Neue Bedrohungen aus dem Cyber- und Informationsraum

Bundeswehr stellt sich mit Organisationsbereich Cyber- und ­I­nformationsraum modern auf

Markus Laisiepen

Presse- und Informationszentrums CIR der Bundeswehr

Staat, Wirtschaft und Gesellschaft profitieren zunehmend von einer vernetzten, digitalisierten Welt. In nahezu allen Bereichen unseres Zusammenlebens ziehen wir daraus Vorteile. Zugleich sind wir damit aber gegen Angriffe im Cyber- und Informationsraum verwundbarer geworden. Diese digitale Verwundbarkeit der Gesellschaft haben sich in den letzten Jahren staatliche und nichtstaatliche Akteure in vielfältiger Weise zu Nutze gemacht. 

Vorfälle wie der „Bundestaghack“, mit Schadsoftware auf Rechnern des Bundestags 2015, zeigen eindrucksvoll, dass Angriffe und Technologien inzwischen hoch entwickelt sind. Nicht zuletzt die aktuellen Angriffe im Mai 2017 auf hunderttausende von Computern weltweit durch die Verbreitung von Erpressungstrojanern haben deutlich gemacht, dass das Wirken im „virtuellen“ Cyberraum spürbare Effekte in der „realen“ Welt hat. Cyber-­Angriffe auf Staaten und deren kritische Infrastrukturen sind schon lange keine Fiktion mehr, sondern Realität.

Bei der Bundeswehr gibt es kaum einen Bereich, der nicht von der Digitalisierung betroffen ist – Logistik, Kommunikation im Inland wie im Einsatzland oder fast alle Waffensysteme. So befinden sich im Eurofighter über 80 Computer und rund 100 Kilometer Kabel. Die Bundeswehr ist ein Hochwertziel und deshalb, wie andere Behörden und Unternehmen auch, regelmäßig Ziel von Hackern. Angriffe kommen täglich, sind automatisiert oder hoch differenziert und maßgeschneidert und verfolgen unterschiedliche Absichten: von der einfachen Spionage, Datenklau über Zerstören bis Manipulieren und Beeinflussen. 

Die mögliche Anonymität von Angriffen und die kostengünstigen Möglichkeiten zur asymmetrischen Wirkung haben Cyber-­Angriffe und Maßnahmen im Informationsumfeld zu einem wirkungsvollen Mittel gemacht – häufig um Ziele unterhalb der Schwelle eines militärischen Angriffs durchzusetzen. Diese technische Weiterentwicklung von einfachen Viren hin zu kom­plexen, schwer erkennbaren Attacken (Advanced Persistant Threats) stellt einen Qualitätssprung in der Bedrohungslage dar. 

Die damit einhergehenden immer komplexeren Angriffe erfordern den Ausbau der staatlichen Handlungsfähigkeit zum Schutze unseres demokratischen Systems und seiner wirtschaftlichen Grundlagen. 

Der Ausbau von Cyber-Fähigkeiten ist daher ein essentieller Beitrag zur gesamtstaatlichen Sicherheitsvorsorge und bietet zusätzliche Handlungsoptionen für Konfliktver­hütung und Krisenbewältigung einschließlich der Begegnung hybrider Bedrohungen.

Bisher ist der Bundeswehr kein Schaden durch Cyberangriffe entstanden. Doch die Bundeswehr muss sich weiterhin Tag für Tag neu gegen diese Angriffe wappnen und ihre Abwehrmechanismen kontinuierlich optimieren.

Organisationsbereich CIR Standort
Standorte des Organisationsbereichs CIR.
Quelle: Presse- und Informationszentrums CIR der Bundeswehr

Der neue Organisationsbereich Cyber- und Informationsraum

Um gegen diese neue Art der Bedrohung optimal vorbereitet und aufgestellt zu sein und die Chancen der Digitalisierung zu nutzen, hat sich die Bundeswehr in den entsprechenden Bereichen neu strukturiert. Bereits existierende Einheiten wurden in einem neuen, sechsten militärischen Organisationsbereich gebündelt: dem Cyber- und Informationsraum der Bundeswehr. Der Inspekteur Cyber- und Informationsraum, Generalleutnant Ludwig Leinhos, steht auf einer Ebene mit den anderen Inspekteuren der militärischen Organisationsbereiche Heer, Luftwaffe, Marine, Sanitätsdienst und Streitkräftebasis. Zum 1. April 2017 wurde das neue Kommando Cyber- und Informationsraum (KdoCIR) aufgestellt.

Mit rund 260 Angehörigen wurde in den ersten Monaten eine Erstbefähigung zur Führung des nachgeordneten Bereichs gewährleistet. Zum 1. Juli 2017 wurden dem KdoCIR das Kommando Strategische Aufklärung – einschließlich des Zentrums Operative Kommunikation der Bundeswehr –, das Kommando IT der Bundeswehr, und das Zentrum für Geoinformationswesen der Bundeswehr unterstellt. Damit umfasst der Organisationsbereich rund 13.500 Dienstposten. Bis 2021 wird der Organisationsbereich auf bis zu 15.000 Dienstposten weiter aufwachsen und seine volle Einsatzbereitschaft erreichen – ein herausforderndes, aber wichtiges Ziel, um die Freiheit Deutschlands auch im Cyber- und Informationsraum zu verteidigen. 

Eingebettet ist das Wirken des Organisationsbereichs Cyber- und Informationsraum der Bundeswehr in die Cyber-Sicherheitsstrategie für Deutschland, durch die die Bundesregierung im November 2016 einen ressort­übergreifenden, strategischen nationalen Rahmen geschaffen hat. Danach liegt die Verantwortung für die Cyber-Abwehr beim Bundesministerium des Inneren, während das Auswärtige Amt für die Cyber-Außen- und internationale Cybersicherheitspolitik verantwortlich zeichnet. 

Verteidigungsaspekte der gesamtstaatlichen Cyber-Sicherheitsarchitektur werden gemäß Weißbuch 2016 als originäre Aufgaben dem Bundesverteidigungsministerium und als verfassungsgemäßem Auftrag der Bundeswehr zugewiesen. Unverändert ist es Aufgabe der Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die territoriale Unversehrtheit sowie die Souveränität Deutschlands und seiner Verbündeten zu wahren. Die Sicherheit Deutschlands ist auch im Cyber- und Informationsraum zu verteidigen. Insbesondere dem Schutz eigener Systeme der Bundeswehr kommt dabei eine hohe Bedeutung zu.

Aufgaben des neuen Organisations­bereiches: „Wir verteidigen Deutschland im Cyber- und Informationsraum“

Im KdoCIR werden die Aufgaben Cyber, IT, Anteile des Militärischen Nachrichtenwesens, Geoinformationswesen der Bundeswehr und Operative Kommunikation aus einer Hand truppendienstlich und fachlich geführt. Bisherige dezentrale Strukturen und Kompetenzen werden gebündelt, effizienter aufgestellt und konsequent weiterentwickelt. 

Ziel ist, Cyber- und Informationstechnik aus einer Hand heraus zu denken und kompetenter Ansprechpartner für alle anderen Bereiche sowohl innerhalb wie auch außerhalb der Bundeswehr zu sein. Darüber hinaus positioniert sich die Bundeswehr optimal im internationalen Vergleich um weltweit eine fachlich führende Stellung für das Thema einzunehmen. Hier befindet man sich bereits auf Augenhöhe mit führenden Nationen und gilt gerade aufgrund der konsequenten Bündelung der Aufgaben für viele als Vorreiter. 

Das Aufgabenportfolio des neuen Organisationsbereiches ist sehr vielfältig und facettenreich: Ein Tätigkeitsschwerpunkt liegt auf dem Schutz und Betrieb des IT-Systems der Bundeswehr – und zwar im In- und im Ausland. Durch die Angehörigen des Geoinformationswesens der Bundeswehr werden außerdem alle Bereiche der Bundeswehr mit den wesentlichen Geoinformationen bei ihrer Auftragserfüllung unterstützt. 

Darüber hinaus sollen die Fähigkeiten zur Aufklärung und Wirkung im Cyber- und Informationsraum gestärkt und weiterentwickelt werden. So wird zukünftig in einem Gemeinsamen Lagezentrum im KdoCIR ein Lagebild des Cyber- und Informationsraums für die Bundeswehr erstellt, das in Teilen auch weiteren Ressorts verfügbar gemacht werden kann.

Darüber hinaus wird das Zentrum Cybersicherheit der Bundeswehr weiter gestärkt. In 2018 wird das Zentrum Cyber Operationen und in 2019 das Zentrum Softwarekompetenz der Bundeswehr aufgestellt. 

zunehmende Vernetzung bedeutet auch für das Militär zunehmende...
Die zunehmende Vernetzung aller bedeutet auch für das Militär immer mehr Sicherheitsmaßnahmen.
Quelle: Wiki Creative-Commons-Lizenz Namensnennung 2.5 generisch

Zudem trägt der Organisationsbereich Cyber- und Informationsraum durch den Austausch und die Kooperation mit den anderen nationalen und internationalen Institutionen zur Bündnisfähigkeit auch im Cyberraum sowie zu einer gesamtstaatlichen Sicherheitsvorsorge bei und stärkt die Cyber-Sicherheitsarchitektur Deutschlands.

An der Universität der Bundeswehr München entsteht aktuell ein bundesweit einzigartiges Forschungszentrum mit einem neuen Studienschwerpunkt Informatik/Cybersicherheit, um die Expertise im Cyber- und Informationsraum bei der Bundeswehr weiter zu verbessern. Ganz konkret soll im Januar 2018 der Startschuss für einen internationalen Master-Studiengang für Cyber-Sicherheit für zunächst 70 Studierende erfolgen. Dafür werden insgesamt 13 neue Professuren eingerichtet. 

Zudem wird zur personellen Ergänzung und Verstärkung des Organisationsbereiches Cyber- und Informationsraum gezielt eine hoch qualifizierte und schlagkräftige „Cyber-Reserve“ aufgebaut. Das Konzept der Cyber-Reserve geht über den bisherigen Reservistendienst hinaus und öffnet ihn für einen größeren Personenkreis und neue Zielgruppen. Ziel ist, den Austausch zwischen Fachleuten der Bundeswehr und Experten aus Behörden, der Wirtschaft und Gesellschaft zu erleichtern und einen Wissens­transfer zu fördern.

Darüber hinaus sucht die Bundeswehr den Kontakt zu den treibenden Kräften in der IT-Community. Hierfür wird aktuell eine kleine Einheit „Cyber-Innovation-Hub“ in Berlin aufgebaut. Das Team soll regelmäßig den Dialog mit Start-Ups sowie mit Protagonisten aus Wirtschaft und Industrie suchen. 

Die Bundeswehr geht aktiv auf junge Unternehmen zu, um neue, disruptive Technologien zu finden und so als Vorreiter zu agieren, wenn bestimmte Lösungen und Überlegungen für die Bundeswehr interessant sind.

Damit geht die Bundeswehr ganz neue Wege, um sich für die großen Herausforderungen, die sich aus den immer komplexer werdenden Gefahren aus dem Cyber- und Informa­tionsraum ergeben, optimal aufzustellen und zu positionieren. Immer mit dem Ziel, Deutschland im Cyber- und Informationsraum zu verteidigen und für mehr Sicherheit des Landes zu sorgen.

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