Das Zentrum für Geoinformationswesen der Bundeswehr (ZGeoBw) wurde am 11. März 2003 als zentrale Einrichtung für das Geoinformationswesen der Bundeswehr gegründet. Es hat seinen Sitz in Euskirchen und ist auf acht Standorte verteilt. Leiter der Einrichtung ist Brigadegeneral Roland Brunner. Im Gespräch mit CP-Redakteur Hans-Herbert Schulz sprach er über die breite Aufgabenvielfalt insbesondere in der zivil-militärischen Zusammenarbeit.
CP:
Herr General, Sie nennen Ihre Organisation ein typisches, „prozessorientiertes Fähigkeitskommando“. Was heißt das konkret?
Hr. Brunner:
Wir haben unsere Datengewinnung und die Produktions- und Beratungsprozesse seit 2003 im Detail moduliert und dafür gesorgt, dass die Prozesse möglichst innerhalb einer Abteilung ablaufen, von der Datengewinnung bis zur Produktion. Damit haben wir Schnittstellen eliminiert und sind inzwischen fachlich recht gut aufgestellt. Es gibt sicherlich noch das ein oder andere, was man durch Zentralisierung von Aufgaben verbessern könnte. Da geht es zum Beispiel um Simulation oder um zentrale Wetterberatung. Intern sind wir aber recht fortschrittlich und tatsächlich prozessorientiert organisiert.
Was die militärische Unterstellung angeht, sind wir im sogenannten nachgeordneten Bereich untergebracht. Meine Ansprechpartner sind aber die Bundesbehörden, die direkt ihren Ministerien unterstehen, mit denen wir teilweise sogar durch gesetzliche Regelungen verbunden sind, wie z. B. mit dem Deutschen Wetterdienst. Unsere optimale Unterstellung wäre daher direkt unter das BMVg, da ich meine fachlichen Weisungen ohnehin von dort erhalte.
CP:
Auffällig im Vergleich zu anderen Ämtern in der Bundeswehr ist der hohe Anteil von Wissenschaftlern in Ihrem Hause, die – wie Sie sagen – interdisziplinär arbeiten. Können Sie uns etwas über die beteiligten Wissenschaftsgebiete sagen?
Hr. Brunner:
Wir haben hier unter einem Dach insgesamt 18 Geowissenschaften vereint, aber auch Bereiche aus anderen Wissenschaften, die Geoaspekte behandeln. Daher sind bei uns die klassischen Studiengänge wie Geodäsie, Geografie, Geologie vertreten, darüber hinaus aber auch andere Studiengänge, wie Fotogrammetrie, Ethnologie oder auch Biologie. Biologie ist z. B. wichtig in Bezug auf Vogelschlag. Wie stark der Vogelzug im Frühjahr bzw. im Herbst ist, ist ein wichtiger Gesichtspunkt, um tieffliegende Luftfahrzeuge vor Zusammenstößen mit Vögeln zu schützen.
Ein zweites großes Standbein ist der Bereich Meteorologie und Ozeanografie. Wir haben 2003 den militärgeografischen Dienst und den geophysikalischen Beratungsdienst zusammengeführt und daraus den Geoinformationsdienst gebildet, der sich seither exzellent entwickelt hat und zu einem wirklich modernen Dienstleister der Bundeswehr geworden ist. Nach dem Motto „Geo aus einer Hand“.
CP:
Unsere Leser interessiert besonders die Zusammenarbeit Ihres Zentrums mit den Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben.
Hr. Brunner:
Die Bundeswehr und das BMVg haben die Verpflichtung übernommen, sämtliche Bundes- und Landesbehörden bei Bedarf kostenfrei mit Geoinformationen von Krisen- und Einsatzgebieten der Bundeswehr zu versorgen, weil der Geoinformationsdienst der Bundeswehr diese Information als einzige Stelle in der Bundesrepublik Deutschland in der Qualität und der Dichte zur Verfügung hat, die für konkrete Planungen benötigt werden.
Aber auch für uns ist die Zusammenarbeit mit diesen Behörden ganz essentiell, weil wir die Geobehörden der Bundesrepublik Deutschland brauchen, um bundesweit alle Geoinformationen zu bekommen. Das sind etwa 60 verschiedenen Geo-Behörden in Deutschland, mit denen wir durch Verwaltungsvereinbarungen verbunden sind. Dazu zählen neben den Landesvermessungsbehörden alle Geo-Bundesbehörden, wie der Deutsche Wetterdienst, das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie, das Bundesamt für Geodäsie und Kartographie oder das Bundesamt für Geowissenschaften und Rohstoffe, um nur einige zu nennen. Diese Zusammenarbeit ist für uns nur als Zweibahnstraße denkbar.
CP:
Nun ist ja formal für alle Geodaten in Deutschland das Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG) zuständig. Wie gestaltet sich da die Zusammenarbeit?
Hr. Brunner:
Das BKG bearbeitet nur Landkarten. Deshalb hatte ich die anderen Behörden ebenfalls genannt. In Bezug auf Landkarten hat das BKG für uns eine koordinierende Wirkung. Bei Landkarten haben wir heute inzwischen die früheren militärischen und zivilen Serien als eine gemeinschaftliche, zivilmilitärische Serie herausgebracht, also eine Ausgabe für die Maßstäbe 1:50.000 und 1:100.000. Das spart Ressourcen und wir sind froh, dass es eine solche Vereinbarung mit den Bundesländern gibt.
CP:
Darüber hinaus interessiert uns das ZGeoBw als Ressortforschungseinrichtung und die bei Ihnen angesiedelte, multinationale Unterstützungsgruppe...
Hr. Brunner:
Das ZGeoBw ist zu einem, allerdings geringen Teil, auch Ressortforschungsanstalt. Wir sind 2008 durch den Wissenschaftsrat der Bundesrepublik Deutschland evaluiert worden, wobei festgestellt wurde, dass es vermutlich in Europa, wahrscheinlich weltweit, kein Amt, kein Zentrum oder eine Organisation gibt, die interdisziplinär an einem Projekt so eng zusammenarbeitet, wie das hier im Zentrum für Geoinformationswesen der Fall ist.
Für jedes Projekt, für jede Produktherstellung wird genau geprüft, welche Wissenschaften benötigt werden. Für etliche Verfahren, die wir brauchen, um unsere Produkte herzustellen, sind im angewandten Bereich Grundsatzerkenntnisse der Wissenschaft umzusetzen. Das ist unser Auftrag als Ressortforschungsanstalt, angewandte Geowissenschaften einzusetzen und Verfahren zu entwickeln, die uns die Produktion der Geoinformationen erleichtern.
Ansonsten nutzen wir alles, was an Forschungsergebnissen auf dem Markt ist. Wenn wir es eins zu eins verwenden können, ist das prima, wenn nicht, werden wir tätig und vergeben die Masse dieser angewandten Forschungsaufträge auch an Institute, Universitäten oder Firmen.
CP:
Sind Sie also auch selber Vergabestelle?
Hr. Brunner:
Ich habe einen eigenen Titel, den Geoinformationstitel, und kann aus diesem Titel entsprechende Studienaufgaben oder Verfahrensentwicklungen vergeben. Dafür haben wir normalerweise zwischen 13 und 15 Mio. Euro verfügbar, um Produktionen und Studien durchzuführen. Für dieses Jahr sind 45 angesetzt, da in den vergangenen Jahren Aufträge nicht abgearbeitet werden konnten. Für uns ist dieser Extratitel enorm wichtig, um unsere Aufgaben erfüllen zu können.
Wichtig ist aber auch, dass die Auftragserfüllung nur im nationalen bzw. für die Auslandsgebiete im internationalen Schulterschluss erfolgt. Ohne die Möglichkeit, einen sehr intensiven Tauschhandel oder eine sehr intensive Co-Produktion einzugehen, würde das Geld nie ausreichen.
Ein anderer Aspekt ist mir hierbei noch sehr wichtig. Eine Zusammenarbeit im nationalen und vor allem im internationalen Bereich ist nur möglich, wenn vorher eine vernünftige Standardisierung durchgeführt wurde. Deshalb sind wir in den unterschiedlichsten Standardisierungsgruppen vertreten und haben als militärische Geodienste eine eigene Gruppe eingerichtet, um Standards zu entwickeln, soweit sie nicht vorhanden sind. Das Ziel ist, dass diese dann durch die ISO zum ISO-Standard erhoben werden.
Die Arbeitsgemeinschaft der Vermessungsverwaltungen ist eine solche Gruppe oder z. B. die World Meteorological Organization. Wichtig ist, dass wir unseren Input in diese Gruppen geben, damit wir nicht abgekapselt sind. Wir sind eben darauf angewiesen, dass wir auch das, was andere produzieren, nutzen können, ohne es vorher nochmal überarbeiten zu müssen.
CP:
Damit lösen Sie offenbar ein Problem, das bei den Informationssystemen in der NATO bis jetzt noch nicht so richtig gelöst worden ist.
Hr. Brunner:
Richtig, aber wir „Geos“ haben im internationalen Rahmen seit Jahrzehnten nach dieser Prämisse gearbeitet, sonst könnten wir die Produkte oder die Daten von anderen Nationen nicht einfach oder unter Umständen gar nicht nutzen. Wenn die internationalen Co-Produktionsgemeinschaften, an denen wir beteiligt sind, nach einer Spezifikation ein bestimmtes Produkt herstellen, dann ist das einzigartig. Ich glaube, es gibt in der ganzen Bundeswehr keine Projekte, bei der über 30 Nationen nach einer Spezifikation arbeiten.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch ein paar Worte sagen über die Zusammensetzung und Aufgabenwahrnehmung unserer multinationalen Geospatial Support Group. Diese Gruppe umfasst 36 Dienstposten, davon sind 13 international zu besetzen. Zurzeit haben wir 20 Dienstposten besetzt, im Rahmen der sogenannten Initial Operational Capability, die wir seit dem 15.1.2015 erreicht haben.
Diese Gruppe soll sicherstellen, dass eine einheitliche Datenbank an Geoinformation für Einsatzgebiete vorhanden ist und genutzt wird. Die Daten dafür werden durch die beteiligten Nationen geliefert. Wir führen die Daten in dieser Datenbasis zusammen und stellen sie bereit. Das gilt auch für einen Satelliten-Layer vom jeweiligen Einsatzgebiet, der innerhalb von maximal sechs Monaten immer wieder erneuert wird.
Daneben verfügt diese Gruppe über eine Terrain Analysis-Kapazität. Das heißt, es können für bestimmte Operationen in Einsatzgebieten Produkte hergestellt werden, die auf die jeweilige Mission zugeschnitten sind. Die nächste Aufgabe ist, Fähigkeiten zu koordinieren, die andere Nationen für die Einsätze bereitstellen, etwa Vermessung oder die Vervielfältigung von Karten oder Datenträgern.
Diese Gruppe arbeitet ausschließlich für die NATO oder die EU. Das heißt, sie arbeitet nicht für deutsche Belange, sondern Deutschland profitiert davon, wenn diese Gruppe Produkte herstellt und sie an die NATO oder EU gibt. Wir haben dann natürlich auf diese Produkte Zugriff.
CP:
Herr General Brunner, wir danken Ihnen für diese informative Darstellung aktueller zivil-militärischer und internationaler Zusammenarbeit.
Crisis Prevention 1/2016
Interview: Hans-Herbert Schulz