31.10.2019 •

Spezialisten für Höhen und Tiefen

Heinz Neumann

Mikkos Laubert

Ungefähr alle sechs Minuten rückt die Kölner Feuerwehr im Durchschnitt aus, um Menschen und Tieren zu helfen und Sachwerte sowie die Umwelt zu schützen. Im Jahr 2017 zum Beispiel bedeutete dies ganz konkret: Bei Kölner Feuerwehreinsätzen wurden über 1400 Menschen gerettet. Hinzu kamen annähernd 10 Prozent der Bevölkerung, die im Rahmen von Rettungsdiensteinsätzen teilweise lebensrettende medizinische Hilfe bekamen. Auch Spezialisten wie die Höhenrettungsgruppe blickten auf ein ereignisreiches Jahr zurück. Die überörtlichen Einsatzanforderungen nahmen zu und kamen sogar aus anderen Regierungsbezirken wie z. B. Arnsberg im Sauerland oder dem benachbarten Bundesland Rheinland-Pfalz.

Augenblick mal, hier ist die Rede von einer Höhenrettungsgruppe der Kölner Feuerwehr? Eine solche Gruppe würde man spontan wohl eher in die Alpen verorten. Gibt es in Köln überhaupt Berge? Was sind das für Einsätze, die eine Höhenrettungsgruppe einer Großstadt-Feuerwehr im Flachland durchführt?

Spezialisten für Höhen und Tiefen
Quelle: Mikkos Laubert

Höhenrettungsspezialisten wurden bei den Feuerwehren etwa ab den 1970iger Jahren in größerer Zahl ausgebildet, als klar wurde, dass Einsätze in hohen Gebäuden, aber auch in großen Tiefen, eine Herausforderung für Feuerwehren darstellen. Für eine Drehleiter sind Einsätze maximal bis zum 6. oder 7. Stock durchführbar. Danach bleiben nur noch Sprungpolster, um Gefährdete zu retten, wenn das Treppenhaus nicht mehr passierbar ist. Einsätze machen neben Bränden Unfälle in Türmen notwendig, aber auch auf Kränen, Suizidversuche in großer Höhe oder Kletterunfälle in Höhen oder Tiefen in Schächten, Höhlen etc. Der Gesetzgeber schreibt teilweise sogar diese Fähigkeiten bei Feuer­wehren vor. Allerdings können das nur größere Feuerwehren leisten. Sowohl Ausrüstung als auch Ausbildung und ständige Fortbildung und Leistungsnachweise sind sehr aufwendig. Neben den Feuerwehren unterhalten in Deutschland noch die Hilfs­organisationen, die Bergwachten natürlich und das THW spezielle Gruppen für die Höhenrettung.

Die Höhenrettungseinheit Kölner BF genießt einen ausgezeichneten Ruf, der plötzlich weltweit im Fokus stand, als es am 30.7.2017 zu einer Gefahrenlage in der Kölner Seilbahn über den Rhein kam.

Über 60 Personen, davon 20 Kinder und Jugendliche, waren an diesem Sonntagnachmittag von einem Sicherheits-Stopp der Kölner Seilbahn betroffen, der alle 32 Gondeln sofort in ihrer Position über dem Ufer und dem Rhein stoppte. Eine Gondel hatte sich beim Einfahren in die linksrheinische Bodenstation in einem Hilfsseil verfangen. Eine Aufhebung der Störung war laut der Kölner Verkehrsbetriebe nicht mehr möglich. Daraufhin wurden neben den im Dienst befindlichen Höhenretter auch alle dienstfreien Kräfte der Höhenrettung alarmiert und begannen mit der Rettung der festsitzenden Menschen, die in 36 Meter Höhe teilweise über dem Rhein ausharrten. Im weiteren Verlauf mussten zusätzlich weitere Spezialkräfte aus Aachen, Düsseldorf, Dortmund, dem Oberbergischen Kreis und der RWE Werkfeuerwehr angefordert werden.

Gemeinsam gelang es, alle Personen zu retten. 24 Gondeln konnten dabei nur durch Höhenretter erreicht werden. Besonders schwierig war die Rettung der Personen, die über dem Rheinstrom festhingen. Ein Löschboot musste dazu auf der Stelle manövrieren – bei der Rheinströmung nicht einfach! Auch aus den acht Gondeln, die von Drehleitern und Gelenkmasten aus erreicht wurden, gelang es, alle restlichen Passagiere zu bergen.

Typische Einsätze einer Höhenrettungsgruppe

2017 wurde die Kölner Höhenrettung zu 108 Einsätzen gerufen. Insgesamt konnten 98 Menschen aus den unterschiedlichsten Notsituationen gerettet werden. Leider konnten zwei Menschen nur noch tot geborgen werden.

Januar 2017: Bei Arbeiten an einer Deckentraverse im Festsaal der Kölner Flora hatte sich aus noch ungeklärten Gründen eine Scherenarbeitsbühne in eine bedrohliche Schieflage begeben. Zwei Personen, die sich auf der Arbeitsplattform befanden, konnten aus eigener Kraft die Bühne nicht mehr absenken. In etwa 5 Metern Höhe verharrte das Gerät in einem labilen Gleichgewicht. Durch die ersteintreffenden Kräfte der Feuerwehr Köln wurden im potenziellen Fallbereich des Arbeitsgerätes Sprungpolster aufgebaut, damit bei einem Sturz von der Bühne eine Auffangmöglichkeit für die Personen bestand. Im nächsten Schritt wurde das Fahrwerk dieser Arbeitsbühne mit Rüsthölzern und Holz­keilen stabilisiert, so dass ein unkontrolliertes Wegrollen verhindert wurde. Danach konnte die Bühne mit zwei Seilen gesichert werden, so dass ein Umstürzen in die Neigungsrichtung unterbunden wurde. Mit einer weiteren Hebebühne konnte ein Höhenretter der Feuerwehr Köln zu den in der gefährlichen Situation befindlichen Personen gelangen und ihnen ein Sicherungsgeschirr anlegen. Mit Abseiltechnik konnten dann beide Personen sicher auf den Boden des Festsaals gelangen.

April 2017: Höhenretter der Feuerwehr Köln seilten sich vom Uni-Center ab und retten zwei Fensterreiniger aus 120 Metern Höhe, nachdem ein Notruf die Leitstelle der Feuerwehr Köln erreichte.

Spezialisten für Höhen und Tiefen
Quelle: Mikkos Laubert

Die Leitstelle der Feuerwehr Köln entsandte umgehend einen Löschzug, den Rettungsdienst, den Führungsdienst der Brand­direktion sowie die Höhenrettungsgruppe zur Einsatzstelle. Als erste Kräfte eintrafen, hing die Gondel des Fassadenaufzugs auf Höhe der 41.Etage. Zu den zwei Fensterreinigern konnte der Kontakt aus einer Wohnung heraus aufgenommen werden. Sie konnten den Aufzug jedoch trotzdem nicht unmittelbar verlassen, da das Fenster, vor dem die Gondel hing, nicht geöffnet werden konnte. Die zwei Männer, 20 und 40 Jahre alt, waren zu diesem Zeitpunkt unverletzt und wohlauf, jedoch sichtlich verängstigt von ihrer “Schieflage“.

Im weiteren Verlauf seilten sich Einsatzkräfte der Höhenrettungsgruppe vom Dach des 134 Meter hohen Wohnhochhauses zu der auf circa 120 Meter befindlichen Gondel ab. Sie stiegen in die Gondel zu den zwei Fensterreinigern, versahen diese mit einem Sicherungsgeschirr und seilten sie anschließend nacheinander mit einem Höhenretter zusammen ein Stockwerk tiefer in ein geöffnetes Fenster in der 40. Etage ab.

Juli 2017: Auf dem Werksgelände einer Firma kollabierte ein Mitarbeiter auf einem Baugerüst in 80 Meter Höhe. Der bereits versorgte Patient wurde beim Eintreffen der Spezialkräfte in eine Schleifkorbtrage gebettet, um danach unter Begleitung eines Höhenretters abgeseilt zu werden. Nachdem der sichere Boden erreicht werden konnte, erfolgte der Transport zum Krankenhaus.

Neustadt (Wied), Oktober 2017: Ein Gleitschirmflieger verfing sich in einem Baum. Es kam dadurch zu einem überörtlichen Einsatz der Kölner im Regierungsbezirk Neustadt/Wied in Rheinland-Pfalz. Der Gleitschirm hatte sich im Außenastbereich verfangen, die Person hing in etwa 10 Meter Höhe an einer schwer zugänglichen Stelle. Zunächst wurde von einem Höhenretter eine Umlenkung in einer Gabelung des Baumes geschaffen. Danach wurde ein Seil über den Gleitschirmflieger gespannt, um ihn so aus seiner unsicheren Lage zu befreien. Er konnte unverletzt dem Rettungsdienst übergeben werden.

Finnentrop/Sauerland, Dezember 2017: Höhenretter befreien Jugendliche aus einem alten Steinbruch. Die Kreisleitstelle hatte gemeldet, dass zwei Personen in der Steilwand in eine „hilflose Lage“ geraten seien. Umfangreiche Kräfte aus den umliegenden Orten kamen zum Einsatz unter anderem mit einer Seilausrüstung, die in der Gemeinde Finnentrop gelagert wurde.

Außerdem rückten eine Drehleiter sowie der Notarzt, zwei Rettungswagen und die Polizei zum früheren Steinbruch aus. Gut gesichert wurde hier ein Feuerwehrmann an der Steilwand hinab in den Hang gelassen, wo ein Siebzehnjähriger und seine gleichaltrige Freundin festsaßen. Sie waren nach ersten Erkenntnissen über die obere Kante einer Felswand geklettert, ein Stück weit abgerutscht und konnten weder vor noch zurück. Die örtlichen Feuerwehrkräfte konnten nur konstatieren, dass beiden Jugendlichen unverletzt waren und mussten dann selbst Hilfe für die Bergung anfordern.

Diese kam schließlich in Form von sechs Höhenrettern aus der Domstadt. Mit drei Fahrzeugen und der entsprechenden Ausrüstung stiegen sie von oben in den Hang ein. Die beiden Verunglückten konnten hangabwärts gerettet werden. Als besonders schwierig erwies sich das lose Gestein, das immer wieder für Steinschlag sorgte. Nach drei Stunden konnten beide Jugendliche dem Rettungsdienst übergeben werden.

Der spektakulärste Einsatz des Jahres jedoch, der auch international Aufsehen erregte und die Gruppe mit einem Schlag bekannt machte, blieb zweifellos der Einsatz bei der Rheinseilbahn. Er war zugleich auch der bisher umfangreichste Einsatz, den die Kölner Höhenretter seit Bestehen der Sondereinheit zu bewältigen hatten.


Der Artikel verwendet Material der Kölner Feuerwehr. Besonderer Dank für seine Hilfe geht an Marcus Rausch.


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