Feuerwehreinsatz beim kritischen Wohnungsbrand

Martin Bachmair

Bildstelle der Branddirektion München

Pressemitteilung der Feuerwehr München vom 11. November 2015: Ein 81-Jähriger ist am Mittwoch bei einem Wohnungsbrand schwer verletzt worden. Er war zwar vor dem Feuer auf den Balkon geflüchtet, aber nach einer Rauchgasdurchzündung in seiner Wohnung schlugen die Flammen bis auf den Balkon. Ein Feuerwehrmann versuchte sich noch schützend vor den 81-Jährigen zu stellen. Als die Einsatzkräfte das achtstöckige Wohnhaus erreichten, drang bereits dichter Rauch aus den Fenstern einer Wohnung im dritten Obergeschoss. Auf dem Balkon stand der 81-jährige Bewohner. Die Einsatzkräfte bauten zur Rettung des Mannes sofort eine Schiebleiter, einen Sprungretter sowie parallel die Drehleiter auf. Der erste Atemschutztrupp stieg über die Schieb­leiter zu dem Mann hinauf. 

Als die Einsatzkräfte den Balkon erreichten, gab es im Inneren der Wohnung eine Rauchgasdurchzündung . Ein Kollege aus dem Trupp versuchte sich noch schützend zwischen das Feuer und den Mann zu stellen. Dabei zog er sich Verbrennungen an den Unterarmen und Beinen zu. Der 81-jährige Bewohner stand trotz des Hilfeversuchs in Flammen. Er wurde sofort abgelöscht und der Notarztbesatzung übergeben. Nach erfolgter Erstbehandlung wurde er mit einem Rettungshubschrauber in ein Zentrum für Schwerbrandverletzten geflogen. 

Da sich der Brand und vor allem der Rauch auf das Treppenhaus ausgebreitet hatten, alarmierte der Einsatzleiter noch weitere Kräfte nach. Zeitgleich kontrollierten mehrere Trupps alle Wohnungen des Gebäudes auf Verrauchung. Dazu mussten 60 Wohneinheiten gewaltsam mit der Feuerwehraxt geöffnet werden. Insgesamt wurden im Zuge dieser Maßnahmen drei Bewohner über Leitern, weitere drei mit Fluchthauben über das Treppenhaus jeweils unverletzt gerettet, darunter auch ein zirka drei Monate alter Säugling. Zwei Personen brachten sich noch vor Ankunft der Feuerwehr in Sicherheit. Sie erlitten aber bei der Flucht aus dem Gebäude eine Rauchgasvergiftung. 

Hier stellen sich zwei Fragen:

Ist dies ein alltäglicher Einsatz für eine Feuerwehr? Muss eine Feuerwehr solch eine Lage beherrschen?

So ein Szenario kommt selbst in einer Millionenstadt wie München nur unregelmäßig vor.  Die Bevölkerung und auch der Gesetzgeber erwartet jedoch, dass die Feuerwehr solch ein Ereignis in den Griff bekommt. Dies bedeutet nicht, dass nach 10 Minuten das Feuer gelöscht ist und alle Menschen gerettet sind. Vielmehr ist es wichtig, die Lage nach einer kurzen Orientierungsphase zu stabilisieren. 

Darunter versteht man in der Regel im Rahmen einer Priorisierung, die Menschenrettung eingeleitet und mit der Brandbekämpfung begonnen zu haben. Für diese Vorgaben ist ein Löschzug ausreichend. Die weiteren Maßnahmen, wie die Kontrolle anderer Bereiche, sind weniger zeitkritisch. Sie können daher später oder von weiteren Einsatzkräften durchgeführt werden. Diese Maßgabe gilt sowohl für die Feuerwehr einer Klein- wie auch einer Großstadt.

Wie kann nun die erforderliche Leistungsfähigkeit einer Feuerwehr beschrieben werden?

Einen Ansatz dazu liefert das Positionspapier der AGBF (Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren im Deutschen Städtetag) von 1998 in der Fassung von 2015. Hierin wird als „Bemessungseinsatz“ der kritische Wohnungsbrand beschrieben. Was versteht man darunter? Damit ist ein Brand im Obergeschoss gemeint, bei dem neben einer Brandbekämpfung eine Menschenrettung über Leitern der Feuerwehr aus der Brandwoh­nung und benachbarten Wohneinheiten erforderlich ist. Darüber hinaus ist der Treppenraum verraucht. Dieses Szenario muss eine Feuerwehr mit einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit beherrschen und zu definierten Zeiten bestimmte taktische Maßnahmen einleiten können. 

So müssen nach spätestens acht Minuten nach der Alarmierung zehn Einsatzkräfte vor Ort sein und nach weiteren fünf Minuten zusätzliche sechs Einsatzkräfte.

Welche Aufgaben müssen nun in solch einem Einsatz erledigt werden?

Zunächst hat die Menschenrettung oberste Priorität. Dies kann über Leitern der Feuerwehr (Drehleiter oder Steckleiter) erfolgen. Wichtig ist auch die Menschenrettung über den Treppenraum, hierzu ist aus Gründen des Eigenschutzes ein Löschrohr mitzuführen. Als weitere Maßnahme gilt es den Treppenraum zu entrauchen und rauchfrei zu halten. Dadurch soll verhindert werden, dass weitere Personen im Haus durch Rauch gefährdet werden. 

Darüber hinaus wird über die sog, taktische Ventilation (z. B. Überdruckbelüftung) die Menschenrettung und der Löschangriff unterstützt. Letztendlich muss natürlich der Brand bekämpft werden bzw. eine Brandausbreitung verhindert werden. All diese Maßnahmen erfolgen unter Atemschutz.

Welche Einsatzmittel müssen zur Verfügung stehen?

Unter diesem Punkt versteht man sowohl die Fahrzeuge und Geräte, als auch die Einsatzkräfte, die die Technik bedienen müssen. Da in der Regel das vorhandene Personal vorgegeben ist, ist es erforderlich, aufgrund der daraus resultierenden Einsatztaktik ein Fahrzeugkonzept zu entwickeln.

Betrachtet man den kritischen Wohnungsbrand, so müssen wie beschrieben zunächst zehn Funktionen vor Ort sein. Zwei davon werden für die Drehleiter benötigt. Bezieht man noch den Einsatzleiter mit ein, bleiben noch sieben Einsatzkräfte übrig. Es ist hierbei wenig zielführend, das übrige Personal auf zu viele Fahrzeuge zu verteilen. 

Als schlagkräftige Einheit ist hier die Staffel mit sechs Feuerwehrleuten sinnvoll. Sie kann selbständig komplexere Aufgaben erfüllen und hat einen Einheitsführer mit einer Ausbildung in Einsatztaktik.

Darüber hinaus können die ergänzenden sechs Einsatzkräfte ebenfalls durch eine weitere Staffel gestellt werden.  Fasst man das Ganze zusammen, ergibt sich ein Löschzug mit einem Zugführer, seinem Führungsassistenten, zwei Staffeln und einer Drehleiter. Das Löschfahrzeug muss von seiner Beladung her flexibel sein, in der Regel wird es ein HLF 20 sein. Dies kann noch auf die Bedürfnisse einer Staffel angepasst werden, insbesondere im Bereich der Mannschaftskabine.

starke Rauchentwicklung aus der Brandwohnung Rettungsmittel werden eingesetzt Rauchgasdurchzündung in der Wohnung

Wie wird diese Vorgabe bei der Feuerwehr München ungesetzt?

Sie besteht aus einer Berufsfeuerwehr mit zehn Wachen und einer Freiwilligen Feuerwehr mit 21 Abteilungen. Der Löschzug der Berufsfeuerwehr besteht aus fünf Fahrzeugen und 18 Einsatzkräfte. Dies sind ein ELW (2), zwei baugleiche HLF (6), eine Drehleiter (2) und ein RTW (2) -  in Klammern jeweils die Besatzungsanzahl. Im Stadtgebiet sind vier Halbzugwachen und sechs Zugwachen verteilt. 

Der Halbzug rückt mit nur einem HLF aus und wird dann durch ein HLF der nächstgelegenen Feuerwache ergänzt. Als Aufgabe für den RTW sind im Brandeinsatz der Eigenschutz und die Erstversorgung von Verletzten vorgesehen. Er kann auch rettungsdienstliche Aufgaben in Bereichen durchführen, die aufgrund des Eigenschutzes einen Pressluftatmer benötigen, wie dies unter Umständen bei der Hochhausbrandbekämpfung erforderlich ist. Somit werden die Vorgaben des AGBF-Grundsatzpapiers vom Stärkeansatz in vollem Umfang erfüllt. 

Das Hilfeleistungslöschfahrzeug (HLF), das Rückgrat der Feuerwehr!

Mittlerweile fährt in München schon die zweite Generation an HLF. Es ist ein vielseitig einsetzbares Löschfahrzeug, das sowohl Einzelaufgaben, als auch Aufgaben im Verbund mit weiteren HLF´s und Sonderfahrzeugen erledigen kann. Die Besatzung besteht aus dem Maschinisten, dem Fahrzeugführer und zwei Trupps. Mit Ausnahme des Fahrers können alle Feuerwehrleute während der Fahrt einen Pressluftatmer anlegen. 

Somit sind alle Varianten des Vorgehens möglich, ein Trupp und ein Sicherungstrupp, zwei Trupps gleichzeitig, ein Dreiertrupp mit Staffelführer oder als fünfköpfiger Stoßtrupp. Mit dem Eintreffen an der Einsatzstelle kann die Besatzung tätig werden, unabhängig von der Anwesenheit weiterer Fahrzeuge. 

Als Pumpe ist eine PFPN 10-2000 verbaut und als Schaumzumischung kommt eine Druckzumischung zum Einsatz. Das Schaummittel ist ein fluorfreies Mehrbereichsschaummittel, das standardmäßig als Netzmittel verwendet wird.

Der Stoßtrupp, eine Staffel im Innenangriff!

Bei dem S-Bahnbrand am Isartor 1997 wurde durch einen raschen Löschangriff der ersten Einheiten, die vor Ort waren, ein großer Schaden und ein längerer Ausfall der S-Bahn-Stammstrecke verhindert. Dies war eine mutige Entscheidung, da sie ohne Pressluftatmer und lediglich mit Filtermasken vorgingen. Als Konsequenz aus diesem Ereignis wurde der Stoßtrupp für Einsätze in unterirdischen Bahnanlagen geboren. 

Die gesamte Besatzung eines HLF´s geht geschlossen zur Brandbekämpfung vor. Dadurch können komplexere Situationen beherrscht werden und es können auch Menschen gerettet werden für die weitere Kräfte nachzufordern wären wie zum Beispiel bei Rollstuhlfahrern. Mittlerweile wird der Stoßtrupp auch zur Hochhausbrandbekämpfung standardmäßig eingesetzt und bildet die Rettungsstaffel bei der Atemschutznotfallrettung.

Einsatz im Zugverband

Kommen die Einsatzkräfte im Löschzug an, werden beide HLF getrennt eingesetzt. Im ersten ergänzt der Fahrzeugführer den Angriffstrupp und geht in der Regel zur Menschenrettung und Brandbekämpfung vor. Der zweite Trupp unterstützt zum Beispiel bei der Vornahme tragbarer Leitern, dem Löschaufbau oder der Vornahme des Überdrucklüfters. Die Drehleiter übernimmt die Menschenrettung bzw. stellt mit einer Anleiterbereitschaft den zweiten Rettungsweg für Gebäude ohne zweiten baulichen Rettungsweg sicher. 

Das zweite HLF übernimmt weitere Aufgaben wie zum Beispiel die Kontrolle des Treppenraums, Vornahme tragbarer Leitern, Stellung des Sicherheitstrupps. Der RTW bleibt in Bereitschaft und kümmert sich um gerettete Personen und gegebenenfalls um verletzte Einsatzkräfte.

Einsatz im Halbzug und Ergänzung durch ein weiteres HLF

Im Unterschied zum Zugverband rüstet sich der Staffelführer vom HLF nicht mit Pressluftatmer aus. Der erste Trupp geht dann allein zur Personenrettung und Brandbekämpfung vor. Der zweite Trupp unterstützt entsprechend dem Zugeinsatz und wird unter Umständen zum zweiten Angriffstrupp oder zum Sicherungstrupp. Das Ergänzungs-HLF wird dann entsprechend der Lage eingesetzt.

Der Einsatz der Drehleiter

Die Drehleiter stellt den zweiten Rettungsweg gemäß der Landesbauordnung sicher. Sie ist in erster Linie ein Rettungsgerät. Daher kann sie für einen Löschangriff nur im Ausnahmefall verwendet werden oder wenn eine weitere Drehleiter vor Ort ist. Das schließt natürlich nicht aus, sie unter Vornahme eines ­Löschrohres von außen zur Verhinderung einer Brandausbreitung einzusetzen. Hierbei muss sie aber jederzeit in der Lage sein sofort eine Menschenrettung durchzuführen. Dazu ist es erforderlich, dass die Besatzung vom Korb in der Regel mit Pressluftatmer ausgerüstet ist.

Menschenrettung

Eine Menschenrettung kann auf zwei verschiedenen Wegen durchgeführt werden. Der offensichtlichste ist die Rettung über die Leitern der Feuerwehr. Dies sind in der Regel die vierteilige Steckleiter und die Drehleiter. Die Schiebleiter ist, da sie nicht im Baurecht verankert ist, eine erweiterte Möglichkeit der Feuerwehr. Deren Bedienung ist jedoch sehr personalintensiv, da mindestens vier Leute benötigt werden. Im Innenangriff erfolgt die Menschenrettung bei nicht bewusstlosen Personen mittels Fluchthauben. Dies sind Hauben mit integriertem Filter. 

Allgemein kann gesagt werden, dass gerade im Hinblick auf die Menschenrettung ein Innenangriff unverzüglich eingeleitet werden muss, da viele Brandopfer auf ihrer Flucht aus der Wohnung im Flur oder im Treppenraum zusammenbrechen. Damit diese Menschenrettung auch funktioniert wird die Feuerwehr in der Regel bei der Planung im Vorbeugenden Brandschutz schon miteingebunden.

Freiwillige Feuerwehr

Jede Abteilung der FF München ist mit einem HLF ausgestattet, das baugleich zu den Fahrzeugen der BF ist. Darüber hinaus ist noch mindestens ein weiteres Löschfahrzeug vom Typ LF 16/12 vorhanden. So ist es möglich, dass die Fahrzeuge der FF die Aufgaben des ersten oder zweiten Löschfahrzeugs übernehmen bzw. selbständig eigene Aufgaben erfüllen können. Bei einer hohen Auslastung der Einsatzkräfte der Berufsfeuerwehr stellen die ca. 900 Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr zusätzlich auch den Brandschutz in der Landeshauptstadtstadt München durch Wachbesetzungen auf den Feuerwachen der Berufsfeuerwehr sicher.

Zusammenfassung

Mit dem Positionspapier der AGBF gibt es einen Standard, der sehr gut die Leistungsfähigkeit einer Feuerwehr beschreibt. Wie er umgesetzt wird, ist von Stadt zu Stadt verschieden. Dies hängt insbesondere auch von örtlichen Gegebenheiten und der entsprechenden Gesetzeslage ab. Die Brandschutzgesetze sind Ländersache, und so gibt es zum Beispiel Unterschiede bei den Hilfsfristen. 

Neben all diesen Zahlen ist es aber wichtig, gut ausgebildete und motivierte Feuerwehrleute zu haben, die all die taktischen und technischen Vorgaben umsetzen können.

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