Die Malteser: Neues aus Leverkusen

Heinz Neumann

Heinz Neumann

Vor zwei Jahren besuchten wir den Malteser Hilfsdienst in Leverkusen zum ersten Mal und erfuhren dort, wo den Rettungsdienst der Schuh drückt. Nach zwei Jahren interessierte uns, was sich seitdem verändert hat. Wir sprachen mit Kreisgeschäftsführer Tim Feister über neue Entwicklungen. Schwerpunkte waren dabei das Ehrenamt, Rettungswagen und Hygiene.

Auch 2017 spielten Szenarien wie Terrorlagen schon eine Rolle. Heute wird von Experten u. a. ein größerer Blackout für wahrscheinlich gehalten, der unsere moderne energiefixierte Gesellschaft vor große Herausforderungen stellen würde. Was bedeutete das z. B. für den Rettungsdienst? Tim Feister ist nicht ganz unvorbereitet: 

„Wir verfügen dann natürlich über kein Telefon, keine Handys, keinen Funk mehr. Das hieße, zurück zu analogen Methoden – es gibt immer noch so eine Art Meldebogen aus Papier. Und wir haben das Glück, was zum Beispiel eigentlich gar nicht vorgesehen ist in einer Einsatzeinheit für den Katastrophenschutz, einen Krad-Melder in Reserve zu haben. Der könnte mit dem Motorrad wichtige Infos überbringen. Das allerdings nur beim Worst Case, wenn absolut gar nichts mehr geht. Eine Rückfall­ebene bieten auch Organisationen wie Funkvereinigungen, Bürgerfunk etc., die noch analoge Kommunikationsmittel vorhalten für den Katastrophenfall.“

Kreisgeschäftsführer Tim Feister (rechts) demonstriert die elektrische...
Kreisgeschäftsführer Tim Feister (rechts) demonstriert die elektrische Zuziehhilfe für Krankentragen.
Quelle: Heinz Neumann

Wie entwickelt sich das Ehrenamt?

Etliche Veränderungen haben die vergangenen zwei Jahre in Leverkusen gebracht, auch positive. Es gelang beispielsweise, die sich damals abzeichnende Personalnot im Ehrenamt aufzufangen durch intensive Werbemaßnahmen. Die Jugendgruppen wurden bewusst gestärkt, und so gelang es, daraus mehr Mitglieder zu akquirieren. 2017 gab es bei den Maltesern in Leverkusen keine einzige Jugendgruppe, und heute existieren wieder zwei.

Ohne ausreichende ehrenamtliche Kräfte tun sich überall Lücken auf, nicht nur in Leverkusen, sondern in Gesamt-Deutschland wären Rettungsdienst und Katastrophenschutz massiv gefährdet. Feister sieht viel ungünstige Entwicklungen, die eigentlich sogar immer mehr freiwillige Helfer schon in naher Zukunft erforderlich machen: Klimaveränderungen inklusive Sturmschäden, Wetterkapriolen wie Starkregen oder Schneechaos, häufig vorkommende Glätte bei wachsender Verkehrsdichte mit allen negativen Erscheinungen wie zahlreichen Unfällen und Stürzen, Staus mit schlecht vorbereiteten frierenden Autofahrern, die den Regelrettungsdienst schnell an seine Grenzen bringen können. Die Reserven für solche Fälle sind knapp, oftmals nicht vorhanden.

Das Reservoir für hier dringend benötigte Zusatzkräfte kann nur das Ehrenamt sein, und dieses Reservoir schwindet heute. Tim Feister erkennt Fördermaßnahmen wie die Ehrenamts-Card in NRW durchaus an, mahnt aber zusätzliche Anstrengungen an: 

„Warum kann man ehrenamtlich verbrach­te Arbeitszeit nicht steuerlich geltend machen? Warum gibt es keine bessere Regelung für Arbeitgeber, um den Druck zu kompensieren, wenn sie Helfer freistellen? Wann kommen endlich staatliche Maßnahmen, um den Respekt vor unseren Kräften wieder zu stärken? Wir brauchen wieder eine positive Kultur für den Katastrophenschutz, für die Gefahrenabwehr, und das kommt nicht von allein. Da ist auch die Politik gefragt mit gezielten Maßnahmen, die nun mal auch Geld kosten!“

Und noch ein Punkt liegt ihm am Herzen: das neue Notfallsanitäter-Gesetz. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens wurde die Rettungsassistentenausbildung eingestampft. Nicht bedacht wurde dabei, dass die neue Notfallsanitäterausbildung drei Jahre dauert, ein Rettungsassistent aber schon nach ca. einem Jahr fertig war. Es gibt leider keine Übergangszeit, so dass nun eine Personallücke von etwa drei Jahren klafft, in der nur wenig neuen Kräfte nachkommen. Aber der Bedarf an Rettungskräften steigt mit erhöhten Einsatzzahlen immer weiter an.

Neuerungen für RTWs

Was hat es im Bereich Technik/RTWs inzwischen für Veränderungen gegeben? Auch hier ist Feister nicht hundertprozentig zufrieden mit den Leistungen des Landes, das zwar die meisten Fahrzeuge für den Katastrophenschutz stellt, es aber an der notwendigen Ausstattung z. B. für den Betreuungs-LKW fehlen lässt. Seit über vier Jahren wartet man nun bereits darauf.

Als neuer Trend im Bereich RTW ist in aller erster Linie zu nennen, dass aktuelle Neuwagen heute mit Systemen ausgestattet sind, die bei den Einsatzkräften die körperlichen Beanspruchungen reduzieren. Bis vor kurzem mussten die Tragen mit den Patienten mühevoll per Hand in den RTW geschoben werden – eine nicht zu unterschätzende Anstrengung, zumal sie Rettungssanitäter Tag für Tag über viele Jahre begleitet. Die neuen Systeme ziehen die schwere Trage automatisch mit elektrischer Unterstützung ein. Rückenschmerzen gehören leider oft zum Beruf des Rettungspersonals – da könnte zumindest in diesem Punkt Abhilfe geschaffen werden.

Eine andere Entwicklung bei Rettungswagen ist die Steuerung mit Hilfe von GPS. Wenn bei der Leitstelle ein Notfall eingeht, kann der Einsatzort heute direkt per Signal auf die Fahrzeuge übertragen werden. Oft sind einsatzbereite Fahrzeuge unterwegs, die sich näher am Einsatzort befinden als die an der Wache vorgehaltenen. Um diese neue Technologie nutzen zu können, müssten Leitstelle und Fahrzeuge konsequent damit ausgestattet werden, was entsprechende Kosten nach sich zieht. In Leverkusen wird augenblicklich darüber nachgedacht, da eine neue Leitstelle geplant ist.

Der Fahrzeugbestand ist zufriedenstellend, die Malteser in Leverkusen sind gut...
Der Fahrzeugbestand ist zufriedenstellend, die Malteser in Leverkusen sind gut ausgestattet
Quelle: Heinz Neumannn

Kann auch das automatische Einziehsystem für Tragen nachgerüstet werden? Tim Feister sieht das eher skeptisch: „Das ist im Prinzip zu kostspielig. Ich würde raten, das System bei Neubestellungen sofort mit zu ordern, auch wenn es den Anschaffungspreis erhöht. Im Endeffekt wird es trotzdem preiswerter.“ Der neueste RTW der Malteser in Leverkusen verfügt bereits darüber. Leverkusen war z. B. auch Vorreiter, als sie vor mehreren Jahren über die Feuerwehr einen Gerätewagen für den Rettungsdienst beschafften, der sich schon oft bewährt hat. 

Das Fahrzeug ermöglicht es, Material nicht nur für ein bis zwei Patienten wie im RTW üblich mitzuführen, sondern für eine größere Anzahl an Patienten bereit zu stellen. Ein entsprechendes Fahrzeug gibt es mit dem Gerätewagen Sanitätsdienst (GW SanD) auch für den Katastrophenschutz, der von Beleuchtungseinrichtungen über ein Zelt und mehrere Notfallkoffer alles Notwendige mit sich führt, um eine größere Anzahl von Verletzten zu versorgen. Bei größeren Lagen wie etwa bei Massenunfällen oder auch im Karneval werden solche Fahrzeuge eingesetzt, um z. B. Patientenablagen in Zelten zu errichten und zu versorgen, ohne dass hier viele RTWs gebunden sind.

In der hauseigenen Hygienestation wird kontaminierte Kleidung zur Weitergabe...
In der hauseigenen Hygienestation wird kontaminierte Kleidung zur Weitergabe gesammelt
Quelle: Heinz Neumann

Thema Hygiene

Bei unserem letzten Besuch bei den Maltesern in Leverkusen konnten wir uns davon überzeugen, dass hier ein Hygienekonzept im Rahmen des Qualitätsmanagements ausgezeichnet funktioniert, das selbst entwickelt wurde. Der Mitarbeiter kommt in seiner Alltagskleidung zur Arbeit, versorgt sich dann vor Dienstantritt mit Einsatzkleidung. Wenn während des Dienstes keine außergewöhnlichen Kontaminierungssituationen auftreten, wird nach Dienstschluss die Kleidung in speziellen Containern entsorgt. Sie kann daraus nur zur Reinigung wieder entnommen werden, die von einer damit beauftragten Firma durchgeführt wird. Die aufbereitete Kleidung kommt in Plastik eingeschweißt wieder in Umlauf.

Bei spezieller Kontaminierung etwa durch Einsätze mit Infektionen gibt es die Möglichkeit, die verunreinigte Kleidung von der Feuerwehr aufbereiten zu lassen, die über die entsprechende Technik verfügt. Das Verfahren nutzt Spezial-Waschmaschinen, die vom Robert-Koch-Institut zertifiziert sind. Sie töten Keime zu 100 % ab. Zu- und Abwasser werden dabei komplett getrennt, Desinfektionswaschmittel kann über eine gesonderte Zuleitung eingespeist werden.

Daneben nutzen die Malteser auch extra dafür gekennzeichnete Säcke, in die stark kontaminierte Kleidungsstücke vor der Abgabe eingeschweißt und dann vom Industriepartner besonders behandelt werden. Dies Abläufe sind inzwischen sehr gut organisiert und haben sich bewährt.

Verbesserungsmöglichkeiten sieht Tim Feister eher bei den Krankenhäusern. Er berichtet von Infektionsfällen, bei denen seine Einsatzkräfte in speziell dafür vorgehaltenen weißen Einmalkitteln Patienten übergeben. Die Krankenhausmitarbeiter aber hätten solche Kleidung häufig nicht und nehmen auch augenscheinlich infektiöse Patienten in normaler Dienstkleidung in Empfang, führen oft die speziellen Vorkehrungen gegen Infektionen nicht lückenlos fort.

Infektionsmüll wird gesondert erfasst und von einem Industriepartner entsorgt.
Infektionsmüll wird gesondert erfasst und von einem Industriepartner entsorgt.
Quelle: Heinz Neumann

Gegen Verunreinigungen der Einsatzfahrzeuge gehen die Malteser mit Spezialdesinfektionsmitteln in der Regel selbst vor. Die dabei genutzten Hilfsmittel wurden bis vor kurzem ebenso wie die Kleidung in den Hygienekreislauf gegeben und vom Indus­triepartner wiederaufbereitet. Aktuell findet hier eine Umstellung auf Einmalartikel statt. Die gebrauchten Lappen, Wischmop, Besen etc. werden nun nach Gebrauch speziell entsorgt. Das Verfahren ist mit Sicherheit effizienter, allerdings auch kostspieliger.


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