Geodaten – ein Instrument für Katastrophen­prävention in Waldbrandzeiten?

Horst W. F. Schöttler

Waldbrand
mhp/Adobe Stock

Der 27. Juni 2022 – großer Bahnhof für den Landesbetrieb "Landesvermessung und Geobasisinformation" von Brandenburg in Potsdam. Der Ministerpräsident des Landes Brandenburg, Dr. Dietmar Woidke, und einer seiner Stellvertreter, der zuständige Fachminister, IM Michael Stübgen, ließen es sich nicht nehmen, in die gute Stube der Staatskanzlei, dem Brandenburg-Saal, zum 20-jährigen Jubiläum des LGB einzuladen. Im Mittelpunkt der Grußworte und Ansprachen standen indes nicht nur der LGB und sein scheidender Präsident, Prof. Dipl.-Ing. Christian Killiches, sondern die im Land aktuell lodernden Waldbrände.

MP Dr. Dietmar Woidke betonte die Unverzichtbarkeit der Geodaten und von großmaßstäbigen topographischen Karten bei Katastrophen zur Erfassung und Bekämpfung der im Sommer 2022 ausgebrochenen Waldbränden. Auch der Minister für Inneres und Kommunales, Michael Stübgen, sozusagen als oberster Katastrophenschützer, stellte "Geodaten gegen Großschadenslagen" in den Mittelpunkt seines Kurzvortrags.

Treuenbrietzen, Beelitz, Jüterbog, sämtlich im Land Brandenburg, oder die Gemeinden Kosilenzien und Kröbeln an der brandenburgisch-sächsischen Landesgrenze waren wieder einmal Gefahrenschwerpunkte. In einer bundesweiten Analyse der Waldbrandgefährdung sind besonders die östlichen Bundesländer Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen betroffen.
MP Woidke nannte die Ausmaße der Vegetationsfeuer im Juni 2022; sie zerstörten eine Fläche im Umfang von 800 Fußballfeldern und erforderten die Evakuierung von mehreren hundert Bürgern. Hunderte von freiwilligen Feuerwehrmännern*frauen waren im Einsatz; die Berufsfeuerwehren aus Berlin und Potsdam, HelferInnen des THW, der Landes- und Bundespolizei, der Blaulichtorganisationen und der Bundeswehr sowie freiwillige Akteur­Innen unterstützten.

Der Landeschef: "Ohne Geodaten und Landkarten auf verlorenem Terrain".

Eine Regionalzeitung beschrieb das Chaos so: "Hochrisiko-Land Brandenburg. Brandgefährliche Kiefern, vergrabene Weltkriegsmunition und nahezu ausgetrocknete Flüsse." Und berichtete weiter: "Die Hälfte aller Waldbrände entsteht in der Mark Brandenburg". Die Gründe hierfür sind die spärlichen Niederschläge, die hohen täglichen und nächtlichen Durchschnittstemperaturen. Ein Teufelskreis! Regnet es einmal, so ist die Verdunstungsrate auf den ausgetrockneten und erhitzten Böden hoch, die erwärmte Luft steigt auf und erhöht somit die bodennahen Temperaturen. Selbst nach erfolgreichem Löschen flackern immer wieder Brandnester auf.

Apokalyptische Verhältnisse, wie man sie aus Spanien, Portugal, Südfrankreich, Griechenland gewohnt war. Doch in den neuen Ländern kommt noch eines erschwerend, hochgefährlich dazu: die Munitionsbelastung. Überreste aus dem II. Weltkrieg vor allem aber aus der sowjetischen Besatzungszeit durch die Westgruppe hinterlassene Sprengstoffe verhindern ortsnahes Löschen, gefährden Mensch und Material und führen immer wieder zu Explosionen. Man schätzt, dass in Brandenburg über 350.000 Hektar zivile Flächen kampfmittelverseucht sein könnten. Fakt ist, dass 2021 285 Tonnen Explosiva aufgespürt und geräumt werden konnten.

Brandenburgs Waldbrandbeauftragter Raimund Engel konstatiert: wir leiden unter den Waldbränden. Schon 236-mal hat es in den ersten sechs Monaten in 2022 gebrannt. Das ist die Hälfte aller Waldfeuer in Deutschland. ("Die Rheinpfalz", Ludwigshafen, 20.07.22)

Dazu kommen die nährstoffarmen Sandböden und der Baumbestand. Sind es in Südeuropa die Eukalyptos-Bäume, die wegen ihres schnellen Wachstums und der hohen ökonomischen Rendite zu Brandfackeln werden, von denen Feuer von Wipfel zu Wipfel springen, so dominieren die flach wurzelnden Nadelbaumbestände in Ostdeutschland mit über 40 Prozent der Waldflächen. Diese wiederum bestehen zudem zu 70 Prozent aus Kiefer-Monokulturen, die wie Brandbeschleuniger wirken. Die vernachlässigte Forstpflege – z. B. Totholz und Unterholz sowie fehlende Schneisen - verstärkt die Brandgefahr. Die Feuerwehren fordern daher seit vielen Jahren von den Waldbesitzern eine resiliente Waldbewirtschaftung.

Die Niederschlagsdefizite und die durch hohe Temperaturen beschleunigte Verdunstung führen zu geringen Wasserständen in Fließgewässern, natürlichen Seen sowie Stauseen und Rückhaltebecken. Insgesamt für die Brandbekämpfung schlechteste Voraussetzungen.

Ursache: Der Klimawandel

Der Sommer 2022 war seit Beginn der Aufzeichnung der Wetterdaten 1880 über Monate hinweg einer der heißesten. Die "Hunds­tage" - 23. Juli bis 23. August -, ohnehin seit Jahrtausenden aufgrund des Sonnenstandes als 'Abschnitt der größten Hitze des Jahres' bekannt, sorgten für langanhaltende Temperaturen zwischen 38 und 40 °C. Diese bereits von griechischen und arabischen As­tronomen aufgezeichneten Hitzeperioden enden prognostisch erst Mitte September.

Nun haben sich Hitzewellen, Trockenheit, Dürre und extreme Sturmereignisse unter menschlichem Einfluss nicht nur verstärkt, sondern sind in ihrer Kontinuität dem globalen Klimawandel zuzuschreiben. Mit gravierenden Folgen: Sibirien, in der kalten Klimazone liegend, erlebte vor zwei Jahren großflächige Feuerstürme mit einhergehenden Auftauperioden. Tausende von Quadratkilometern Wald und Busch in Taiga und Tundra verbrannten, sorgten für eine Übersterblichkeit und setzten Unmengen von CO2 frei. Forscher des Imperial College London und der Universität Oxford studierten die Extremwetterereignisse und veröffentlichten ihre Studien im Rahmen der Attributionsforschung. Diese relativ junge Disziplin der "Zuordnungsforschung" – ein Teil der Klimatologie – untersucht und bewertet kausale Faktoren der Klimaveränderung und liefert Belege für den Einfluss des anthropogenen Treibhauseffekts auf Wetterextrema. Zugleich eignet sich diese Wissenschaft zur Katastrophenprävention. So ausreichend Daten vorliegen, lassen sich Extremereignisse realitätsnah simulieren.

Verändern oder verschieben sich die ­Jahreszeiten?

Zum Zeitpunkt der Arbeiten an diesem Manuskript (ab Mitte September) sind die Temperaturen auf unter 20° C gefallen und das Niederschlagsdefizit wird durch häufigen Regen, teilweise auch Starkregen, mit mehr als 50 l/qm teilweise kompensiert. Ist somit die Waldbrandgefahr für dieses Jahr beendet? Die Meteorologen des DWD sagen JA!
Aber die simple Feststellung "dem letzten Vegetationsbrand folgt der nächste" gilt weiterhin. Und so bereiten sich die für den friedenszeitlichen Katastrophenschutz zuständigen Bundesländer auf die kommenden Schadensereignisse vor.
Die Erkenntnisse der Einsatzkräfte, fachlich bestätigt durch den Deutschen Feuerwehrverband, mit rd. 1,3 Mio. Mitgliedern größte Gemeinschaft von haupt- und ehrenamtlichen Helfern, umfassen folgende essenzielle Aufgabenbündel:

Katastrophenprävention durch verbesserte Vorsorge-, Vorbeugungs- und Schutzmaßnahmen, wie

  • bessere persönliche Ausstattung und Ausrüstung für Einsatzkräfte
  • optimiertes, situations- und einsatzgemäß ausgerichtetes Material
  • sachgerechte Information durch Geodaten, Landkarten und Kommunikation
  • strukturelle und administrative Vernetzung von Einsatzkräften und -mitteln durch gemeinsame Einsatzplanungen und -übungen.

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien stichpunktmäßig genannt:

  • Normgerechte Schutzkleidung, wie feuerhemmende und -widerstandsfähige Anzüge, Helme, Schutzmasken, Handschuhe und Einsatzstiefel
  • geländegängige Löschfahrzeuge, teils geschützt durch Unterbodenverstärkung gegen Explosionen
  • Erkundungsdrohnen
  • verbesserter BOS-Funk (digital)
  • Feuerbeobachtungsluftfahrzeuge.

Der rheinland-pfälzische Präsident des Deutschen Feuerwehrverbands, Frank Hachemer, zugleich Vizepräsident des DFV, ­spezifizierte in seinem Interview mit der "Rheinpfalz", Ludwigshafen, vom September 2022, was sich für die Feuerwehren und deren erfolgreiche Einsätze in ihrem Spektrum alles ändern sollte:

  • Beschaffung von geländegängigen Tanklöschfahrzeugen (TLF) mit rd. 3.000 l Fassungsvermögen
  • Ausstattung der Mannschaftskabinen in diesen TLF mit Luftüberdrucksystemen, um ein Eindringen des Brandrauchs zu verhindern
  • Einsatzorientierte Schutzbekleidung: leichte Schutzanzüge, Waldbrandhelme mit besonderem Nackenschutz, FFP 3-Masken und geschützte mobile Rückzugsräume für Erholungspausen.

Hachemer spricht von einem Paradigmenwechsel in der Einsatztaktik. War früher die Brandbekämpfung auf Gebäude ausgelegt (mit Hitzeschüben bis zu 1000° C) und folglich die Schutzbekleidung dick und schwer, so sei diese in der prallen Sonne und bei kräftezehrenden Löschaktionen im Gelände (Baum-/Busch-/Totholz-Hindernisse sowie hügelig/steile Geländepartien) nicht nur kräftezehrend, sondern auch eine Gefahr für ein Kollabieren. ("Die Rheinpfalz", 5. Sept. 2022)

Unverzichtbar ist geeignetes Kartenmaterial in den Maßstäben 1:25000 und 1:50000 (auch in Papierform). Grundlagen für diese Kartenwerke werden durch den Geoinformationsdienst der Bundeswehr (Zentrale: Euskirchen) weitgehend bereitgestellt. Dieser Dienst ist Mitglied der AdV!

Diese Kartenwerke, eigentlich thematisch großmaßstäbliche topographische Karten, sollten folgende Informationen enthalten

Karteninhalt: (Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit)

  • Geländebefahrbarkeit, Höhen-/Steigungsverhältnisse, Strassen, Forstwege, Schneisen, Bahntrassen
  • Brand-/Feuerbeobachtungstürme, Landeplätze für Hubschrauber/Drehflügler, Feuerbeobachtungs- und Löschflugzeuge
  • Angaben zur Löschwasserversorgung wie Hydranten und Hauptwasserleitungen, mögliche Schlauchleitungstrassen, Löschwasserentnahmestellen wie natürliche und künstliche Seen, Fließgewässer, Rückhaltebecken, Badeanstalten mit geeigneten Schwimmbecken
  • Munitionsbelastete Bereiche
  • Besonders brandgefährdete Vegetation/Bewuchs, wie Nadelbaumkulturen (insbes. Kiefern, Fichten).

Da gerade bei großflächigen Bränden die strukturell vorwiegend freiwilligen Feuerwehren personell und ausstattungsmäßig schnell ihre Kapazitätsgrenzen erreichen, ist ein "Abwehrverbund" der Katastrophenschutzkräfte unverzichtbar: Neben den kommunalen Feuerwehren und den KatS-Einheiten der Länder sind Bundespotentiale im Wege der Amtshilfe - insbesondere nach Ausrufung des Katastrophenfalls - wie Technisches Hilfswerk, Bundeswehr und Bundespolizei im vernetzten Einsatz. Gerade die unterschiedlichen Gesetze und Einsatzgrundsätze erfordern Grundwissen im Miteinander.

Unverzichtbar daher: Gemeinsame Übungen der Einsatzkräfte der nicht-polizeilichen, polizeilichen und militärischen Gefahrenabwehr.

Neben den bereits genannten Einheiten von Feuerwehren, Technischem Hilfswerk sind die HelferInnen der anerkannten KatS-­Organisationen (Hilfs-/Nichtregierungsorganisationen) sowie die Polizeien des Bundes und der Länder die Ersteinsatzkräfte nach Eintritt des Großschadens.

Hinzu kommen Fachbehörden wie Umweltämter, Wasserschutzbehörden, Meteorologische Dienststellen, Forstbehörden sowie die Einheiten des Territorialheeres zur subsidiären Unterstützung (hier Landeskommando, Kreisverbindungskommandos). Diese Bund/Länder-Kooperation wird militärisch auch zivil-militärische Zusammenarbeit (ZMZ) genannt.

Minister Stübgen, mit dem der Verfasser dieses Beitrags die vorgenannten Parameter am 27. Juni erörtern konnte, zeigte nicht nur hohes fachliches Interesse, sondern kann auch auf den Grundlagen eines seiner Vorgänger, des Generalleutnants a. D. und Innenministers Jörg Schönbohm (2019 +), den Katastrophenschutz als Daseinsvorsorge für Brandenburg weiterentwickeln. Dazu viel Erfolg! Und zugleich Anstoß dafür, dass die Prävention und die Resilienz gegen Vegetationsbrände eine neue bundesweite Bedeutung in der Daseinsvorsorge erreicht hat. 

Die Fortsetzung dieses Beitrags erscheint in der nächsten ­Ausgabe der CRISIS PREVENTION.


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