06.07.2022 •

Amtshilfe der Bundeswehr am Beispiel des Vegetationsbrandes Lübtheen

C. Haseloff, S. Nothing

Anne Weinrich/Bundeswehr

Als die Berliner Bevölkerung am Morgen des 1. Juli 2019 die Fenster für Frischluft und Abkühlung öffnete, schlug den meisten gleich ein strenger Geruch in die Nase. Grund dafür war ein riesiger Vegetationsbrand in Mecklenburg-­Vorpommern. Die Winde trieben Ruß und Asche bis nach ­Berlin hinein.

Der Vegetationsbrand war auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz Lübtheen im Landkreis Ludwigslust-Parchim am 28. Juni ausgebrochen. Die Behörden gaben zunächst Entwarnung und teilten mit, das Feuer sei gelöscht. In der Nacht auf Montag brach der Brand aber erneut aus. Betroffen waren inzwischen 430 Hektar Waldgebiet.

Die regionalen Feuerwehrkräfte stießen bei der Bekämpfung des Brandes an ihre Grenzen, denn das Areal des ehemaligen Truppenübungsplatzes gilt bis heute als Munitionsbelastet. Aufgrund dessen und da die Mittel zur weiteren Brandbekämpfung erschöpft waren, rief der Landkreis Ludwigslust-Parchim den Katastrophenfall aus und stellte einen Antrag auf Amtshilfe durch die Bundeswehr. Was aber heißt das?

Amtshilfe: fest verankert im Grundgesetz

„Alle Behörden des Bundes und der Länder leisten sich gegenseitig Rechts- und Amtshilfe“, heißt es in Artikel 35 Absatz 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland. Im Allgemeinen bedeutet das, dass auf dieser Grundlage die Bundeswehr gegenüber anderen Behörden Amtshilfe in vielfältiger Art und Weise leistet – sowohl in den eingesetzten Fähigkeiten als auch in Bezug auf den zeitlichen und personellen Ansatz. Hierbei kann der Umfang der Unterstützungsleistungen von einer einfachen Telefonauskunft bis hin zum Aufbau eines Behelfskrankenhauses variieren. Ebenso unterschiedlich wie die eingesetzten Fähigkeiten sind die Hintergründe der Amtshilfe.

Unterstützungsleistungen beziehungsweise Hilfeleistungen der Bundeswehr im Rahmen von Vegetationsbränden sind Amtshilfe für Behörden. Daneben könnte in Notfällen auch sogenannte Soforthilfe zugunsten Privater geleistet werden. Die Hilfeleistung folgt stets dem Subsidiaritätsprinzip. Das heißt, erst wenn die erforderliche Hilfe durch die eigentlich zuständigen Behörden der Gefahrenabwehr beziehungsweise des Katastrophenschutzes nicht oder nicht rechtzeitig erbracht werden kann, darf die Bundeswehr eingesetzt werden. Im Fall des Vegetationsbrandes von ­Lübtheen stießen die zuständigen und eingesetzten regionalen Kräfte, wie geschildert, an ihre Grenzen, sodass der Landkreis sich dazu entschloss, Amtshilfe zu beantragen.

Die Bundeswehr unterstützt die Vegetationsbrandbekämpfung auf dem ehemaligen...
Die Bundeswehr unterstützt die Vegetationsbrandbekämpfung auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz Lübtheen im Landkreis Ludwigslust-Parchim in Mecklenburg-Vorpommern
Quelle: Steffen Zilling/Bundeswehr

Was kann Amtshilfe beinhalten und wer ist beteiligt?

Maßgeblich sind die Rechtzeitigkeit und der ausreichende Umfang der Hilfeleistung. Hierbei handelt es sich um Hilfeleistung in Form von Amtshilfe als technisch-logistische Unterstützung auf Grundlage des Artikel 35 Absatz 1 GG. Der entstandene Aufwand ist durch den Antragsteller grundsätzlich gemäß Paragraph 8 Absatz 1 Satz 2 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) zu erstatten. Ausnahme bildet hier die Amtshilfe für Behörden der unmittelbaren Bundesverwaltung, wie zum Beispiel des Bundesforsts. Hier erfolgt wegen derselben Rechtsträgerschaft keine Auslagen­erstattung.

In der Regel geht einem Amtshilfeersuchen bei Vegetationsbränden eine Meldung auf dem territorialen Strang der Streitkräftebasis voraus. Das heißt, über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt befinden sich 31 Bezirks- (BVK) und 404 Kreisverbindungskommandos (KVK). Diese sind mit zumeist ortsansässigen Reservisten besetzt und zuständig für frühzeitige Beratung der zivilen Verantwortungsträger und damit für die zivil-militärische Zusammenarbeit die Augen und Ohren vor Ort. Diesen Verbindungskommandos übergeordnet, ist in jedem der 16 Bundesländer ein Landeskommando (LKdo) mit einem eigenen Lagezentrum in der jeweiligen Landeshauptstadt angesiedelt, welches die jeweils oberste territoriale Kommandobehörde der Bundeswehr in einem Bundesland darstellt. Diese 16 Landeskommandos sind wiederum direkt dem Kommando Territoriale Aufgaben der Bundeswehr (KdoTerrAufgBw) in Berlin unterstellt. Im Falle einer entsprechenden Großschadenslage – in diesem Falle exemplarisch ein Vegetationsbrand – wird durch das Personal des BVK/KVK der zivile Katastrophenschutzstab oder vergleichbar über die Möglichkeiten der Unterstützung durch die Bundeswehr beraten.

Zudem ist das entsprechende Verbindungskommando auch dafür zuständig, ein entsprechendes Lagebild zu führen und dies im Rahmen territorialer Meldungen über das jeweilig zuständige Landeskommando an das durch das Kommando Streitkräftebasis federführend beauftragte Kommando in Berlin zu leiten. In der Operationszentrale laufen rund um die Uhr alle Informationen zusammen und werden über den unmittelbaren „Draht“ zum Kommando Streitkräftebasis, mit dem Inspekteur der Streitkräftebasis und Nationalen Territorialen Befehlshaber in Personalunion an der Spitze verfügt. Teilweise sind Verfasser entsprechender Meldungen auch andere Dienststellen, oder das regional zuständige Landeskommando selbst.

Voraussetzungen: vom Antrag zur Amtshilfe

Im Zuge der Beratung durch das BVK/KVK und damit auch der Vorstellung von Einsatzoptionen der Bundeswehr wird im ­weiteren Verlauf ein Amtshilfeantrag von ziviler Seite (Behörde) gestellt. Dieser Hilfeleistungsantrag wird über das zuständige Landeskommando an das Kommando Territoriale Aufgaben der ­Bundeswehr übermittelt.

Hier erfolgt die umgehende Bearbeitung des Amtshilfeantrages: Im Zuge der Amtshilfe wird geprüft, ob die entsprechende ­Ressource tatsächlich bereitgestellt werden kann. Ebenso erfolgt hier eine Prüfung auf rechtliche Zulässigkeit des beantragten Vorhabens.

Im Verfahren ist stets wichtig, dass eine konkrete Fähigkeit angefordert wird, also das „Was“ und „Wozu“ hinreichend im Antrag beschrieben wird. Ebenso hat sich der Antragsteller konkret im Amtshilfeantrag über das „Wo“, das „Wann“ und das „Wie lange“ zu äußern. Sollte im Vorfeld keine Ressourcenprüfung eingeleitet und abgeschlossen worden sein, prüft das durch den Nationalen Territorialen Befehlshaber beauftragte Kommando diesen Punkt und tritt so, zum Beispiel bei der Fähigkeit „Löschen aus der Luft“ unter anderem an das Zentrum Luftoperationen der Luftwaffe heran. Dort wird geprüft, ob die geforderte Ressource bereitgestellt werden kann und wenn ja, in welchem Umfang.

Nach positiver Prüfung - bedeutet rechtliche Zulässigkeit und Ressourcen sind verfügbar - und Billigung des Amtshilfeantrages kann die Amtshilfe beginnen. Die entsprechende Entscheidung wird allen beteiligten Dienststellen übermittelt.

Transporthubschrauber CH-53 befüllt den 5000 Liter Wasserbehälter Smokey für...
Transporthubschrauber CH-53 befüllt den 5000 Liter Wasserbehälter
Smokey für die Waldbrandbekämpfung
Quelle: Marc Tessensohn/Bundeswehr

Vorab Alarmierung des Hubschraubergeschwaders 64

So geschehen am 1 Juli 2019 als der Auftrag zur Durchführung der Vegetationsbrandbekämpfung an die Lufttransportgruppe des Hubschraubergeschwader 64 in Schönewalde erfolgte. Daraufhin wurde das benötigte Personal, wie Piloten, Bordtechniker und technisches Personal alarmiert. Zusammen mit dem Personal des Fliegerhorstes und der Fliegerhorstfeuerwehr begannen hier­auf die Vorbereitungen auf den Vegetationsbrandeinsatz, welcher vorläufig auf drei Tage begrenzt war.

Aktuell verfügt die Bundeswehr über zwei Hubschraubertypen die zur Bekämpfung von Bränden mit Außenlast eingesetzt werden können. Das sind zum einen der schwere Transporthubschrauber CH-53 und der Mehrzweckhubschrauber NH90. Das Heer nutzt den Mehrzweckhubschrauber NH90, welcher einen Löschwasser-Außenlastbehälter mit einem Fassungsvermögen von 2.000 Litern vom Typ „Bambi Bucket“ tragen kann. Die Luftwaffe bringt den Transporthubschrauber CH-53 samt einem Behälter mit einem Fassungsvermögen von 5.000 Litern vom Typ „Smokey I“ zum Einsatz.

Bei der angeforderten Fähigkeit „Löschen aus der Luft“ ist es jedoch nicht ausreichend, sich auf die Bereitstellung der Hubschrauber an sich zu beschränken, da darüber hinaus weitere Aspekte zu beachten sind, wie etwa Ort und Art der Wasseraufnahme: gibt es offenes Gewässer oder ist die Befüllung durch Bodenkräfte möglich, wann sind Flugpausen der Piloten einzuhalten, ist die Betankung der Luftfahrzeuge vor Ort möglich, ist der Einsatzort Wald- und Offenlandfläche, Gebirge oder wie im Vegetationsbrand von Lübtheen kampfmittelbelastete Fläche?

Der erste von zwei Hubschraubern CH-53 (in der Variante GA) startete am 1. Juli um 07:55 Uhr vom Fliegerhorst in Richtung des 222 Kilometer entfernten Einsatzziels. Es folgte ein zweiter Hubschrauber zur Unterstützung. Beide Maschinen waren circa sechs Stunden am Einsatzort in der Nähe des Truppenübungsplatzes Lübtheen und flogen hierbei 60 Löschangriffe mit einem gesamten Wasservolumen von 200.000 Litern. Die Koordinierung vor Ort erfolgte durch den zivilen Einsatzleiter und einem Verbindungsoffizier der Lufttransportgruppe. Dieser weist Piloten in Gefahren und Risiken, sowie die Art des Feuers vor Ort ein. Die Piloten bewerten dann selbstständig den Löscheinsatz. Glutnester gelten zum Beispiel als unproblematisch, Stichflammen hingegen sind problematisch, da sie starke Turbulenzen durch die Hitze verursachen und somit ein Auftriebsverlust des Hubschraubers möglich wäre.

Fast 1,2 Millionen Liter Wasser in drei Tagen aus der Luft

Die Wasseraufnahme erfolgte hierbei, wie auch in den zwei Folgetagen aus dem Waldbad Jesar-Probst, welches in der Nähe des Einsatzortes liegt und tief genug für den fast 3 Meter hohen Löschwasserbehälter „Smokey“ war. Immer wieder knallte es laut, als alte Munition, welche noch im Boden lag, explodierte. Der Sicherheitsabstand galt auch für die Rettungskräfte. Das heißt, weder die zivilen noch die militärischen Kräfte konnten näher als 1.000 Meter an das Feuer heran. Die CH-53 wurden deshalb genutzt, um Wasser an den Brandrändern abzuwerfen, wie Andreas Bonin, Pressesprecher des Landkreises Ludwigslust-Parchim erklärte. Eine weitere Ausbreitung des Feuers sollte so verhindert werden.

„Für den Einsatz der beiden CH-53 sind wir wahnsinnig dankbar“, sagte Bonin im Juli 2019. „Es ist sehr hilfreich und eine unglaublich gute Geschichte.“ Die rund 5.000 Liter Wasser, die eine CH-53 mit dem Löschbehälter „Smokey“ abwerfen kann, waren nun dringend nötig. Am 2. Juli waren ebenfalls zwei Hubschrauber CH-53 im Einsatz. Sie flogen an diesem Tag insgesamt 108 Löschangriffe mit einer Wassermenge von 540.000 Litern. Am 3. Juli, dem letzten Einsatztag, erfolgte ebenfalls der Einsatz von zwei Maschinen, welche hierbei 70 Löschangriffe mit einer Wassermenge von 350.000 Litern flogen.

Insgesamt wurden in den drei Tagen circa 1.190.000 Liter Wasser über dem Zielgebiet abgeworfen. Zudem kamen die insgesamt drei eingesetzten Hubschrauber auf 37 Flugstunden. Die Hubschrauber und der eingesetzte Bergepanzer haben neben den eingesetzten zivilen Kräften entschieden dazu beitragen können, den Vegetationsbrand unter Kontrolle zu bringen. 


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