Rettungsdienst: DRK sieht Reformmaßnahmen kritisch
Insbesondere die enorme Zunahme an Einsätzen des Rettungsdienstes von gut 8,5 auf über 14,1 Millionen Einsätze zwischen 2001 und 2022 hat dazu geführt, dass der Rettungsdienst vielerorts vor enormen Herausforderungen steht. Anpassungen sind also dringend notwendig, um den Rettungsdienst zu entlasten und für die Zukunft aufzustellen. „Wir begrüßen den Vorstoß für gesetzgeberische Anpassungen beim Rettungsdienst zu sorgen. Der Vorschlag der Bundesregierung würden jedoch in einigen Bereichen zu einer Verschlechterung der Lage beitragen“, sagt Christian Reuter, Generalsekretär des Deutschen Roten Kreuzes (DRK).
In einem Schnellverfahren bringt die Bundesregierung derzeit Maßnahmen für den Rettungsdienst in den laufenden Gesetzesprozess der Notfallreform ein. Am Mittwoch gibt es zu den kürzlich vorgelegten Neuregelungen eine Anhörung im Bundestag, bevor bereits Mitte November das Gesetz vom Bundestag beschlossen werden soll.
„Man hat angesichts dieses Vorgehens den Eindruck, es besteht Torschlusspanik. Auch die Leistungserbringer, wie das DRK, und die Bundesländer als direkt Betroffene wurden bisher unzureichend einbezogen. Damit wird man der Relevanz des Rettungsdienstes nicht gerecht. Ganz abgesehen davon, hätte man die Reform der Notfallversorgung ganzheitlich angehen und stärker mit der Krankenhausreform zusammen denken müssen“, sagt der DRK-Generalsekretär.
An den vorgesehenen Maßnahmen bemängelt das DRK insbesondere, dass sich der Bund Aufgaben und Regulierungen im Feld des Rettungsdienstes zu Eigen machen will, für die er verfassungsmäßig keinerlei Zuständigkeit hat – mit entsprechend negativen Folgen in der Praxis (die fehlende Zuständigkeit wurde erst kürzlich im Rahmen eines Gutachtens juristisch dargelegt). So spricht sich das DRK unter anderem dagegen aus, dass im Rahmen eines bundesweit zuständigen Gremiums Vorgaben hinsichtlich des Rettungsdienstes erlassen werden sollen. Das DRK fordert dagegen, dass der Rettungsdienst im gleichen Umfang wie bisher in der Regelungskompetenz der Bundesländer verbleibt.
„Es braucht konkrete regionale und lokale Kenntnisse, um den Rettungsdienst zu regulieren. Dieses Wissen liegt unbestreitbar bei den Ländern und Kommunen. Zudem unterliegt der Rettungsdienst verfassungsgemäß sowieso der Kompetenz der Länder“,
so Christian Reuter, der darauf verweist, dass der Rettungsdienst Bindeglied zum Katastrophenschutz und ein wichtiger medizinischer Bestandteil des gesundheitlichen Bevölkerungsschutzes, somit der Gefahrenabwehr, sei und damit verfassungsrechtlich Aufgabe der Länder.
Das DRK begrüßt dagegen, dass durch die Akutleitstellen ein wichtiger Punkt angegangen werde.
„Das neue Gesundheitsleitsystem soll es ermöglichen, Patienten in Notfällen schneller dorthin zu vermitteln, wo ihnen bestmöglich geholfen werden kann. Gelingt dies in der Umsetzung, dann entlastet es die Notaufnahmen und Rettungsdienste und führt zu einer besseren Gesundheitsversorgung“, sagt Reuter.
Das DRK fordert als wichtige Ergänzung zum bestehenden Rettungsdienst ein klares Bekenntnis zum vorbeugenden Rettungsdienst. Mit dessen Einführung könnte die Qualität der außerklinischen Gesundheitsversorgung zusätzlich gestärkt werden. Durch die Einbindung von aufsuchenden Diensten inklusive sozialer und pflegerischer Komponenten könnte in viele Fällen proaktiv vermieden werden, dass Patienten zu Notfallpatienten werden.
Zudem verweist das DRK darauf, dass im Rahmen des weiteren Gesetzgebungsprozesses die Stärkung der Selbsthilfefähigkeit und Gesundheitskompetenz der Bevölkerung weiter auszubauen sei.
„Mit dem nötigen Gesundheitswissen kommt es häufig erst gar nicht zu einem Notfall. Und sollte es doch so weit kommen, braucht es möglichst schnell einen Ersthelfenden. Insofern ist auch der niedrigschwellige Zugang zu Erste-Hilfe-Kursen zu fördern“, sagt Reuter. „Diese Aspekte darf die Bundesregierung nicht ausklammern, wenn wir unser gemeinsames Ziel einer qualitativ guten und sachgerechten notfallmedizinische Versorgung in allen Regionen erreichen und sicherstellen wollen.“
Zum Hintergrund:
Die deutliche Zunahme an Einsätzen resultiert aus Sicht des DRK aus mehreren Faktoren, unter anderem der demographischen Entwicklung, fehlenden niedrigschwelligen Hilfen, einer wachsenden Inanspruchnahme des Rettungsdiensts auch bei kleineren medizinischen Fällen und Unwissenheit über das dreigliedrige Notfallsystem und dessen Erreichbarkeit.
Der Rettungsdienst schlägt für die anerkannten Hilfsorganisationen eine essentielle Brücke zwischen Gesundheitswesen und Gefahrenabwehr. Durch den alltäglichen Einsatz wird ein System geschaffen, das größeren Schadensereignissen bis hin zu Katastrophen- und Zivilschutzlagen effektiv und bedarfsorientiert begegnet. Dies sorgt auch dafür, dass das DRK seiner Verpflichtung gegenüber dem Staat, in Katastrophen und Krisen zu helfen, nachkommen kann. Der Rettungsdienst ist ein wichtiger Baustein des gesundheitlichen Bevölkerungsschutzes (Stichwort Gefahrenabwehr), da so in besonderen Lagen mit Unterstützung vieler ehrenamtlicher Einsatzkräfte zusätzliche Kapazitäten zur Verfügung gestellt werden können.
Das Deutsche Rote Kreuz ist der größte rettungsdienstliche Leistungserbringer in Deutschland. Mit ca. 37.200 angestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Rettungsdienst sowie rund 23.000 Ehrenamtlichen ist das DRK mit über 5.200 Notarzt-Einsatz-Fahrzeugen (NEF), Rettungs- und Krankentransportwagen (RTW/KTW) jeden Tag für die Menschen im Bundesgebiet im Einsatz (Stand Ende 2022). Die Mitarbeitenden aus den Rettungsdiensten des DRK rücken täglich zu durchschnittlich circa 20.000 Einsätzen in der Notfallrettung sowie im Krankentransport aus.
Die Stellungnahme des DRK anlässlich der Bundestagsanhörung finden Sie unter diesem Link.
Die gemeinsame Stellungnahme mit dem Deutschen Landkreistag ist hier auffindbar.
Hier finden Sie ein juristisches Gutachten im Auftrag des DRK, das die verfassungsmäßige Zuständigkeit der Bundesländer für den Rettungsdienst darlegt.