Ob Naturkatastrophen wie Hochwasser, Waldbrände oder Stürme oder schwere Unglücksfälle; Notlagen machen vor Landesgrenzen nicht halt. Sie erfordern grenzüberschreitend schnelle Reaktionen und reibungslose Zusammenarbeit. Unterschiedliche Strukturen, Regelungen, Begrifflichkeiten und letztlich auch Mentalitäten dürfen dann keine Rolle spielen. Von einander zu wissen, die Ansprechpartner zu kennen, ihre Strukturen und Fähigkeiten einordnen zu können, ist im Notfall überlebenswichtig. „Vor Krisen Köpfe kennen“ lautet daher einer der Grundsätze der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit (ZMZ).
Genau mit diesem Ziel ist die „Trinationale Workshopserie – Zivil-Miltärische Zusammenarbeit“ ins Leben gerufen worden. Sie schließt nahtlos an bereits erfolgreich etablierte Formate der Zusammenarbeit zwischen den drei Ländern Deutschland, Österreich und Schweiz inklusive des Fürstentums Liechtenstein. Auftakt der neuen Veranstaltungsreihe war vom 17. bis 19. Oktober in der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg, Gastgeber war der Kommandeur des Kommandos Territoriale Aufgaben, Generalmajor Jürgen Knappe.
Impulsgeber für die Zusammenarbeit
Als Dienststelle der Streitkräftebasis hat das Kommando in Berlin den Auftrag, den militärischen Anteil in der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit zu koordinieren und zu führen. Generalleutnant Martin Schelleis, Inspekteur der Streitkräftebasis und Nationaler Territorialer Befehlshaber, sagte zum Auftakt: „Diese Veranstaltung steht für den vernetzten Ansatz für Sicherheit, den wir ja auch in unserem Weißbuch festgeschrieben haben.“ Generalmajor Knappe, nennt den Workshop einen Impulsgeber, „mit dem Ziel, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit weiter zu verstärken und auszubauen.“
Ein Blick auf den Teilnehmerkreis bestätigte das breite Interesse an einem gemeinsam Handeln. Es waren hochrangige und praxiserfahrene Akteure aus militärischem und zivilen Umfeld, aus Ministerien und Behörden sowie von staatlichen und nicht-staatlichen Organisationen aus allen drei Nationen.
Aus der Praxis für die Praxis
In Seminaren und Arbeitsgruppen trugen Referenten zu unterschiedlichsten Aspekten der grenzüberschreitenden und Zivil-Militärischen Zusammenarbeit vor. Da wurden Informationen ausgetauscht, neue Ansätze vorgestellt und offene Fragen diskutiert. Im Mittelpunkt standen praktische Erfahrungen und Ereignisse, anhand derer gemeinsames Handeln überprüft und abgeleitet wurde.
Deutsches und Österreichisches Rotes Kreuz referierten gemeinsam, ebenso die zuständigen Bevölkerungsschutzbehörden Deutschlands, Österreichs und der Schweiz. Einen aktuellen Bezug zum Veranstaltungsort stellte der Einsatzleiter der Hamburger Polizei Hartmut Dudde her mit seinem Vortrag zum Einsatz rund um den G20-Gipfel im Juli 2017. Ergänzt wurde das Programm durch Besuche bei der Wasserschutzpolizei Hamburg, am Hamburger Standort von Airbus sowie der Innenbehörde und dem Landespolizeipräsidium.
Hamburgs Innensenator, Andy Grote, verwies in seinem Willkommensgrußwort auf die besondere Bedeutung der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit für die Stadt: „Die Erinnerung an die Sturmflut von 1962 bleibt immer verbunden mit der zupackenden und lebensrettenden Hilfe auch durch die Bundeswehr“, so Grote. „Es war die Geburtsstunde der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit bei Großschadenslagen.“
Für Schutz und Ordnung sorgen
Der Schutz der Bevölkerung im Katastrophenfall ist gemeinsames Ziel und Auftrag aller, die sich zu dem Workshop versammelt haben. „Der Austausch von Erfahrungen und Ideen trägt dazu bei, dass wir unsere Hilfeleistungen noch effizienter gestalten können“, sagt Brigadier Robert Prader, Delegationsleiter Österreichs und stellvertretender Kommandant der österreichischen Landstreitkräfte. Auch der Schweizer Delegationsleiter und Territorial-Kommandant, Divisionär Hans-Peter Kellerhals stimmt dem zu. In der Schweiz wirke sich der Klimawandel bereits dramatisch aus, sagte er. „Da brauchen wir zupackende Kräfte, die dafür sorgen, dass die Bevölkerung schnell wieder in Sicherheit und Ordnung leben kann.“
Militärische Fähigkeiten und zivile Kräfte stehen gemeinsam in der Verantwortung, so sieht das auch der Referent vom Technischen Hilfswerk, Dr. Frank Altenbrunn: „Größere Lagen erfordern immer auch militärische Unterstützung. Da sollte sich niemand scheuen, auch grenzüberschreitende Hilfe in Anspruch zu nehmen.“
Fachinformationen aus erster Hand
Voraussetzung dafür ist es, sich zu kennen – wie beispielsweise auch über die schweizerisch-deutschen Grenze hinweg. Der Schweizer Oberst Adrian Boller, Milizionär und Chef des Verbindungsstabes im Kanton Aargau ist zuständig für den Kontakt zu seinem Ansprechpartner „auf der anderen Seite des Rheins“. Dort sitzt das zuständige Kreisverbindungskommando der Bundeswehr, das über das Landeskommando Baden-Württemberg mögliche Hilfeleistungen der Bundeswehr für den Nachbarn koordiniert. „Diese guten Beziehungen sind für beide Seiten äußerst wichtig“, sagt Boller.
Von großem Interesse sind neben der praktischen Zusammenarbeit aber auch Inhalte, die oft erst in der Folge von Katastropheneinsätzen zum Tragen kommen. Beispielsweise wenn es um die Betreuung belasteter Einsatzkräfte geht.
Die Vorträge dazu aus dem Berliner Psycho-Trauma-Zentrum von Oberstarzt Dr. med. Peter Zimmermann sowie des Truppenpyschologen, René Klein, aus dem Kommando Territoriale Aufgaben vermitteln dazu aktuellste Erkenntnisse.
Oberst Andreas Eberle vom österreichischen Militärkommando Vorarlberg ist begeistert über „diese neuen Aspekte“. Er lobt vor allem die hohe Qualität der Vorträge. „Das sind viele wichtige Fachinformationen, die sonst so direkt nicht zugänglich sind.“
Gegenseitiges Kennen ist das Fundament der Zusammenarbeit
Dass gute und reibungslose Zusammenarbeit aber auch eine Frage des gegenseitigen Verstehens ist, machte der österreichische Generalmajor Herbert Bauer in seinem Vortrag „Zivil-Militärische Zusammenarbeit – der ultimative culture clash?!“ klar. Der gemeinsamen Sprache stehen oft unterschiedliche Strukturen, Regelungen, Begrifflichkeiten und letztlich auch Mentalitäten gegenüber.
Diese Unterschiede zu kennen und zu verstehen, ist eines der Kernziele des Workshops, denn: „Erst wenn man sich wirklich versteht, kann man miteinander arbeiten“, lautet das Fazit. So sieht das auch Generalmajor Knappe: „Gegenseitiges Kennen ist das Fundament der Zusammenarbeit“, sagt er. Dabei reiche es nicht, dass die Kommandeure sich kennen: „Die Stäbe müssen sich kennen, sie müssen miteinander arbeiten und sich austauschen“.
Knappe zieht eine rundweg positive Bilanz der Veranstaltung: „Der Workshop hat dazu beigetragen, Fragezeichen abzubauen“. Mit Blick auf die kommenden Workshops erklärt er: „Wir haben Handlungsfelder identifiziert und uns Themen gestellt, die wir nun in der Vorbereitung zum folgenden Workshop aufbereiten und abarbeiten.“ Den nächsten Workshop wird die Schweiz ausrichten, danach ist Österreich an der Reihe.
Crisis Prevention 4/2017
Susanne Lopez, M.A.,
Redakteurin und stellvertretende Leiterin des Dezernats Informationsarbeit
Kommando Territoriale Aufgaben
Berlin