Das ABC-Abwehrkommando der Bundeswehr: Auf allen Ebenen vorbereitet

Henry Neumann

ABC-Abwehrkommando der Bundeswehr

Atomare, biologische und chemische Kampfstoffe, aber auch durch vergleichbare, industrielle und natürliche Gefahrstoffe und Gefahren können jederzeit unsere Soldaten im Einsatz bedrohen. Nur mit entsprechenden Vorkehrungen können Leben und Gesundheit geschützt, die Einsatzbereitschaft aufrecht und der Auftrag erfüllt werden. Das ABC-Abwehrkommando der Bundeswehr trägt die Verantwortung für die Sicherstellung dieser Aufgabe in der Bundeswehr.

Um auf allen Ebenen und 360 Grad vorbereitet zu sein, hat die Bundeswehr ein vierstufiges System von Fähigkeiten in der ABC-Abwehr entwickelt. Prävention, Schutz und damit optimale Auftragserfüllung sind die Kernpunkte dieses Systems, deren verschiedene Stufen im Folgenden skizziert werden sollen:

Die „Basisbefähigung“ ist eine „Jedermannbefähigung“, zum Schutz und Überleben des Einzelnen. Jeder Soldat erhält seine persönliche ABC-Schutzausrüstung als physikalischen Schutz: Neben Schutzmaske und Schutzbekleidung ergänzen der ABC-Selbsthilfesatz zur Selbst- und Kameradenhilfe bei Kontamination, Atropininjektoren, Autoinjektoren und Prophylaktika diese Ausrüstung.

In der „erweiterten Befähigung“ sind alle Einsatzelemente (Züge, Kompanien, Bataillone und vergleichbare Dienststellen) und Stäbe mit ABC-Aufklärungsmitteln und Dekontaminationsausstattungen ausgerüstet. Damit können unabhängig von der Verfügbarkeit der Spezialisten des ABCAbwKdoBw Kontaminationen festgestellt und Truppe unmittelbar gewarnt und alarmiert werden. Eine Bestimmung des Kampfstoffes wird dabei jedoch nicht durchgeführt. 

Zur Dekontamination ist die Truppe mit einer Dekontaminationsausstattung ausgestattet, mit deren Hilfe Kontaktkontaminationen und Kontaminationsverschleppungen vermieden werden. Eine gründliche Dekontamination ist jedoch nicht möglich, so dass der ABC-Schutz aufrechterhalten werden muss.

Die Identifikation von Kampf- und Gefahrstoffen sowie die gründliche Dekontamination sind den Kräften der „qualifizierten Befähigung“ vorbehalten. Mit den unterschiedlichen Spür- und Messgeräten kann in der Einsatzaufklärung eine vorläufige Identifikation durchgeführt werden und in den mobilen Laboren eine bestätigte Identifikation mittels zweier voneinander unabhängiger wissenschaftlicher Verfahren erfolgen. Die Probenahme folgt wissenschaftlichen und forensischen Grundsätzen. Um gerichtsverwertbare Ergebnisse zu erhalten, wird die nachfolgende Analyse in einem dafür spezialisierten, stationären Labor durchgeführt.

Die vierte Befähigungsstufe enthält die „spezialisierte Befähigung“. Hier wird naturwissenschaftliches Personal eingesetzt, welches auch in einem besonderen Sicherheitsumfeld eingesetzt werden kann. Ihr Schwerpunkt ist die Identifikation gegnerischer ABC-Potentiale sowie das Wirken gegen diese.

Die Kräfte der qualifizierten und spezialisierten Befähigung sind seit dem 23. April 2013 im ABC-Abwehrkommando der Bundeswehr „unter einem Dach“ zusammengefasst. Das Kommando hat seinen Sitz in Bruchsal und führt 4 Bataillone (in Bruchsal und Höxter/Husum), davon 2 aktive sowie 2 nicht-aktive. Diese stellen die Kräfte für Einsätze und einsatzgleiche Verpflichtungen. Die Schule ABC-Abwehr und Gesetzliche Schutzaufgaben in Sonthofen bzw. Stetten a.k.M. und der deutsche Anteil am Joint CBRN Defence Centre of Excellence in Vyskov (tschechische Republik) runden das Portfolio des Kommandos ab. 

Zusätzlich sind die Standorte Bruchsal und Höxter sogenannte ZMZ-Stützpunkte für die ABC-Abwehr. Die dort vorhandenen Fähigkeiten können auch im Rahmen der zivil-militärischen Zusammenarbeit eingesetzt werden. 

Die Unterstützungsanforderungen werden über die nationale, territoriale Organisation aufgenommen und bearbeitet, die Freigabe von Kräften erfolgt auf der Grundlage des Artikels 35 Grundgesetz. Bei den Unterstützungsleistungen im Bereich ABC-Abwehr handelt es sich in der Regel um Amtshilfe, bei denen technisch- wissenschaftliche Fähigkeiten verlangt werden.

Der Kernauftrag der Kräfte des ABC-Abwehrkommandos der Bundeswehr bleibt die Aufklärung und Überwachung von ABC-Kampfstoffen und vergleichbaren industriellen Gefahrstoffen. Sie nehmen ABC-Proben und identifizieren diese im Rahmen der Laboraufklärung. Dieses kann mit einem ABC-geschützten, geländegängigen Fahrzeug (z.B. dem Spürpanzer FUCHS) erfolgen, mit dem Bewegungen in kontaminiertem und/oder unwägbarem Gelände möglich sind oder aber außerhalb eines Schutzfahrzeuges, um z.B. zu Fuß ein Labor zu untersuchen.

Eine weitere Facette des Auftrages ist der Einsatz unterschiedlich dimensionierter Dekontaminationsfahrzeuge zur gründlichen Dekontamination von Personal, Material und in begrenztem Umfang Infrastruktur.

Außerdem wird in Zusammenarbeit mit den Veterinären des Sanitätsdienstes der Bundeswehr die Desinfektion durchgeführt. Nur nach dieser gründlichen Dekontamination kann der ABC-Schutz der kontaminierten Truppe aufgehoben werden und diese ihren ursprünglichen Gefechtswert wiedererlangen. Um das für die Dekontamination notwendige Wasser zu gewinnen, sind die Kräfte der qualifizierten Befähigung in der Lage, kontaminiertes Wasser in Trinkwasserqualität aufzubereiten.

Darüber hinaus beheimatet das ABC-Abwehrkommando der Bundeswehr die militärischen Brandschutzkräfte, die für den abwehrenden Brandschutz in den Feldlagern und Einsatzliegenschaften der Bundeswehr im Auslandseinsatz verantwortlich sind. Die ABC-Abwehrberatung vervollständigt das Fähigkeitsprofil des Kommandos. Durch Analysen und ABC-Auswertung, unterstützt durch ein einheitliches Meldewesen und eine präzise ABC-Lageführung, wird die fachliche Beratung aller Führungsebenen und Bedarfsträger in den Bereichen der taktisch-operativen Schutzaufgaben ABC-Abwehr, Selbstschutz und militärischer Brandschutz ermöglicht.

Die materielle Ausstattung der Kräfte ist so ausgelegt, dass

a) robuste Einsätze bis hin zur Unterstützung der Kampftruppe in einem bewaffneten Konflikt durchgeführt,

b) leichte Teile mit Hubschraubern schnell in Einsatzgebiete verlegt,

c) Detektionen durch abgesessene Teile mit tragbaren Mitteln innerhalb und außerhalb von Infrastruktur durchgeführt werden können.

Mit dieser Bandbreite können die qualifizierten Kräfte im gesamten Spektrum der ABC-Bedrohung ihren Beitrag leisten und so alle Einsätze der Bundeswehr wirkungsvoll unterstützen. Derzeit sind ABC-Abwehrkräfte und Brandschutzkräfte im Kosovo, in Afghanistan und im Nord-Irak sowie in Mali im Einsatz.

Neben der Bereitstellung dieser ABC-Abwehrfähigkeiten ist die konzeptionelle Weiterentwicklung des Systems ABC-Abwehr der Bundeswehr ein Schwerpunkt des ABC-Abwehrkommandos der Bundeswehr. Darüber hinaus ist das Kommando für Ausbildungsgrundlagen, Lehrgangsorganisation, Ausrüstung/materielle Ausstattung sowie bi- und multinationale Zusammenarbeit zuständig. 

Die Schule für ABC-Abwehr und Gesetzliche Schutzaufgaben ist die Ausbildungseinrichtung der Bundeswehr für die ABC-Abwehr, den Arbeitsschutz, den Umweltschutz, den Selbstschutz und den Brandschutz. Sie führt die Bereiche Lehre/Ausbildung, Unterstützung sowie Wissenschaften und koordiniert deren Zusammenwirken zur Durchführung der lehrgangsgebundenen Ausbildung sowie von Sonder- bzw. Übungsvorhaben. 

Die Ausbildung erfolgt in zwei Lehrgruppen. Die Lehrgruppe „ABC-Abwehr“ ist für die Ausbildung in der ABC-Abwehr und im Selbstschutz verantwortlich. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Durchführung von Laufbahn- und Verwendungslehrgängen für Soldaten (auch der Reserve) der qualifizierten ABC-Abwehrkräfte. Die Lehrgruppe „Gesetzliche Schutzaufgaben“ stellt die Ausbildung im Brandschutz, Arbeitsschutz und Umweltschutz sicher.

Im Bereich Wissenschaften werden stationäre Labore auch zur Untersuchung von Verdachtsproben betrieben. Neben der Entwicklung, Anpassung und Validierung von analytischen Methoden bzw. Einsatzverfahren wird hier die Pflege gerätebezogener Datenbanken für die ABC-Abwehr und zur wissenschaftlichen ABC-Einsatzberatung vorgenommen. 

Zudem wird wissenschaftlich bzw. experimentell in den Fachgebieten der Lehre und zur Aus- und Weiterbildung bzw. Inübunghaltung des Laborpersonals der qualifizierten bzw. spezialisierten Befähigung gearbeitet. Diese wissenschaftliche Expertise und Fachberatungskapazität unterstützt darüber hinaus die Weiterentwicklung sowie die ABC-Abwehrberatung des ABC-Abwehrkommandos der Bundeswehr zur Beantwortung komplexer Fragestellungen zu ABC- Kampf- und Gefahrenstoffen („Reach Back“) aus den Einsatzgebieten.

Neben dieser nationalen Betrachtung spielt die internationale Dimension und Verflechtung in NATO und EU für das ABC-Abwehrkommando der Bundeswehr eine immer größere Rolle. Die Beteiligung am „Joint CBRN Defence Centre of Excellence (CoE)“ ist eine signifikante Größe in der multinationalen Zusammenarbeit. 

Das CoE berät als Wissensträger in der NATO in allen Bereichen der ABC-Abwehr, es erstellt für die Nationen Konzepte, Standards und Empfehlungen zur Verbesserung der Interoperabilität und Fähigkeitsentwicklung. 

Des Weiteren werden durch das CoE Vorschläge zur Verbesserung von Ausbildungen und Übungen erarbeitet. 

In diesem Zusammenhang muss auch die aktive Unterstützung des 2014 durch die NATO beschlossenen „Rahmennationenkonzept“ erwähnt werden. Dieses zur Fähigkeitsentwicklung und Kräftebereitstellung entwickelte Konzeptes ist ein wesentlicher Beitrag der beteiligten Nationen zur Beseitigung der erkannten Lücken in ausgewählten Bereichen, unter anderem auch im Schutz gegen ABC-Kampf und Gefahrenstoffen („CBRN Protection“). Das ABC-Abwehrkommando der Bundeswehr ist mit der Entwicklung dieses Elementes beauftragt. 

Mit Hilfe eines ABC-Abwehr Kräftepools der beteiligten Nationen soll die Ausbildung, Inübunghaltung und Koordinierung für den Einsatz verbessert werden. 

Ein multinationales Koordinierungselement wird nächsten Jahres seine Arbeit in Bruchsal aufnehmen. 

Das ABC-Abwehrkommando der Bundeswehr leistet im Spektrum der ABC-Abwehr somit seinen Beitrag vom Schutz des einzelnen Soldaten bis hin zur gemeinsamen Anstrengung des Bündnisses, Kräfte und Fähigkeiten bereitzustellen und getreu seines Mottos „Finis coronat opus - das Ende krönt das Werk“  weiter zu entwickeln. 

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