Neuer Schwung für die deutsch­-britischen Beziehungen

Engere Zusammenarbeit bei Energie-­ und Klimapolitik vereinbart

Das Jahr 2023 war ein gutes Jahr für die deutsch-britischen Beziehungen. Im September 2023 wurde eine engere deutsch-britische Kooperation im Bereich Wasserstoff vereinbart. Anfang November 2023 reiste Vizekanzler Robert Habeck nach London und unterzeichnete dort gemeinsam mit der britischen Energieministerin eine Rahmenvereinbarung im Bereich Energie und Klima.

Neuer Schwung für die deutsch­-britischen Beziehungen
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Obwohl der Abschluss des zum 1. Januar 2021 in Kraft getretenen Handels- und Kooperationsabkommens zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich zunächst als Aufbruchssignal für eine vertiefte deutsch-britische Zusammenarbeit gesehen worden war, hatte sich diese in den Jahren 2021 und 2022 weniger dynamisch entwickelt als erwartet. Dies hing vor allem mit den angespannten Beziehungen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich zusammen. Die andauernden Turbulenzen um die Umsetzung des Austrittsabkommens (insbesondere des Nordirland-Protokolls) verhinderten die volle Ausschöpfung der im Handels- und Kooperationsabkommen angelegten Kooperationsmöglichkeiten zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich. Sie standen außerdem einer Vertiefung der bilateralen deutsch-britischen Beziehungen im Wege.

Mit der Einigung auf das sogenannte Windsor Framework im Februar 2023, mit dem sich die britische Regierung gegenüber der Europäischen Union zur vollständigen Umsetzung des Austrittsabkommens bekannte und dem Vereinigten Königreich zugleich einige Erleichterungen eingeräumt wurden, wurde auch der Weg für einen weiteren Ausbau der deutsch-britischen Beziehungen frei.

Das Windsor Framework – Grundlage für eine intensivere bilaterale Zusammenarbeit ab 2023

Am 27. Februar 2023 haben sich die Europäische Kommission und die britische Regierung auf das so genannte Windsor Framework zur Umsetzung des Nordirland-Protokolls geeinigt. In den vorangegangenen Jahren hatte es Diskussionen darum gegeben, dass die britische Regierung die Regelungen des Austrittsabkommens zum besonderen Status Nordirlands und hier insbesondere die Verpflichtung zu Zollkontrollen in der Irischen See nicht umgesetzt hatte. Diese Kontrollen waren zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich vereinbart worden, um die aus politischen Gründen nicht realisierbare Errichtung einer Zollgrenze auf der irischen Insel infolge des Austritts des Vereinigten Königreichs aus dem EU-Binnenmarkt zu vermeiden.

Mit dem Windsor Framework hat sich die britische Regierung (erneut) verpflichtet, die Regelungen des Austrittsabkommens zu respektieren; im Gegenzug wurden gewisse Erleichterungen vereinbart, vor allem in den Bereichen Zoll, Kontrollen von Gesundheit und Pflanzenschutz sowie Tiergesundheit, und auch eine verstärkte Einbindung der nordirischen Institutionen und Zivilgesellschaft. Die Umsetzung vollzieht sich etappenweise bis Ende 2027. Erleichterungen werden graduell eingeführt, sofern das Vereinigte Königreich die jeweils vereinbarten Garantien erbringt. Eine erste Stufe an Erleichterungen – der Wegfall der Pflicht für bestimmte Wirtschaftsakteure, Zölle zu entrichten – wurde von der Europäischen Kommission zum 1. Oktober 2023 freigegeben; die nächste Stufe ist aktuell für Oktober 2024 vorgesehen. Das Windsor Framework und damit die Anerkennung der vollständigen Umsetzung des Austrittsabkommens durch das Vereinigte Königreich haben die Grundlage für eine intensivere bilaterale Zusammenarbeit gelegt. Das BMWK und die britische Regierung haben die sich daraus ergebende Chance direkt ergriffen.

Energie als zukunftsträchtiger Bereich für Kooperation

Der Bereich Energie ist besonders vielversprechend für eine verstärkte deutsch-britische Kooperation. Beide Länder stehen vor ähnlichen Herausforderungen. Für Deutschland ist eine Zusammenarbeit mit dem Vereinigten Königreich vor allem aufgrund der dort verfügbaren Potenziale und Erfahrungen im Bereich Offshore-Windenergie von Interesse. Das Vereinigte Königreich verfolgt ehrgeizige Ausbau-Ziele von bis zu 50 GW (Gigawatt) bis 2030, mehrere Verbindungsleitungen sind im Bau beziehungsweise in Planung. Vielversprechend sind auch künftige hybride Kooperationsprojekte mit dem Vereinigten Königreich, die Offshore-Windparks mit Interkonnektoren verbinden. Das Vereinigte Königreich plant außerdem, perspektivisch Exporteur von grünem Wasserstoff zu werden, und zeigt Interesse an einer Zusammenarbeit im Bereich CCU/CCS (Carbon Capture and Utilization bzw. Carbon Capture and Storage, also die Abscheidung und anschließende Weiternutzung oder Speicherung von Kohlenstoffdioxid).Im Bereich der Energiepolitik liegt die Zuständigkeit – anders als z. B. bei der Handelspolitik – größtenteils bei den Mitgliedstaaten, nicht bei der Europäischen Union. Das Handels- und Kooperationsabkommen, welches den Rahmen für die bilaterale Zusammenarbeit setzt, lässt somit Raum für die bilaterale Ausgestaltung. Vor diesem Hintergrund konnten in den vergangenen Monaten zwei wichtige Vereinbarungen mit der britischen Regierung abgeschlossen werden:

Am 26. September 2023 haben BMWK-Staatssekretär Philipp Nimmermann und der zuständige Staatssekretär des britischen Ministeriums für Energiesicherheit und Klimaneutralität, Lord Callanan, eine gemeinsame Absichtserklärung für eine vertiefte Zusammenarbeit im Bereich Wasserstoff unterzeichnet. Vereinbart wurde u. a. ein Austausch zu rechtlichen Rahmenbedingungen, eine Zusammenarbeit bei Forschung und Innovation und die Förderung von Handelsmöglichkeiten. Als Auftakt der vertieften Zusammenarbeit fand am 26. September 2023 in Berlin eine Wasserstoffkonferenz statt, deren Schwerpunkte die Entwicklung der Wasserstoffinfrastruktur in Europa und im Besonderen zwischen Deutschland und dem Vereinigten Königreich sowie eine erste Bestandsaufnahme der Wasserstoffindustrie in beiden Ländern waren.

Am 2. und 3. November 2023 reiste Vizekanzler Robert Habeck nach London und unterzeichnete dort gemeinsam mit der britischen Ministerin für Energiesicherheit und Klimaneutralität, Claire Coutinho, eine Rahmenvereinbarung für eine deutsch-britische Zusammenarbeit in den Bereichen Energie und Klima. Neben der bereits im September vereinbarten Zusammenarbeit im Bereich Wasserstoff wurden hiermit weitere Themen festgelegt, zu denen man sich jeweils vertieft austauschen will. Dies sind die Bereiche Erneuerbare Energien (Offshore), CCUS, Energiesicherheit und Grüne Transformation/Net-Zero-Technologien. Die Schwerpunkte der Zusammenarbeit in den einzelnen Bereichen sollen in einem jährlich vereinbarten Arbeitsprogramm konkretisiert werden.

Mit der Kooperation beabsichtigen beide Länder, ihre Energieresilienz zu stärken, sichere, nachhaltige und bezahlbare saubere Energie, vor allem aus erneuerbaren Quellen, für die Energieverbraucher beider Länder bereitzustellen, die industrielle und regionale Entwicklung zu unterstützen und alle Treibhausgasemissionen zu reduzieren, um bis spätestens 2045 (Deutschland) beziehungsweise 2050 (Vereinigtes Königreich) Klimaneutralität zu erreichen.

Neuer Schwung für die deutsch­-britischen Beziehungen
Quelle: BMWK

Fazit

Das Jahr 2023 war ein gutes Jahr für die bilateralen deutsch-britischen Beziehungen und hat diesen eine neue Dynamik verliehen. Es besteht Potenzial für den weiteren Ausbau der bilateralen Kooperation. Bei einer Fortsetzung der guten Beziehungen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich könnten neben der Energiepolitik weitere Bereiche der intensivierten deutsch-britischen Zusammenarbeit folgen.


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