„Sturzflut 2017“: Damit im Ernstfall alles klappt

Sigurt G. Zacher

Sigurt G. Zacher

Mitte Oktober 2017: Rund 600 Einsatzkräfte unterschiedlichster Hilfsorganisationen des Rhein-Sieg-Kreises proben bei einer groß angelegten Katastrophenschutz-Übung unter dem Arbeitstitel „Sturzflut 2017“ in Teilen von Hennef, Sankt Augustin, Siegburg und Troisdorf das Zusammenspiel. Beteiligt waren unter anderem Strömungsretter der Deutschen Lebensrettungs-Gesellschaft (DLRG), Wasserrettungszüge der Wasserwacht des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), Feuerwehr, Malteser-Hilfsdienst, Technisches Hilfswerk (THW) und die Bundespolizei. Beobachter von Polizei und Bundeswehr brachten beim theoretischen Planspiel der Führungskräfte ihr Know-how in der Einsatzleitzentrale der Siegburger Feuerwache ein.

Zur Erleichterung aller Beteiligten entsprachen die äußeren Bedingungen jedoch nicht dem Arbeitstitel, es herrschten vielmehr angenehme Temperaturen bei strahlendem Sonnenschein, bei denen das Üben sicher eher Spaß machte, wenngleich der ein oder andere aufgrund der zu tragenden Montur dennoch gehörig ins Schwitzen kam.

Im Rahmen einer geführten Rundfahrt konnte man sich an mehreren Stationen einen Eindruck über die unterschiedlichen Szenarien machen. Parallel wurde in der Feuerwache Siegburg von der Einsatzleitung ein Planspiel und die damit verbundene Koordination der einzusetzenden Kräfte simuliert. 60 Fachberater und Führungskräfte der beteiligten Hilfsorganisationen saßen dort mit Vertretern von Bundeswehr, Polizei und Verwaltung zusammen und spielten eine Stabsrahmenübung ebenso durch wie zusätzlich angenommene Sturmschäden und ein Hochwasser des Rheins.

In ihren Grußworten hoben Kreisdirektorin Annerose Heinze und Kreisbrandmeister Dirk Engstenberg die Bedeutung hervor, dass im Ernstfall jede Einheit, jede Hilfsorganisation wissen müsse, was der andere tue, tun könne, und dies nicht nur am grünen Tisch durch das Verschieben von Modellautos oder symbolisierten Einheiten durchgespielt werden könne. Daher dankten beide auch allen Beteiligten, in der Regel Ehrenamtler, für ihr Engagement in ihrer Freizeit. Die Übung trage wesentlich dazu bei, im Ernstfall erfolgreich zu sein. 

Ähnlich äußerte sich auch Landrat Sebastian Schuster, der sich später auch persönlich an verschiedenen Übungsstationen ein Bild vor Ort machte und in der Einsatzzentrale über den Stand der Übung in Kenntnis setzen ließ. Dabei begrüßte und lobte auch er ausdrücklich das Engagement der beteiligten Kräfte: „Ich danke ganz besonders den beteiligten Ehrenamtlern, die im Ernstfall für den Schutz unserer Bürgerinnen und Bürger da sind und ohne die der Katastrophenschutz im Rhein-Sieg-Kreis nicht funktionieren würde.“

Sandsäcke zur Deichverstärkung werden von einem SuperPuma der Bundespolizeit...
Ein SuperPuma der Bundepolizei fliegt Sandsäcke zur Deichverstärkung ein.
Quelle: Sigurt G. Zacher

Übungs-Szenarien zu Land, zu Wasser und aus der Luft

An einem Szenario wurde der Einsturz einer Brücke angenommen. Eine an dieser entlanglaufenden Gasleitung sollte gesichert und die angrenzende Bebauung durch eine Erhöhung des Deiches geschützt werden. Um dies zu gewährleisten, mussten zunächst Personal und Material der Hilfskräfte über das fließende Gewässer mittels Boots-Pendelverkehr übergesetzt werden. 

Da die Böschung als instabil und daher für Material und Personal nur schwer überwindbar angenommen wurde, unterstützte das THW das Wassern und Beladen der Boote der Wasserwacht mittels Kran. Auf der anderen Uferseite sollte das Abdichten und Erhöhen des Deichs geprobt werden, wobei dieser um 1,50 Meter erhöht werden sollte. Nach Aussagen der vor Ort zuständigen Leiter von DLRG, THW und Wasserwacht, Michael Grohe, Markus Schrems und Martin Schröder, erforderte dies an der Sohle der Deicherhöhung eine Breite von drei Metern.

An einer weiteren Station wurde die Durchweichung des Deiches simuliert. Um das Zusammenspiel mit der Bundespolizei zu üben, wässerten Kräfte der Feuerwehr einen Abschnitt, der von der Besatzung einer EC135 der Bundespolizei mittels Wärmebildkamera auf eine potentielle Durchweichung aufgeklärt wurde. Das mit dem Hubschrauber aufgenommene Bild konnte so sowohl von dessen Operateur als auch von einem Kollegen am Boden, an den es auf Computer übertragen wurde, analysiert werden. Dieser Test sollte zeigen, inwieweit die Technik funktioniert, um neben dem Operateur im Hubschrauber auch Experten am Boden Analysen vornehmen können. Ob das System in der Praxis letztendlich praktikabel ist, soll nach Darstellung von Ilona Roloff, Pressesprecherin der BuPol vor Ort, in der Nachbetrachtung analysiert werden. 

Abgerundet wurde dieses Szenario mit der Einbringung von Sandsäcken zur Deichverstärkung mittels eines SuperPuma. Der legte nach nur wenigen Versuchen diese punktgenau auf dem Deich ab. Wie Frau Roloff hervorhob, soll der Heli bis zu 2,5 Tonnen Fracht an der Winde transportieren können, bei der Übung hier beschränkte man sich jedoch auf 1,8 Tonnen. Im Anschluss übernahmen Kräfte des THW die Sicherung des Deiches durch das Verteilen der angelieferten Sandsäcke auf der Deichkrone. Parallel zu den Arbeiten auf dem Deich führte eine Einheit des THW Messungen durch, um potentielle Erschütterungen des Deiches zu lokalisieren.

An einer weiteren Station wurde dann ein Schadensereignis an einem Deich angenommen. Um dessen Einsturz zu verhindern, sollte eine Sperre aufgebaut und gesichert werden. Damit, so die Verantwortlichen vor Ort, könne zwar das Durchsickern des Wassers nicht gänzlich verhindert werden, allerdings ein Bruch des Deiches und damit das Einschwemmen von Material. Um die Stabilität des Deiches zu gewährleisten, sollte dieser an seiner Sohle eine Breite von bis zu acht Metern haben.

Kampf gegen das Wasser

Die Simulation eines weiteren Übungsteils war nur andeutungsweise möglich, da hier geprobt werden sollte, wie mit wenig Personal und logistischer Unterstützung ein Barrierensystem errichtet werden kann. Dies erfolgte unter Leitung des Chefs der Siegburger Wache, Thomas Glatz. Mit dem „Barrier System“ sollte gezeigt werden, dass sich wichtige Örtlichkeiten, etwa essentiell gefährdete Industrieanlagen, infrastrukturelle Anlagen oder auch Verwaltungsgebäude schnell effektiv schützen lassen. 

In zusammengelegtem Zustand passt das System auf zwei Euro-Paletten und lässt sich auf einem Lkw transportieren, zum Aufbau ist nur wenig Personal vonnöten. Die schlauchartigen Elemente sind zehn oder zwanzig Meter lang und werden mittels Kompressorluft aufgebaut. Im Anschluss wird die Luft durch Brackwasser, das ja im Einsatzfall zu Genüge zur Verfügung steht, ersetzt. In aufgebautem Zustand sind sie 80 Zentimeter hoch.

Wie Glatz hervorhob, ersetzt dieses schnell installierbare System – in kaum mehr als einer Stunde einsatzbereit - 20 bis 25 Tonnen Sand, die ja zudem erst in mühsamer personalintensiver Arbeit in Sandsäcke verfüllt werden müssten, was bis zur Komplettierung fünf bis sechs Stunden benötigen würde.

Die mobile Sperre soll sensible und wichtige Anlagen im Bedarfsfall schnell...
Die mobile Sperre soll sensible und wichtige Anlagen im Bedarfsfall schnell schützen.
Quelle: Sigurt G. Zacher

Glatz zeigte sich zum einen erfreut darüber, dass die Kreisstadt 100 Meter dieses Systems beschafft habe, zum anderen aber auch, dass auch die Nachbarkommunen Eitorf und Lohmar dies getan hätten. Damit, so Glatz, sei ein problemloser Anschluss der Systeme gewährleistet. Sofern es sich bewähre, wovon er persönlich überzeugt sei, könne und würde man sicher in der Kreisstadt über eine Beschaffung weiterer Elemente nachdenken.

An der nächsten Station wurde eine Verklausung dargestellt, d. h. angeschwemmtes Material versperrt das fließende Gewässer. Als Dummy diente hier ein in das fließende Gewässer eingebrachter Baumstamm, durch einen Schreitbagger des THW gesichert. Von Strömungsrettern der DLRG angebrachte Ketten sollten dann dafür sorgen, dass der Baumstamm über ein Seilwinden-System des THW geborgen werden konnte.

An einem weiteren Szenario sollte das Abpumpen von Wassermassen simuliert werden. Aufgrund eines angenommenen instabilen Ufers, an der entsprechenden Stelle zudem durch große Steinbrocken gewissermaßen zusätzlich erschwert, ließen sich die Pumpen nicht direkt in das fließende Gewässer einbringen. So wurde das Wasser über vier Leitungen und zwei Hannibal-Pumpen (Leistungsvermögen: 5.000 l/min, Vakuumanlage) in einen Zwischenspeicher gepumpt und mittels HFS-System abgeführt. Wie der zuständige Leiter des Abschnitts, der stellvertretende Leiter der Wache Siegburg, Georg Burmann, hervorhob, verfüge jede Region NRWs über ein derartiges System. Das im Rahmen der Übung Eingesetzte für den hiesigen Kreis sei in Köln stationiert.

Zum Abschluss ließ sich Landrat Schuster in der Einsatzleitzentrale der Feuerwache Siegburg über den Stand der Übung, das Planspiel und den weiteren Verlauf des Tages informieren. Im Rahmen des Planspiels wurde etwa auch angenommen, dass der Rhein Hochwasser führt und Verletzte mittels Transportkapazität der Bundeswehr, Stichwort Medivac, in ein Bundeswehrkrankenhaus verlegt werden müssen. So galt es freie Kapazitäten festzustellen und für den Transport von den größeren Flugplätzen zu den Kliniken Hubschrauber bereit zu halten.

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