Notrufinformationssystem der Björn Steiger Stiftung

Manolito Leyeza

Am 7. Juli 1969 nach dem Unfalltod von Björn Steiger als gemeinnützige Organisation gegründet, ist die Björn Steiger Stiftung federführend in der Entwicklung der deutschen Notfallhilfe. Seit über 45 Jahren unterstützt und entwickelt die Stiftung viele Initiativen, welche die Notfallhilfe in Deutschland kontinuierlich verbessert haben. 

Dazu gehören beispielsweise die Einführung der bundesweit kostenfreien Notrufnummer 110/112, der Aufbau der Notruftelefonnetze an deutschen Straßen, die Einführung des Sprechfunks im Krankenwagen, der Aufbau der Luftrettung und die Entwicklung und Finanzierung der Baby-Notarztwagen. 

Mit der zunehmenden Verbreitung des Mobilfunks nahm die Nutzung der Notruftelefone immer weiter ab. Dadurch entstand jedoch ein neues Problem in den Notrufleitstellen: Die Nutzer der Mobilfunktelefone konnten zum Teil keine Angaben darüber machen, wo genau sie sich befinden. Aus diesem Grund entwickelte die Björn Steiger Stiftung eine webbasierte Anwendung, mit der Mobilfunktelefone geortet werden konnten. 2006 stellte sie diese Handy-Ortung allen Notrufleitstellen der 110 und 112 kostenfrei zur Verfügung. 

Ende 2012 musste der Betrieb der Ortungsplattform eingestellt werden. Grund hierfür war eine Änderung im Telekommunikationsgesetz (TKG). Diese Änderung schreibt vor, wie in Notfällen der Standort eines Notrufenden an die zuständige Notrufleitstelle übermittelt wird. Aus Sicht der Björn Steiger Stiftung sind diese Verfahren jedoch in der Praxis unzureichend, was mit zunehmender Erfahrung auch von den Notrufleitstellen bestätigt wird. Mit dem heutigen Stand der Technik können bessere Ortungsergebnisse erzielt werden. 

Bessere Ortung

Die im aktuellen TKG beschriebenen Verfahren sind nur in der Lage, die Mobilfunkzelle des Notrufenden zu bestimmen. In urbanen Gegenden haben solche Funkzellen einen Radius zwischen 200 - 600 Metern. In ländlichen Gebieten vergrößert sich der Radius auf bis zu sechs Kilometer. Demnach liefern diese Verfahren den Notrufleitstellen nicht viel mehr, als eine ungefähre Ahnung davon, wo sich der Notrufende aufhält. Zusammen mit Angaben, die der Notrufende eventuell noch machen kann, ist es möglich ihn zu finden. Doch was passiert, wenn der Notrufende keine Angaben mehr machen kann? Oder er sich in einem Gebiet aufhält, in dem es kaum brauchbare markante Orientierungspunkte gibt? 

Das neue Notrufinformationssystem der Björn Steiger Stiftung – PSAP-EIS (Public Safety Answering Point – Emergency Information System) – setzt hier auf  unterschiedliche Technologien, um eine Verbesserung des Ortungsergebnisses zu erreichen. Hierbei stellt die Funkzelle die unterste Qualitätsstufe dar. 

Die nächsthöhere Qualitätsstufe ist eine Abfrage der Mobilfunknetze, die den Fehlerradius und damit das mögliche Suchgebiet reduziert. Die höchste Qualitätsstufe stellt die Standortbestimmung mittels GPS (Global Positioning System) dar. Nahezu jedes Smartphone ist mit einem GPS-Modul ausgestattet und kann damit den Standort bis auf wenige Meter genau bestimmen. 

Das Notrufinformationssystem der Björn Steiger Stiftung implementiert nun eine Technik, die den Notrufleitstellen genau diese Standortdaten verfügbar macht – ohne, dass hierfür eine App auf dem Smartphone installiert sein muss. 

Auf Seiten des Smartphones wird dies mit den Bordmitteln des Geräts erreicht. Dabei muss jedoch das Mobilfunktelefon über eine Datenverbindung zum Internet verfügen – egal ob über Mobilfunk oder WiFi-Hotspot – und der Notrufende muss noch in der Lage sein mit dem Smartphone zu interagieren. Dies ist notwendig, da er einen Link öffnen muss, den das Notrufinformationssystem per SMS verschickt hat. Zusätzlich fragt der Internet Browser des Smartphones, ob er den Standort des Mobilfunktelefons ermitteln darf. 

Trotz dieser Einschränkungen ist dieses Ortungsverfahren sehr nützlich für die Notrufleitstellen. 

Gerade in touristischen Gebieten, in denen Besucher vielen Outdoor-Aktivitäten nachgehen, kann dieses Ortungsverfahren zum schnellen Auffinden in Not geratener Personen beitragen.

Ein ortsfremder Wanderer, der gestürzt ist und wegen eines gebrochenen Beins nicht mehr laufen kann, hat die Möglichkeit mit Hilfe dieses Verfahrens sehr schnell seinen genauen Standort an die Notrufleitstelle zu übermitteln. Die Rettungskräfte müssen nicht lange nach dem Verunglückten suchen und können ihn in kürzerer Zeit medizinisch versorgen.

BSS Notrufinformationssystem und seine Vorteile

Textbasierter Notruf

Menschen mit eingeschränktem Sprach- und Hörvermögen sollten ebenfalls in der Lage sein, einen Notruf absetzen zu können. Bisher berücksichtigt das TKG nur den Faxnotruf. Aus diesem Grund hat sich die große Koalition zum Ziel gesetzt, modernere Formen der textbasierten Kommunikation verfügbar zu machen. 

Genau hier setzt das Notrufinformationssystem der Björn Steiger Stiftung an. Verschiedene Formen der textbasierten Kommunikation werden bereits unterstützt. So ist es mit einem einfachen Mobilfunktelefon möglich, per SMS einen Dialog mit der Notrufleitstelle zu führen. Zusätzlich ist die Verwendung einer App vorgesehen, die auch das Übermitteln von Bildern, Filmen oder Tonaufzeichnungen ermöglicht. 

Derzeit wird an der Nutzung von gängigen Instant Messaging Diensten, wie z. B. WhatsApp, gearbeitet. Anders als beim bisher verfügbaren Faxnotruf, sind all diese Lösungen in der Lage einen Dialog zwischen dem Notrufenden und der Notrufleitstelle zu ermöglichen. 

Vor dem Hintergrund der Geschehnisse in der Silvesternacht auf dem Kölner Bahnhofsvorplatz ist eine solche diskrete Art der Kommunikation mit der Notrufleitstelle generell von Vorteil. Zeugen können in derartigen Situationen Foto- und Filmaufnahmen an die Notrufleitstelle übermitteln, ohne sich selbst in Gefahr zu begeben. So kann sich die Notrufleitstelle schnell ein Bild von der Situation machen. 

Digitale Informationsquellen

Das Notrufinformationssystem der Björn Steiger Stiftung nutzt auch andere Quellen, um den Disponenten mit nützlichen Informationen zu versorgen. Zwei Beispiele hierfür sind die Anbindungen an Notfallakten und soziale Netzwerke. 

In einer Notfallakte kann eine Person notfallrelevante Daten über sich speichern. Hierzu zählen Allergien und Medikamentenunverträglichkeiten, Erkrankungen, akute Behandlungen und Notfallkontakte. Eine einfache und kostenlose Notfallakte soll zukünftig von der Björn Steiger Stiftung angeboten werden. 

Aber auch Anbieter von Patientenakten, die den Notrufleitstellen deren notfallrelevanten Teil zur Verfügung stellen wollen, können dies über die Plattform der Björn Steiger Stiftung tun. Im Falle eines Notrufs kann die Notrufleitstelle auf diese Daten zugreifen und die Einsatzkräfte bereits auf dem Weg zum Einsatzort umfassend informieren. 

Bei der Anbindung sozialer Netzwerke ist bereits eine Anbindung an Instagram realisiert.

 Führt eine Notrufleitstelle die Standortbestimmung eines Mobilfunktelefons durch, kann sie zusätzlich bei Instagram abfragen, welche Bilder zu diesem Standort in den letzten 30 Minuten hochgeladen wurden.

Die Silvesternacht am Kölner Hauptbahnhof kann auch hier als mögliches Anwendungsbeispiel dienen. Die Notrufleitstelle hätte sich in diesem Fall sehr schnell einen Überblick über die ­Situation vor Ort machen können.

Datenschutz

Ein sehr wichtiges Thema für das Notrufinformationssystem der Björn Steiger Stiftung ist der Schutz persönlicher Daten. Dieser wird dadurch gewährleistet, dass nur die Disponenten der öffentlichen Notrufleitstellen Zugriff auf das System erhalten. Aber auch die Nutzung des Systems wird durch das System ständig überwacht und protokolliert. 

So ist es für Disponenten nicht möglich unbemerkt Standortbestimmungen von Mobilfunktelefonen durchzuführen. Dem betroffenen Mobilfunkteilnehmer wird die Ortung mittels SMS mitgeteilt. Er wird darüber informiert, welche Notrufleitstelle die Ortung veranlasst hat und welcher Grund für die Ortung angegeben wurde. Auch der Abruf einer Notfallakte wird dem Besitzer der Akte mitgeteilt. 

Ausblick

Die Björn Steiger Stiftung wird auch künftig den Funktionsumfang der Plattform kontinuierlich weiterentwickeln, um noch weitere Informationsquellen zu erschließen und neue Technologien für die Notrufleitstellen verfügbar zu machen. Getreu dem Motto „Wir helfen Leben retten“ verfolgt sie so weiterhin ihr Ziel, die Notfallrettung in Deutschland zu verbessern.  

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