Steigende Anzahl von Bränden in Recyclinganlagen
Gerd Lampel
Im Brandschutz gibt es einen Bereich, der häufig etwas außen vorgelassen wird, aber zunehmend mehr in die Überlegungen mit einbezogen werden sollte. Die Anzahl von Bränden in Abfallbehandlungs- und Recyclinganlagen steigt. Mit dieser Thematik beschäftigt sich Gerd Lampel schon seit längerer Zeit und stellte einige seiner Erkenntnisse in seinem Vortrag auf der SicherheitsExpo 2019 kurz vor.
Brände in Recyclinganlagen stellen ein nicht zu unterschätzendes Risiko dar, denn mehr als 80 % der europäischen Verwertungsbetriebe für Elektrorecycling haben bereits Erfahrungen mit Bränden, die durch Li-Akkus hervorgerufen wurden, gemacht (EERA, April 2019). Es besteht ein Handlungsbedarf, der auch von der Politik erkannt wurde. Am 9. November 2018 wurde auf der Umweltministerkonferenz in Bremen, das Gefahrenpotenzial der Brände in Abfallentsorgungsanlagen thematisiert und der Handlungsbedarf als dringlich eingestuft.
Nach den Grundpflichten des Kreislaufwirtschaftsgesetzes gibt es eine konkretisierte Abfallhierarchie, welche die rechtliche Weichenstellung für die Abfallpolitik bietet. Dabei wird das Recycling gegenüber der energetischen Verwertung favorisiert. Die Beseitigung der Abfälle auf Deponien steht hingegen am Ende der Hierarchie, als schlechteste ökologische Variante. Dies führt zu steigenden Behandlungsmengen, verbunden mit einem Anstieg bei den Anlagenbränden.
Abfallbehandlung
Bei der Abfallbehandlung gibt es eine Vielzahl von mechanische Behandlungsschritten, die Ursache von Bränden sein können. Beispiele dafür wären die Herstellung von definierten Altholzhackschnitzeln zur stofflichen und thermischen Verwertung oder die Sortierung von Leichtverpackungen (LVP) aus dem gelben Sack. Beeinflussenden Faktoren sind dabei brennbare Stoffe, Hitzeentwicklungen, Staubablagerungen auf Lager und Motoren. Die mechanischen Behandlungsschritte im Detail lauten:
- Zerkleinerung (Vor- und Nachzerkleinerung)
- Klassierung (Vor- und Nachsiebung)
- Sortierung (manuell, magnetisch, Sensortechnik)
- Fördertechnik (Bänder, Kettenförderer, Schnecken usw.)
- Verpressen (zu Ballen, Briketts)
- Umwandlung (z. B. durch Aufschmelzen, Mischen)
Der Einfluß des Abfallrechts, durch Verbote oder Grenzwerte auf die Brandrisiken ist begrenzt. Dazu zählt u. a. das Gebot, auf die Ablagerung heizwertreicher Abfälle auf Deponien zu verzichten. Die Datenlage zur Beurteilung der Brandursachen ist gering, da Brände in Recyclinganlagen bisher nicht systematisch erfasst und dokumentiert werden. Nahezu die Hälfte der Brände (48 %) sind unbekannt, gefolgt von Selbstentzündung. Hier unterscheidet Gerd Lampel die biologische Selbstentzündung von der physikalisch-chemischen.
Schadenshöhe und Folgen bei größeren Bränden
2015 lag die maximale Schadenshöhe durch einen Brand in einer Recyclinganlage noch bei 2 Mio. €. Seit 2017 steigen die Schadenssummen merkbar an, wie zum Beispiel bei dem Brand in der LVP-Anlage in Marl, wo die Schadenslage bei ca. 10. Mio. € lag. Der Klimawandel führt zu trockeneren Sommern und die anfachenden Winde und heizwertreichen Abfälle verstärken das Brandrisiko noch zusätzlich. Daraus ergibt sich ein typischer Jahresverlauf, dargestellt als Gleichverteilung, mit der höchsten Anzahl an Bränden im Sommer. Hinzu kommen fehlende Lagerkapazitäten, Zuspitzungen von Entsorgungsengpässen (z. B. Recycling Gelber Sack) und steigende Schadensfolgen die Versicherungsprämien in die Höhe treiben.
Einflussfaktoren auf die Brandverläufe
Bei den Bränden spielen verschiedene Faktoren eine Rolle, die den Verlauf und die Art des Brandes beeinflussen. Die Vorgehensweise bei der Brandbekämpfung wird ebenfalls stark von diesen Faktoren beeinflusst.
- Brennwert vom Abfall
- Zündtemperatur, Abrandgeschwindigkeit
- Lagergut: lose Schüttung oder Ballenware
- Lagermenge und Lagerhöhe
- Abstände: Freistreifen, Wände
- Wert des Schutzgutes
- Auswirkungen auf die Nachbarn
Baulicher Brandschutz
Die Aufteilung der Gebäude und Flächen ist einer der grundlegenden Aspekte, die beim Brandschutz beachtet werden müssen und auf die der Anlagenbetreiber Einfluss hat. Speziell bei Recyclinganlagen ist die korrekte Aufteilung und Platzierung ein immens wichtiger Bestandteil, da die verschiedenen Abfälle unterschiedlich leicht entflammbar sind. Da die Lagerbereiche, die Hauptquellen der Brandentstehung sind, ist ausreichender Abstand zu den sensiblen, höherwertigen Nutzungen, u. a. Hochbauten, Maschinenhallen enorm wichtig. Des Weiteren muss im baulichen Brandschutz beachtet werden:
- Brandverhalten von Baustoffen
- Feuerwiderstand der Bauteile
- Fluchtwegeplanung
- Zuwegung, Feuerwehrflächen
Sonderbrandmeldetechnik
In Abfallverbrennungsanlagen ist der Standard eine automatische Temperaturüberwachung. Diese wird mit Infrarotkameraeinheiten, in Verbindung mit automatischen Löschanlagen, gewährleistet. Bei Sonderabfalllagern werden Flachbunkerbauten auch in Kombination aus mehreren Geräten überwacht. Ausstattung am Beispiel eines Sonderabfalllagers für Ersatzbrennstoffe:
- Duales System aus RAS und Temperatursensoren in den überdachten Lagerbereichen
- Automatische Löschanlage mit Schaum
Bei der Überwachung geschlossener, überdachter Lagerbereiche haben sich neben RAS, lineare Rauchmelder Temperaturmelder wie Wärmeleitrohre, Wärmekabel und Punktmelder bewährt. In den Lageraußenbereichen setzen sich zunehmend Wärmebildkameras durch, die auch im Objektschutz (gegen Brandstiftung) an Bedeutung gewinnen.
Je nach Abfallstrom, ziehen Bauherrn und Planer unterschiedliche Regelwerke heran, um die Lagerflächen zu gestalten. Inhaltlich gehen die Kunststofflagerrichtlinie und VDS 2517 weiter als die maßgebliche Industriebaurichtlinie. Neben der Differenzierung in Gebäude und Freilager, werden Brandabschnitte in Lagerabschnitte unterteilt und in der Höhe eindeutig begrenzt.
Die Lagerabschnitte untereinander werden durch Freistreifen, alternativ feuerbeständige Wände gegliedert. Gerd Lampel sieht darin ein vernünftiger Ansatz zur vorbeugenden Brandabwehr, gibt jedoch kritisch zu bedenken, dass Bestandsanlagen diese Vorgaben häufig nicht einhalten und eine nachträgliche Anwendung, die Lagersituation für Abfälle in Deutschland massiv verschärfen würde, da Lagerraum verloren ginge. Ein weiterer Kritikpunkt zielt auf die fehlende Differenzierung der Abfallströme ab.
So ist der Energieinhalt von Altholz, beispielsweise um die Hälfte bis zu zweidrittel niedriger gegenüber Kunststoffen. Bei einer grundsätzlichen Anwendung der KLR, über alle Abfallströme, würden die heizwertärmeren diskriminiert und die Kosten der Anlagenbetreiber spürbar erhöht werden.
Bei der Löschwasserversorgung (siehe Abbildung) geht die VDS 2517 am weitesten. Sie fordert neben der zeitlichen Verfügbarkeit von ausreichend Löschwasser auch einen Mindestdruck von 3 bar.
Organisatorischer Brandschutz
Rein im organisatorischen Bereich kann der Anlagenbetreiber bereits einiges machen, um zum Brandschutz der Anlage beizutragen. Einige Maßnahmen wie die Vermeidung von biologischer Selbstentzündung oder freiwillige Brandschutzbegehungen sind darüber hinaus kostengünstig und trotzdem effektiv.
Die biologische Selbstentzündung biogener Abfälle birgt ein erhöhtes Risiko, das nur durch konsequente Mietenüberwachung begrenzt werden kann. Der organisatorische Brandschutz bietet einige vorbeugende Maßnahmen, um das Risiko zu minimieren.
Ursachen der biologischen Selbstentzündung:
- Zerkleinerte Holzhackschnitzel
- Erhöhter Feinanteil, leicht abbaubare Bestandteile, häufig Mischung Altholz mit Grünschnitt
- Große Mieten im Freien, erhöhte Feuchtigkeit des Lagerguts
- Lange Lagerzeiten in Verbindung mit wechselnden Trocken- und Feuchtphasen
Versicherungsschutz
Aufgrund der häufigen Schäden und Betriebsunterbrechungen gelten Abfallanlagen als „schwere Betriebsarten“ im Versicherungsschutz. Daher ist die Anzahl der verfügbaren Versicherer sehr begrenzt und ein günstiger Versicherungsschutz ist mittlerweile schwer zu bekommen. Kommt es an einem Standort zu mehreren Bränden, droht eine temporäre Unversicherbarkeit.
Die vertraglichen Obliegenheiten im Versicherungsschutz sind auch im Brandschutz von Recyclinganlagen regelmäßig zu prüfen und strikt einzuhalten. Aus Sicht des Referenten kommt die Betrachtung der Schutzziele bei den Abfällen bisher deutlich zu kurz. Die Abfallbranche steht an dieser Stelle in der Pflicht, sich in diesem Bezug mit der Versicherungsbranche auszutauschen und die Ziele zu definieren. Denn welchen Nutzen, soll es haben, ein Außenlager mit Sperrmüll/Altholz vor dem Abbrennen zu schützen, der keinen monetären Wert hat und in dessen Prozessverlauf die Freisetzung von Schadstoffen begrenzt ist?
Explosionsschutz
Brennbare Stäube, z. B. Holzstaub kann zu einer Explosion und einem Brand führen, daher ist es wichtig die verschiedenen Einflussgrößen für die Zündfähigkeit von Holzstaub richtig einzuschätzen. Die bedeutsamsten Einflussgrößen sind:
- Korngröße
- Feuchtigkeit
- Materialzusammensetzung
Mit zunehmender Feuchte neigt der Staub zur Agglomeration. Die Fähigkeit eine explosionsfähige Atmosphäre zu bilden nimmt ab. Daher sollten Abfälle, die brennbare Stäube bilden, stets feucht gehalten werden und Staubdepots in den Hallen regelmäßig entfernt werden. Eine Gefährdungsbeurteilung nach der Betriebssicherheitsverordnung, wird insbesondere bei komplexen Behandlungsanlagen, mit gefassten Staubanlagen dringend empfohlen.
Fazit
Zusammengefasst ist das erhöhte Risiko bei Bränden in Recyclinganlagen nicht zu unterschätzen und sollte in zukünftige Überlegungen im Brandschutz unbedingt mit einbezogen werden. Durchschnittlich kommt es deutschlandweit zu einem Brand pro Tag, denn die Brände haben sich von Deponien in Richtung Abfallbehandlungsanlagen verschoben. Durch Trockenheit, Lagerengpässe und Li-Ionen-Akkus verschärfen sich die Brandrisiken.
Das unterschiedliche Brandverhalten der Abfallarten ist in den einzelnen Bereichen des Brandschutzes nicht ausreichend definiert. Es fehlen sachgerechte Baukästen im Brandschutz für die unterschiedlichen Abfallbehandlungsanlagen bzw. Abfallarten.