte Anwerbung potentieller Rekruten.

Unter „Schutz“ werden Möglichkeiten verstanden, anhand derer geplante Anschläge abgewehrt und zugleich die Verwundbarkeit potentieller Ziele verringert werden soll. Ziel der dritten Säule („Verfolgung“) ist es, Terroristen auch über Ländergrenzen hinweg zu ergreifen, den Zugang zu Anschlagsmaterialien und Finanzmitteln zu unterbinden und die Verbreitung von technischem Fachwissen zur Anschlagsplanung (z. B. über das Internet) zu erschweren. Ist ein Terroranschlag erfolgt, so umfasst die „Reaktion“ Maßnahmen zur unmittelbaren Bewältigung des Katastrophenfalls und zur Verminderung des Schadens.

Internationaler Vergleich DE - GB - S

Die EU-Strategie ist als ein Orientierungsrahmen zu verstehen, dessen Umsetzung in der Verantwortung der einzelnen Mitgliedsstaaten liegt. So ist es verständlich, dass einige Länder in der Umsetzung der Strategien und im Kampf gegen den Terrorismus andere Prioritäten setzen als andere (vgl. Grafik). In Deutschland werden Maßnahmen vor allem in den Bereichen Schutz und Verfolgung ergriffen. Auch wenn die aktuelle Flüchtlingssituation momentan anderes suggerieren mag, ist hierzulande besonders die Grenzsicherheit auf einem sehr hohen Niveau entwickelt und wird durch die Einführung biometrischer Daten in Pässen, unterschiedliche Informationssysteme und umgreifende Maßnahmen in der Gefahrenabwehr im Flug- und Seeverkehr stetig ausgebaut. 

Auch in der Strafverfolgung ist Deutschland führend und bekämpft nicht nur die Finanzierung terroristischer Organisationen, sondern beteiligt sich über das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum aktiv an der Vereitelung von Anschlägen auch außerhalb der nationalstaatlichen Grenzen. 

Verglichen mit anderen Nationen besteht in Deutschland jedoch im Bereich der Prävention noch erheblicher Nachholbedarf.

Zwar wurden umfangreiche theoretische Ansätze entwickelt, evidenzbasierte Ansätze etwa der Radikalisierungsprävention im Internet stecken allerdings noch weitgehend in den Kinderschuhen. Maßnahmen im Bereich der Reaktion ­beziehen sich in Deutschland vor allem auf die enge internationale Zusammenarbeit. Die Umsetzung der Europäischen Terrorismus-Bekämpfungsstrategien erfolgt insofern nicht allein natio­nal, sondern in einem Netzwerk europäischer und transatlantischer Partner.

Grafik zu den Umsetzungen der europäischen Terrorismus-Bekämpfungsstrategien
Umsetzung Europäischer Terrorismus-Bekämpfungsstrategien in
Deutschland, Schweden und Großbritannien.
Quelle: Prof. Frank Fiedrich, Michael Schölzel, Zhixin Zhang, Tim Lukas

Wie in Deutschland bestehen auch in Schweden erhebliche Schwächen im Bereich der Prävention. Defizite sind dabei vor allem im Hinblick auf das Internet erkennbar, das als Mittel der Anschlagsvorbereitung und der Rekrutierung von Unterstützungsbereitschaft große Bedeutung für terroristische Gruppen besitzt. Problematisch erscheint zudem die mangelnde Kontrolle schwedischer Bürger, die als Rückkehrer aus den Krisen­regionen des Iraks oder Syriens ein potentielles Sicherheitsrisiko darstellen können. 

Auf dem Gebiet der Verfolgung ist Schweden wiederum sehr erfolgreich im Kampf gegen den Terrorismus. Der wichtigste Spezialverband in Schweden ist die National Task Force, welche in Form einer paramilitärischen Einheit nicht nur den Terrorismus bekämpft, sondern generell zur Erhöhung der Sicherheit in Schweden beitragen soll. Auch international wird Schweden ein immer stärkerer Partner im Bereich der Terrorismusverfolgung. Schwedische Ermittler sind in mehreren Ländern und internationalen Organisationen vertreten, so auch bei der UNO und internationalen Polizeibehörden wie Europol und Interpol. 

Die Bereiche Schutz und Reaktion werden als Einheit in den schwedischen Strategien verstanden. So werden zum Schutz Risikoanalysen durchgeführt, denen Maßnahmen als Reaktion folgen. Das Zusammenspiel dieser beiden Bereiche erscheint zunächst sinnvoll, die Reaktion ist aber immer dem vorgegangenen Schutz untergeordnet. Weisen die getroffenen Schutzmaßnahmen in einem konkreten Fall entsprechend ­Lücken auf, sind die Maßnahmen der daraus folgenden Reak­tion zu hinterfragen.

Als Musterbeispiel für eine herausragende Präventionsarbeit kann Großbritannien gelten. Auf der Grundlage einer nationalen Präventionsstrategie (die auch in Deutschland zunehmend eingefordert wird), erfüllt Großbritannien nicht nur sämtliche Vorgaben der EU, sondern setzt besonders auf Konzepte der Deradikalisierung terroristisch motivierter Personen. 

Die Prävention steht dabei in einer engen Beziehung mit der Verfolgung, handeln die britischen Sicherheitsbehörden doch bereits seit langer Zeit nach der Devise, dass es grundsätzlich sinnvoller sei, die Radikalisierung Einzelner zu verhindern, als sie anschließend strafrechtlich verfolgen zu müssen. Im Bereich der Verfolgung ähneln die gewählten Strategien denen in Deutschland und Schweden, wobei man im Königreich zusätzlich großen Wert auf eine enge Zusammenarbeit von Nachrichtendiensten und nationaler Polizei legt. Im Bereich Schutz liegt der Schwerpunkt neben der Grenzsicherheit auch auf der IT-Sicherheit, um Unternehmen und Infrastrukturen ausreichend vor ­Cyberangriffen zu schützen. Die Maßnahmen im Bereich Reak­tion sind anders als in Deutschland eher national beschränkt, so dass an dieser Stelle noch großes Potential in der Ausweitung der internationalen Zusammenarbeit besteht.

Fazit

Auch wenn sich die Ansätze in Deutschland, Schweden und Großbritannien ähneln, so entscheidet die Art der Umsetzung über den Erfolg im Kampf gegen den Terrorismus. Hier erscheint es sinnvoll, sich innerhalb der Europäischen Union künftig stärker an erfolgreichen Strategien in benachbarten Ländern zu orientieren und sich den Risiken und Gefahren des transnatio­nalen Terrorismus noch stärker gemeinsam zu stellen.  

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