Zum ersten Januar 2025 soll das neu geschaffene Landesamt für Brand- und Katastrophenschutz vollständig in Betrieb gehen. Aktuell werden für das neue Lagezentrum am Standort Koblenz noch Fachkräfte gesucht. Klarere Zuständigkeiten im Katastrophenfall schafft wiederum das neue Landesbrand- und Katastrophenschutzgesetz, das kürzlich vom rheinland-pfälzischen Innenministerium vorgestellt wurde.
Im Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses zur Flutkatastrophe im Ahrtal, der im August 2024 veröffentlicht wurde, wird auf mehr als 2.000 Seiten zusammengetragen, was die Menschen im Grunde bereits wussten: Der Katastrophenschutz in Rheinland-Pfalz hat im Juli 2021 auf mehreren Ebenen versagt. Fehlende Strukturen und Zuständigkeiten trugen dazu bei, dass keine rechtzeitige Evakuierung die betroffenen Gebiete stattfand. Bis heute gibt es hierfür keinen klaren Verantwortlichen, keinen Prozess und auch keine Entschuldigung von Seiten der Landesregierung. Somit werden auch nach Veröffentlichung des Abschlussberichts keine weiteren personellen Konsequenzen auf Regierungsebene gezogen. Der Obmann der Grünen im Flut-Untersuchungsausschuss, Carl-Bernhard von Heusinger, sagte dem SWR, das sei von den Erkenntnissen nicht gedeckt:
"Wenn man die Feststellung im Untersuchungsausschuss mal mit sich nimmt, dann sieht man, dass der Staatssekretär sehr gut gehandelt hat und auch am Abend noch sehr viel kommuniziert hat, in alle Richtungen." Von Heusinger betonte, dass die politische Verantwortung bei Pföhler liege. "Er hat sich um seine privaten Dinge gekümmert, anstatt Leib und Leben der Bürgerinnen vor Ort zu schützen, anstatt Handlungen in die Wege zu leiten und deswegen trägt er die politische Verantwortung."
Klar ist, dass der inzwischen zurückgetretene Landrat Pföhler des Kreises Ahrweiler nicht allein die Schuld an den Versäumnissen des tragischen 14. Julis 2021 tragen kann. Ein effektiver Katastrophen- und Bevölkerungsschutz ist vielmehr ein Zusammenspiel aus unterschiedlichen Behörden und Akteuren auf mehreren politischen Ebenen.
Dass dieses Zusammenspiel nicht funktioniert hat, wurde immerhin auch von Seiten der Landesregierung erkannt und entsprechende Konsequenzen gezogen. Im Zuge dessen wurde der rheinland-pfälzische Katastrophenschutz umfassend reformiert. Das Landesamt für Brand- und Katastrophenschutz soll als neue zentrale Behörde die bisherigen Mitarbeiter der Katastrophen- und Zivilschutzreferate der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) und der Feuerwehr- und Katastrophenschutzakademie versammeln. Bestehende Strukturen werden also unter einem Dach gebündelt. Zusätzlich soll ein modern ausgestattetes Lagezentrum am Standort Koblenz ab Januar 2025 rund um die Uhr besetzt sein.
Regierung stellt neues Katastrophenschutzgesetz vor
Den gesetzlichen Rahmen bildet das neue Landesbrand- und Katastrophenschutzgesetz, das Anfang September von Ministerpräsident Alexander Schweitzer und Innenminister Michael Ebling vorgestellt wurde. Vorgesehen ist eine Erhöhung des Etats bis 2026 um das 1 ½ fache auf rund 142 Millionen Euro.
Die kommunalen Strukturen sollen künftig durch hauptamtliche Brand- und Katastrophenschutzinspekteure gestärkt werden. Das trage den gestiegenen Anforderungen für diese Funktion Rechnung und fördere die effektive Gefahrenabwehr vor Ort, heißt es in der Pressemitteilung zur Vorstellung des Gesetzesentwurfs.
Das Zwei-Stabs-Modell unter Leitung des kommunalen Hauptverwaltungsbeamten (Landrat bzw. Oberbürgermeister) soll künftig vorgeschrieben sein. Neben der Technischen Einsatzleitung, die für die Lagebewältigung verantwortlich ist, muss es dann im Einsatzfall auch einen Verwaltungsstab geben, der zum Beispiel rechtliche oder organisatorische Fragen klärt. Eine Führungsunterstützung für die einsatzführende Kommune muss gewährleistet sein.
Neu eingeführt werden die Begrifflichkeiten des Großschadenereignisses und des Katastrophenfalls, die zukünftig den Katastrophenschutz definieren.
„So kann der Katastrophenfall öffentlichkeitswirksam bekannt gemacht werden“, sagte Innenminister Ebling bei der Vorstellung des Gesetzesentwurfs. „Allerdings soll das Land mit dem neuen Gesetz auch Weisungen erteilen können, weil das Landesamt als Fachaufsichtsbehörde tätig werden soll. Auch sollen klare Voraussetzungen gegeben sein, dass das Land die Einsatzleitung in bestimmten Fällen an sich ziehen kann."
Kommunen arbeiten stärker mit Land und Bund zusammen
Die Zuständigkeit für die Einsatzleitung im Katastrophenfall soll also grundsätzlich bei den Kommunen bleiben. Laut Ebling kann das neue Landesamt aber bei Bedarf die Einsatzleitung übernehmen und den Behörden vor Ort Weisungen erteilen. Wann genau ein solcher Fall eintritt, ist allerdings nicht genau definiert.
Für die Verbandsgemeinden und Gemeinden sowie die Landkreise soll hingegen künftig eine Pflicht bestehen, Bedarfs- und Entwicklungspläne regelmäßig aufzustellen und fortzuschreiben. Zudem soll es regelmäßige verpflichtende Katastrophenschutzübungen geben.
Die Aus- und Weiterbildung der Einsatzkräfte soll in Kooperation mit dem Bund erfolgen und die Kapazitäten an der Landesfeuerwehr- und Katastrophenschutzakademie erhöht werden. Hierzu unterzeichnete Innenminister Michael Ebling im Mai eine Kooperationsvereinbarung mit dem Bundesamt für Bevölkerungs- und Katastrophenschutz (BBK).
Neben einer stärkeren Zusammenarbeit durch Hospitationen, gegenseitigen Austausch auf Expertenebene und die Entwicklung gemeinsamer Lehr- und Lernmethoden für das Krisenmanagement, soll eine Sensibilisierungskampagne zu Notfallvorsorge und Selbstschutz auch Bürger- und Bürgerinnen umfassender informiert werden. Der Internetauftritt ist unter https://www.bleib-bereit.de/ erreichbar.
Ein 24/7 Lagezentrum in Koblenz bildet das Herzstück
Anfang des kommenden Jahres soll ein rund um die Uhr besetztes Lagezentrum als wichtiger Bestandteil des neuen Landesamts seine Arbeit aufnehmen.
„Wir brauchen, als ein Herzstück, ein 24 Stunden, sieben Tage die Woche besetztes Lagezentrum Bevölkerungsschutz, weil wir selbst einen Überblick haben wollen, zu dem, was da läuft, in der Welt aber auch mit Fokus auf Rheinland-Pfalz“, sagte Innenminister Ebling bei der Vorstellung des Lagezentrums im Mai.
Der Bau habe nach dessen Angaben mehr als zwei Millionen Euro gekostet.
Zukünftig sollen mit dem Lagezentrum Gefahrenlagen von Terror bis Unwettergeschehen jederzeit im Blick behalten und sichergestellt werden, dass relevante Entwicklungen rechtzeitig erkannt werden. Im Ereignisfall soll das Landesamt betroffene Kommunen durch Beratung, Vorlagen und Konzepte zu unterschiedlichsten Themen unterstützen und beraten.
Um das Lagezentrum für die geplante Inbetriebnahme rund um die Uhr besetzen zu können, werden aktuell am Standort Koblenz noch Fachkräfte gesucht. Nähere Informationen finden Sie auf der Internetseite des Innenministeriums.
Rheinland-Pfalz als Vorbild für andere Bundesländer
„Als Land wollen wir uns gemeinsam mit den kommunalen Aufgabenträgern auf die zukünftigen Herausforderungen vorbereiten, Handlungssicherheit auf allen Ebenen schaffen und die Weichen für die Zukunft stellen“, betonten Schweitzer und Ebling im Zusammenhang mit den neuen Vorgaben im Katastrophen- und Bevölkerungsschutz.
Stimmen aus dem Kreis Ahrweiler begrüßen das neue Gesetz. Der stellvertretende Brand- und Katastrophenschutzinspekteur (BKI) des Kreises Ahrweiler sagte gegenüber dem SWR, hätte es die neuen Regelungen schon vor drei Jahren gegeben, hätte das dem Einsatzstab bei der Flutkatastrophe im Ahrtal helfen können.
Die Bewährungsprobe steht noch aus. Dennoch ist bereits abzusehen, dass sich das Land Rheinland-Pfalz nach der Erfahrung der Flutkatastrophe auf einen guten Weg gemacht hat. Die Neustrukturierung des Katastrophenschutzes durch eine zentrale Landesbehörde, die als Koordinierungs- und Aufsichtsbehörde dient, ist bundesweit einmalig. Sie könnte eine entsprechend Vorbildfunktion für andere Bundesländer übernehmen. Denn Extremwetterereignisse nehmen zu und können grundsätzlich überall zu ähnlichen Katastrophen führen, wie jene im Ahrtal.
Aura Riedel
CP Onlineredaktion