Zahlreiche Systeme, Modelle und Formate zur Erstellung, Verarbeitung und Repräsentation von 3D-Modellen wurden in der Vergangenheit entwickelt und fanden weitreichende Verwendung in ihren Fachdomänen. Bei der digitalen Planung mit der BIM-Methode ist vor allem die gemeinsame Nutzung von Software und Daten aus dem Bauwesen und der Geodäsie von großem Nutzen. Entsprechend den Anforderungen in den beiden Fachdomänen entstanden jedoch ganz unterschiedliche, grundlegende Modellierungsparadigmen, die zur Entwicklung unterschiedlicher Systeme, Modelle und Formate führte.
Zwei grundlegende Evolutionsstufen überwanden jedoch beide Fachdomänen: Zum einen, von der zweidimensionalen hin zur dreidimensionalen Repräsentation und zum anderen, von der geometrieorientierten hin zur semantischen Modellierung.
BIM vs. GIS – wesentliche Unterschiede der Modellierung
Ähnliche Entwicklungen wie in der AEC-Domäne (Architecture, Engineering and Construction) fanden parallel in der Geodäsie/GIS-Domäne statt – von einer geometrieorientierten, zwei dimensionalen Modellierung in frühen GI-Systemen hin zu objektorientierten 3D-Stadt- und Landschaftsmodellen. Aufgrund der unterschiedlichen Zielstellungen der Anwendungsbereiche gibt es in den beiden Domänen jedoch wesentliche Unterschiede auf System-, Modell- und Formatebene, welche den Datenaustausch und die Datenintegration erschweren. Die bedeutendsten Unterschiede umfassen:
- das grundlegende Modellierungsparadigma,
- der Skalenbereich und Inhalt,
- der Detaillierungsgrad,
- die Geometrierepräsentation,
- die Georeferenzierung und
- die Standards.
Das Modellierungsparadigma der BIM-Methode kann als Top-down-Ansatz betrachtet werden. Zunächst existiert eine Idee für ein Gebäude, die in einem Modell entwickelt und schließlich in der realen Welt errichtet wird. Das Ziel eines BIM-Modells ist somit die korrekte Darstellung der geplanten Welt, welche durch konstruktive Elemente und Komponenten repräsentiert wird. Im Gegensatz dazu entspricht das Modellierungsparadigma in einem GIS einem Bottom-up-Ansatz. Es existiert die reale Welt, die durch Beobachtung bzw. Vermessung erfasst und letztlich in ein Modell überführt wird. Das Ziel eines GIS-basierten Modells ist daher die korrekte Repräsentation der realen Welt, wobei in der Regel nur sichtbare Objektoberflächen dargestellt werden.
Während in einem BIM-Modell die konstruktiven Elemente modelliert werden, werden in einem 3D-Stadtmodell die beobachtbaren Objektoberflächen modelliert.
Die Modellierung in BIM und GIS unterscheidet sich auch in Bezug auf den Skalenbereich und Inhalt der Modelle. Der Skalenbereich der BIM-Modelle umfasst die detaillierte Sicht auf ein spezielles Gebäude, von der Grundstruktur bis hin zu einzelnen Komponenten. Im Gegensatz dazu umfasst der Skalenbereich GIS-basierter 3D-Stadt-und Landschaftsmodelle alle Gebäude sowie Objekte weiterer thematischer Bereiche (z. B. Verkehrsflächen, Gelände, Gewässer und Vegetation) einer ganzen Region, Stadt oder eines ganzen Landes.
Der unterschiedliche Anwendungskontext von BIM und GIS erfordert auch unterschiedliche Definitionen der Detaillierungsgrade der Modelle. Die Spezifikation der Detaillierungsgrade in BIM-Modellen auf nationaler und internationaler Ebene ist zurzeit noch Gegenstand der Arbeit in verschiedenen Gremien. Eine wichtige Definition von Detaillierungsgraden in BIM-Modellen beinhaltet die Spezifikation Level of Development Specification (BIM Forum 2016).
Die sogenannten Level of Development (LOD) beziehen sich auf eine Disziplin und Leistungsphase und beinhalten Informationen über ein Bauteil in der jeweiligen erforderlichen Detailtiefe (Ausgestaltungsgrad). Die Spezifikation Level of Development Specification beinhaltet dabei keine spezifizierte Menge an Informationen, welche in einem Modell vorhanden sein müssen, sondern liefert vielmehr eine Sprache, mit dessen Hilfe diese Spezifizierungen definiert werden können. Das bedeutet, dass innerhalb einer Leistungsphase der LOD zwischen den Disziplinen unterschiedlich sein kann.
Die LODs sind entsprechend der Spezifikation wie folgt definiert:
- LOD 100: konzeptionelle Darstellung von Volumen und Flächen.
- LOD 200: generische (allgemein gültige) Darstellung von Gebäudeteilen: Wände, Decken, Treppen (z. B. Außenwand zweischalig, Fluchttreppe).
- LOD 300: Darstellung mit exakten Abmessungen, Materialien und Positionierung (z. B. Wand in Beton).
- LOD 400: produktspezifische Darstellung (z. B. Betonwand Typ 4-1, NPK A, 40 kg/m³, Steinwolle 60 kg/m³, Lambda 0.034 W/mK).
- LOD 500: as-built-Modell (Informationsgehalt geeignet für die Bewirtschaftung).
Der Detaillierungsgrad in GIS-basierten 3D-Modellen adressiert den Aspekt des Maßstabs in Karten und wird durch die sogenannten Levels of Detail (LOD) definiert. Anders als in BIM-LODs werden hier Inhalte der Modelle nach dem Prinzip der Generalisierung definiert, das heißt, dass in einer niedrigen LOD-Stufe kleinere bzw. unbedeutendere Gebäudeteile nicht modelliert werden.
Die grundlegend verschiedenen Modellierungsparadigmen in BIM und GIS bedingen insbesondere auch unterschiedliche Geometrierepräsentationen der Modelle. In einem BIM-Modell werden die Bauteile und Komponenten eines Gebäudes durch Volumenkörper geometrisch repräsentiert. Diese Volumenelemente basieren zunächst auf geometrischen Grundkörpern, wie parametrischen Elementen, Constructive Solid Geometry (CSG) oder Sweep, welche dann durch logische Operationen, wie Vereinigung oder Abzug, kombiniert werden, und das Bauteil geometrisch repräsentieren.
Im Gegensatz dazu werden in einem GIS-basierten 3D-Modell die sichtbaren Begrenzungsflächen, die z. B. einen Raum umschließen, durch Randflächenbeschreibung (engl. Boundary Representation (B-Rep)) repräsentiert. Die Randflächen werden durch planare, geschlossene Polygone geometrisch beschrieben, wobei die Form und Orientierung (Vorder-/Rückseite) der Polygone durch die Reihenfolge der Polygonstützpunkte definiert ist. Die parametrische Geometrierepräsentation in BIM-Modellen eignet sich gerade für den Entwurf von Gebäuden, da Bauteile häufig rechtwinklig, parallel oder senkrecht platziert werden und Anpassungen der Abmessungen leicht durch das Verändern eines Parameters, wie der Länge, Breite oder Höhe, erfolgen können. Nicht so einfach ist jedoch das Abgreifen von Koordinaten beliebiger Gebäudepunkte aus der parametrischen BIM-Geometrie. Koordinaten von Gebäudeecken, die z. B. zur Absteckung einer Achse benötigt werden, sind im Gegensatz zur Randflächenbeschreibung häufig nicht explizit gespeichert und müssen im BIM-System zunächst definiert und berechnet werden.
Die Randflächenbeschreibung eignet sich besonders zur Repräsentation der beobachtbaren Welt und ermöglicht eine einfache Weise, z. B. auch verformte oder gekippte Wandoberflächen, entsprechend einer as-built-Vermessung, abzubilden. Jedoch sind geometrische Relationen nur implizit durch die Geometrie vorhanden, was das Durchführen von Änderungen erschwert. Ein weiterer – vor allem aus geodätischer Sicht – bedeutender Unterschied zwischen BIM und GIS besteht in der 5.) Georeferenzierung der räumlichen Daten. Die mathematischen Modelle der geodätischen Koordinatenreferenzsysteme (CRS), z. B. ETRS89, erlauben die räumliche Repräsentation von Objekten in Bezug zur gesamten Erde, während sich lokale Projektkoordinatensysteme (PCS) in BIM-Systemen lediglich zur geometrischen Beschreibung eines bestimmten Bauwerks eignen, unabhängig von anderen Objekten in seiner Umgebung. Die eigentliche Georeferenzierung eines BIM-Projekts erfolgt in der Regel durch einen Referenzpunkt der Projektgeometrie, welchem Koordinaten des übergeordneten CRS zugeordnet werden sowie ggf. durch eine Rotation zum geographischen Norden. Bei großen Bauwerken, wie der Landebahn eines Flughafens, einer Brücke oder einer Staumauer, muss allerdings explizit auf die Auswirkungen der Erdkrümmung geachtet werden, die in dem PCS in CAD/BIM-Systemen nicht implizit berücksichtigt ist.
Ein weiterer Unterschied zwischen der BIM- und der GIS-Welt betrifft die 6.) Standardisierung. Unterschiedliche Standardisierungsorganisationen haben die Entwicklungen der Datenmodelle und -formate vorangetrieben, was zu einer Reihe von strukturellen Unterschieden der Datenmodelle und -formate führte. Die Entwicklungen und die Standardisierung in der BIM-Welt wurden überwiegend durch die buildingSMART International (bSI) geleitet. Ein Ergebnis der Standardisierung sind die Industry Foundation Classes (IFC), ein Datenmodell und Austauschformat für BIM, welches auf einer Reihe von Normen basiert (z. B. ISO TC 184/SC4, ISO/PAS 16739) und unter Verwendung der Modellierungssprache EXPRESS erstellt wurde. Im Gegensatz dazu werden die Entwicklungen und Standardisierung in der GIS-Welt durch das OPEN GEOSPATIAL CONSORTIUM (OGC) begleitet.
Ein wichtiges Datenmodell und Austauschformat für 3D-Stadt-und Landschaftsmodelle ist die City Geography Markup Language (CityGML), welche im Gegensatz zu IFC auf der Normenreihe ISO 191xx-Familie basiert und mittels der Unified Modeling Language (UML)modelliert wurde. Um die Interoperabilität der BIM- und GIS-Welt zu verbessern, wurde zwischen der bSI sowie dem OGC und ISO eine offizielle Liaison beschlossen, um zukünftige Entwicklungen von Standards zu Datenmodellen und -formaten in Absprache und teilweise in enger Zusammenarbeit zwischen den entsprechenden Arbeitsgruppen durchzuführen. Dies geschieht z. B. bei der Entwicklung des IFC-Alignment-Konzepts zur Modellierung von Infrastrukturprojekten durch die bSI Expertengruppe IFC Rail/IFC Road mit der OGC LandInfra Arbeitsgruppe oder bei der Entwicklung neuer IFC-Koordinatenoperationen durch das bSI, die in enger Absprache mit dem OGC erfolgt.
Fazit
BIM ist keine Weiterentwicklung von CAD, sondern basiert auf einer völlig anderen Herangehensweise zur Erstellung von digitalen Planungsdaten. Während CAD-System wie AUTOCAD, das traditionelle Zeichnen von Plänen in Form von Grundrissen, Schnitten und Ansichten imitieren, werden in einem BIM-System die realen Weltstrukturen in Form von 3D-Modellen nachempfunden. Im Fokus der Modellierung in einem BIM stehen demnach nicht die geometrischen Elemente Punkte, Linie und Flächen, sondern die Realweltobjekte, wie Gebäude, Wände, Böden, Fenster und Türen. Eine CAD-Zeichnung –ist diese auch dreidimensional erstellt und durch eine Layerstruktur mit Informationen angereichert –kann nicht durch einen einfachen Formatwechsel in ein regelkonformes BIM-Modell überführt werden.
Aufgrund der unterschiedlichen Zielstellungen der Anwendungsbereiche von BIM und GIS gibt es in den beiden Domänen wesentliche Unterschiede auf System-, Modell- und Formatebene, welche den Datenaustausch und die Systemintegration erschweren. GIS-Daten und vermessungstechnische Lagepläne stellen jedoch eine wichtige Grundlage für Bauwerks- und Infrastrukturplanungen dar und müssen in einem BIM-System räumlich, semantisch und syntaktisch korrekt integriert werden können. Darüber hinaus müssen Vermessungsdaten wie Absteckkoordinaten richtig georeferenziert aus dem BIM-System ausgegeben werden können. Unter Berücksichtigung der dargestellten Unterschiede ist die Integration von BIM- und GIS-Daten und -Systemen möglich und gewinnbringend nutzbar.
Es handelt sich um einen Beitrag, der ursprünglich im Leitfaden der Geodäsie und des BIM erschienen ist. Der vollständigen Leitfaden steht unter folgendem Link zur Verfügung:
https://www.dvw.de/BIM-Leitfaden.pdf
Die Literatur liegt bei den Verfassern.
Crisis Prevention 1/2021
Prof. Dr. Robert Kaden
FH Erfurt
Prof. Dr. Robert Seuß
Frankfurt UAS
Prof. Dr. Thomas H. Kolbe
Vorstandsvorsitzender des Runden Tisch GIS e. V