Die neue H145 – und die Rolle der Luftrettung bei der Reform der Krankenhauslandschaft

Kevin Grigorian, Johannes Jabs

In der neuen H145 können ohne zusätzliche Umbaumaßnahmen Tragegestelle mit Inkubatoraufbau verladen werden.
Lindner Fotografie

Im Dezember 2021 erweiterten die Johanniter mit der Airbus H145 ihre Flotte um das modernste Hubschraubermuster, das derzeit in der zivilen Luftrettung eingesetzt wird. Die für die Johanniter Luftrettung bisher kleinste Maschine ist leichter und leiser als die Vorgänger. Sie verfügt über ein hochmodernes Autopilot-System und statt der bislang üblichen vier Rotorblätter nun über fünf. Vor allem überzeugt die H145 D3 durch eine höhere Leistungsfähigkeit sowie technische Innovationen und setzt durch die vielen neuen medizinischen Möglichkeiten somit neue Maßstäbe im Bereich der zivilen Luftrettung.

Quantensprünge im Bereich der Technik

Der Helikopter Modell H145 D3 löst das Vorgängermodell H145 D2 ab. Sie unterscheiden sich nicht nur dadurch, dass das neue D3 Modell wie bereits dargestellt nunmehr fünf und nicht mehr vier Rotorblätter verbaut hat, sondern insbesondere konnte dadurch in den Bereichen Zuladung und Leistung ein großer Schritt nach vorn gewagt werden. Das fünfte Rotorblatt sorgt des Weiteren für eine wesentlich stabilere und ruhigere Lage in der Luft, welches dem Patientenwohl zuträgt, und macht den Hubschrauber dadurch zu dem leisesten in seiner Klasse. Im Bereich der Avionik und der Navigation ist er auf dem neusten Stand der Technik und verfügt dank seines weiterentwickelten 4-Achsen-Autopiloten über eine weitere nützliche Neuerung und sorgt somit insbesondere im Bereich der Long-Distance-Transporte für eine erhebliche Zunahme an Sicherheit und Entlastung des Piloten.

Angetrieben wird der neue H145 D3 von zwei Turbinen, welche eine maximale Leistung je Triebwerk von 1023 PS erreichen können. Dadurch wird eine Durchschnittsgeschwindigkeit von ca. 230 km/h, eine Kraftstoffzuladung von 915,8 Liter und eine Reichweite von ca. 687 km ermöglicht. Das maximale Abfluggewicht beläuft sich im Zusammenfluss dieser Faktoren auf 3.800 kg.

Zu den weiteren Besonderheiten des neuen H145 gehören eine leistungsstarke Klimaanlage, die selbst bei widrigen Temperaturen eine adäquate Versorgung des Patienten ermöglicht sowie die Aufnahmevorrichtung für eine Rettungswinde auf beiden Seiten des Hubschraubers.

Gewappnet für Extremeinsätze

Die Johanniter Luftrettung hat sich bereits vor mehreren Jahren dazu entschlossen, die Windenrettung in ihr Leistungsportfolio aufzunehmen. Die Flutkatastrophe im Ahrtal und in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2021 hat verdeutlicht, wie wichtig diese Fähigkeit ist und dass, selbst wenn die Windenrettung im alltäglichen Einsatzgeschehen der Luftrettung eine untergeordnete Rolle spielt, diese für Extremsituationen dennoch vorzuhalten ist. Die Ereignisse im Ahrtal, als die Johanniter Luftrettung mit einer AS365 N3, einem ihrer weiteren Hubschraubermuster, mithilfe von Seilen Menschen aus den Fluten gezogen und von Dächern gerettet hatte, untermauerten die Entscheidung.

 „Als wir unsere beiden neuen Maschinen vom Typ H145 vor zwei Jahren bestellt haben, ließen wir die Hubschrauber direkt mit Windenhalterungen auf beiden Seiten ausstatten.“, erklärt Oliver Meermann, Landesvorstand und Geschäftsführer der Johanniter Luftrettung. „Auch einen Teil unserer restlichen Flotte haben wir inzwischen mit Halterungen nachgerüstet. Wir müssen leider davon ausgehen, dass es in Zukunft vermehrt Wetterereignisse geben wird, die zu Hochwassern und Überflutungssituationen führen. Aber auch Unfälle oder medizinische Notfälle in großer Höhe sind denkbar, wie zum Beispiel auf Windrädern, Kränen oder hohen Baugerüsten. Die Einsatzmöglichkeiten der Winde sind vielfältig. Wenn wir in so einem Fall gebraucht werden, sind wir an jedem unserer Standorte in Deutschland in der Lage, Windenrettung durchzuführen“.

Frank Zabell, Geschäftsführer der Johanniter Luftrettung und selbst Pilot, fügt hinzu 

„Als unsere Crew im Ahrtal die Menschen in Lebensgefahr sah, hat sie, allen voran natürlich der Pilot als Verantwortlicher für die Sicherheit von Crew und Maschine, entschieden, dass sie eingreifen müssen, um Menschen vor den tödlichen Fluten zu retten. Sie haben es einfach gemacht. Sollte es zu solch einer Situation erneut kommen, kann man uns anfordern, dann wird die Winde an den Hubschrauber montiert und wir gehen mit professioneller Ausrüstung und geschultem Personal in den Einsatz. Dabei muss niemand Bedenken haben, dass wir deswegen unserer Beauftragung bzw. unseren vertraglichen Pflichten im Rettungsdienst und im Intensivtransport nicht mehr nachkommen. Wir verfügen über einen Hubschrauberpool und können jederzeit eine unserer Ersatzmaschinen aktivieren und in den Einsatz schicken“.

Die beiden modernsten Maschinen vom Typ H145 D3, die in der Regel am Standort Gießen im Einsatz sind, verfügen über einen eigenen Windentyp. Neben den beiden Maschinen des H145 D3 wird die Flotte der Johanniter durch das Modell AS365 N3 und H155 ergänzt. Der zweite Windentyp kann an den Modellen der AS365 N3 sowie an die größte Maschine der Flotte, der H155, montiert werden.

Erweitertes Einsatzspektrum durch modularen Innenausbau

Die medizinische Ausstattung setzt auf ein modulares System, bei dem der konkrete Innenausbau frei gestaltet werden kann. Bei der neuen H145 D3 wurden alle Abläufe in und um den Patienten mitgedacht, sodass die ergonomische Gestaltung zu einer deutlichen Verbesserung der Arbeitsabläufe führt. Die flexibel und modular gestaltete Ausrüstung ermöglicht mehrere Konfigurationen und verschiedene Optionen für unterschiedliche Anforderungen der Einsätze. So konnte auf Wunsch der Johanniter Luftrettung gemeinsam eine Möglichkeit geschaffen werden, Patienten, die sich unter einer laufenden ECMO-Therapie befinden, noch mehr Möglichkeiten bieten zu können. Häufig wird ein solches ECMO-System über die Leiste implantiert. Nicht zuletzt die COVID-Pandemie zeigte, dass dies nicht immer möglich ist, sondern hierfür der Hals gewählt werden musste. 

Klassische Intensivtransporthubschrauber waren bisher lediglich in der Lage, Patienten mit ECMO-Anlage in der Leiste zu transportieren. Mit dem neuen Innenausbau ist es nun auch möglich, im Hubschrauber Modell H145 D3 die ECMO-Gerätschaften im Bereich des Patientenoberkörpers zu lagern. Dies wird durch eine Anpassung der Module sowie den damit verbundenen erweiterten Konfigurationsmöglichkeiten ermöglicht.

Ergänzt wird das modulare System durch eine Roll-In-Trage, welche in einem nach DIN EN 1789 konformen Rettungsfahrzeug ohne Modifikationen fixiert werden kann. Die Aufnahmemöglichkeit einer Roll-In-Trage im neuen H145 D3 ermöglicht, dass auch andere Sondertransporte, wie z.B. Flüge mit einem auf einem Tragegestell fixierten Inkubator, sehr schnell und ohne Umbauaufwand durchgeführt werden können.

Mit der breit aufgestellten Hubschrauberflotte schafft es die Johanniter-Unfall-Hilfe, ein extrem breites Einsatzfeld abzudecken. Neben den alltäglichen Rettungs- und Intensivverlegungseinsätzen sind die Hubschrauber speziell für Einsätze mit besonderen Herausforderungen geeignet und können vom Inkubator-, über Infektions- auch Schwerlasttransporte abdecken. Damit kann letztlich jeder Patient, egal wie jung, alt, klein, groß, etc. transportiert werden. Dabei wird der Einsatzwert der Luftrettungsmittel bei der sich verändernden Kliniklandschaft künftig noch weiter in den Fokus rücken.

Die neue Fahrtrage ist extra von Bucher entwickelt worden, um in allen der Norm...
Die neue Fahrtrage ist extra von Bucher entwickelt worden, um in allen der Norm entsprechenden Rettungsfahrzeugen transportiert werden zu können.
Quelle: Frank Beck, Gießen

Krankenhausreformvorschläge

Die Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung hat im Dezember 2022 Empfehlungen zur Krankenhausverfügung vorgelegt. Auch wenn die Veränderung der Vergütungsstruktur nicht unmittelbar auf die Krankenhauslandschaft ausgewirkt hat, so wird sich mindestens mittelbar eine Veränderung ergeben. Die Krankenhausfinanzierung soll ausgehend von einem rein DRG-basierten System hin zu einer Finanzierung bestehend aus Vorhaltung- und Leistungsvergütung umgewandelt werden.

Dabei werden die Krankenhäuser in Versorgungsstufen – sogenannte Level – unterteilt:

• Level I – Grundversorgung:

Kliniken zur Grundversorgung sollen in Gegenden, in denen Feuerwehr & Katastrophenschutz im Radius von 30 km kein Level II-Versorger erreichbar ist, die grundlegenden Versorgungsbedarfe abbilden. Level I-Versorger werden sich in I für integrierte Versorgung, also einer verzahnteren Versorgung von ambulant und stationär, und In mit Versorgung auf Notfallstufe Ii entsprechend der G-BA-Aufstellung unterteilen lassen.
Level I-Versorger werden vor allem dadurch geprägt sein, dass hier eine Basisbehandlung für die Leistungsgruppen Innere Medizin und Chirurgie gewährleistet wird und außerhalb der Kernzeiten die Ärzte lediglich über eine Rufbereitschaft erreichbar sein werden.
Ein Hubschrauberlandeplatz ist lediglich vorzuhalten, wenn das nächste Level III-Krankenhaus mehr als 30 km entfernt ist.

• Level II – Regel- und Schwerpunktversorgung:

Kliniken zur Regel- und Schwerpunktversorgung sind in der Regel deutlich größere Häuser mit mindestens drei verschiedenen internistischen und mehreren chirurgischen Leistungsgruppen sowie einer Stroke-Unit.
Hervorzuheben ist hier, dass auch bei Level II Kliniken ein Hubschrauberlandeplatz erst vorzuhalten ist, wenn das nächste Level III Krankenhaus mehr als 30 km entfernt ist.

• Level III – Maximalversorgung:

Level III Kliniken zeichnen sich durch ein breiteres Leistungsangebot und die ärztliche Anwesenheit in vordefinierten Leistungsbereichen aus. Bei den Kliniken der Maximalversorgung wird es mit Level IIIU eine besondere Kategorie der Universitätskliniken, die auch gesondert vergütet werden soll, geben.
Ferner sollen Leistungsgruppen definiert werden. Die Regierungskommission kritisiert, dass Krankenhäuser zu häufig auch ohne passende personelle und technische Ausstattung Herzinfarkte, Schlaganfälle oder onkologische Erkrankungen behandeln würden.
Um diesem Einhalt zu gebieten, wäre die Behandlung bestimmter Krankheitsbilder nur noch im Rahmen der dazu passenden Leistungsgruppen möglich. Damit soll sichergestellt werden, dass – ähnlich der Vorgaben zu Mindestmengen oder Strukturmerkmalen – die medizinische Behandlung qualitativ hochwertig erbracht wird. Die Regierungskommission schlägt in dem Gutachten 128 Leistungsgruppen vor und benennt dabei zugleich, ab welchem Level welche Leistungsgruppe erbracht werden darf.

Folgen einer Krankenhausreform

Mit einer Spezialisierung der Krankenhäuser wird eine Ausdünnung aufnahmebereiter Notaufnahmen einhergehen. Die meisten Krankenhausgesetze sprechen bei der Aufnahme von dem „nächstgelegenen, geeigneten Krankenhaus“. Präklinisch wird vor allem das Kriterium der Geeignetheit eine Rolle spielen, denn wenn bestimmte Krankheitsbilder nicht mehr behandelt werden (dürfen), scheiden jene Krankenhäuser bereits bei der Erst- mindestens jedoch bei der Weiterversorgung aus. Diese Ausdünnung wird einen direkten Effekt auf die Leistungsfähigkeit des Rettungsdienstes haben.

Die neue H145 gemeinsam mit der großen H155.
Die neue H145 gemeinsam mit der großen H155.
Quelle: Lindner Fotografie

Längere Wegstrecken für die adäquate klinische Versorgung

Vor allem im ländlichen Raum wird die Ausdünnung der Krankenhauslandschaft und die reine Vorhaltung von Level I Kliniken dazu führen, dass die Tracer-Diagnosen, die eine zeitkritische klinische Behandlung bedürfen, nicht mehr bodengebunden transportiert werden können. Mit Anfahrtszeiten an den Grenzen der Hilfsfristen und Fahrstrecken zur nächsten Level II-Klinik von mehr als 30 km können verschiedene klinische Interventionen kaum noch im relevanten Zeitfenster angestoßen werden. Um dies zu kompensieren wird die Luftrettung eine noch zentralere Rolle als bisher einnehmen. Derzeit sind RTH und ITH vielerorts als zweiter Abmarsch bei nichtverfügbarem NEF hinterlegt und das Luftrettungsmittel fungiert hier primär als Notarztzubringer.

In Zukunft wird zu planen sein, in welchen Gegenden RTH oder ITH zur Versorgung von Tracer-Diagnosen bereits unmittelbar als erster Abmarsch zu alarmieren sind, damit der Patient direkt und ohne zeitliche Verzögerung per Luftrettungsmittel in das geeignete Zielkrankenhaus gebracht werden kann. Nur so wird bei ausgedünnter Kliniklandschaft die Interventionszeit zu halten sein.

Zunahme an Sekundärtransporten

Hinzu kommt, dass mit der Spezialisierung der Klinken auch eine Zunahme an notwendigen Sekundärtransporten einhergehen wird. PatientInnen mit komplexen Krankheitsbildern, die sich nicht einer einzelnen Leistungsgruppe oder den in der jeweiligen Klink bedienten Leistungsgruppen zuordnen lassen, werden künftig häufiger in Level II- und Level III-Krankenhäuser verbracht werden müssen.

Dabei ist zu beachten, dass sich das Patientenspektrum verschiebt. Die PatientInnen werden älter, der Anteil an schwer- und übergewichtigen PatientInnen steigt und die Möglichkeiten der medizinischen Versorgung nehmen fortwährend zu. Dies führt dazu, dass klassische Intensivtransporthubschrauber zum Teil an ihre Grenzen kommen. Sondertransporte wie ECMO-, Infektions- und Inkubatortransporte sind mit den klassischen Intensivtransporthubschraubern nur bedingt möglich. Die größeren Modelle, wie sie die Johanniter Luftrettung einsetzt, bieten dabei nicht nur mehr Kapazität, sondern ermöglichen auch eine Versorgung während des Transports.

Hubschraubermodelle wie der AS365 oder der H155 sind mit der größeren Kabine und der quer eingebauten Trage sowie der höheren Fluggeschwindigkeit und der größeren Reichweite deutlich besser als Intensivtransporthubschrauber geeignet. Es wird also in Zukunft nicht nur die reine Standortfrage, sondern ebenfalls die Modellpalette zu betrachten sein – was die Luftrettungsplanung nicht minder komplex macht.

Perspektiven der Luftrettung

Mit der Luftrettung können Engpässe im bodengebundenen Rettungsdienst kompensiert werden. In Kombination mit einer der Notfallsanitäterausbildung gerecht werdenden Regelkompetenz bietet die effektive Einbindung der Luftrettung die Chance, Notärzte schnell über lange Wegstrecken zu transportieren und vor allem dort einzusetzen, wo sie gebraucht werden. Die effizientere Nutzung der Luftrettungsmittel zum Transport von Patienten entlastet außerdem den bodengebundenen Rettungsdienst vor Ort und führt dazu, dass die Rettungswagen schneller wieder zur Verfügung stehen.

Die Herausforderung wird sein, die unterschiedlichen Planungsansätze mit all ihren Bedarfen und Stakeholdern miteinander zu synchronisieren, denn Krankenhausplanung und Rettungsdienstbedarfsplanung können nicht losgelöst voneinander betrachtet werden.

Literatur bei Verfassern.


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