Krebsrisiko im Feuerwehrdienst

Erste Erkenntnisse und Ergebnisse der Studie Krebsgefahren im Feuerwehrdienst

PantherMedia / Stefan Gruber

Das Sachgebiet "Feuerwehren und Hilfeleistungsorganisationen" (SG FwH) und der Fachbereich "Feuerwehren, Hilfeleistungen, Brandschutz" (FB FHB) der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) führen das Forschungsprojekt "Krebsrisiko für Feuerwehreinsatzkräfte: Strategien zur Expositionsvermeidung und -erfassung" durch. 

Das Projekt gliedert sich in drei Teile:

  • Entwicklung von Expositionsvermeidungsstrategien im Feuerwehreinsatz;
  • Entwicklung einer praxisgerechten Expositionsdokumentation und die Anpassung der Zentralen Expositionsdatenbank (ZED) an den Feuerwehrdienst;
  • Biomonitoring von Feuerwehreinsätzen bei Realbränden. 

Im Projekt sollen insbesondere Strategien und Verhaltensweisen entwickelt bzw. auf den Bereich der Feuerwehr übertragen werden, wie eine wirksame Expositionsvermeidung im Einsatzalltag erreicht werden kann. Langfristig sollen dadurch berufsbedingte bzw. durch die ehrenamtliche Tätigkeit erworbene Krebserkrankungen vermieden werden.

Krebsrisiko im Feuerwehrdienst

Bis Ende Oktober 2019 konnten 87 epidemiologische Studien zu Krebsrisiken von Feuerwehreinsatzkräften aus der internationalen Literatur identifiziert werden. Nicht alle dieser Studien eignen sich für die Beurteilung des Krebsrisikos, da z. B. Einsatzkräfte zusammen mit Polizeikräften oder Militärangehörigen ausgewertet wurden. Auch berichten nur wenige Studien die Risiken von weiblichen Einsatzkräften oder von Freiwilligen Feuerwehren. Für eine epidemiologische Bewertung eignen sich daher insbesondere die Studien, die männliche Berufsfeuerwehreinsatzkräfte untersuchten.

Feuerwehrmann löscht ein brennendes Auto
Feuerwehrmann bekämpft einen Brand
Quelle: PantherMedia / ChiccoDodiFC

Mittels einer Meta-Analyse - also der nach Studiengröße und Variabilität gewichteten Auswertung der Risiken aller in die Analyse eingeschlossenen Studien - ergab sich bei den Kohortenstudien insbesondere für Blasenkrebs ein erhöhtes Risiko. Das Sterblichkeitsrisiko im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung war um 72 % erhöht und das Erkrankungsrisiko um 18 %. Zudem zeigte sich ein um 46 % erhöhtes Mesotheliomrisiko. Die eingeschlossenen Fall-Kontrollstudien zeigen insgesamt bei mehr Krebserkrankungen erhöhte Risiken, allerdings war hier die Anzahl der auswertbaren Studien sehr gering. Das größte Risiko zeigte sich für Nierenkrebs mit einer Erhöhung von 132 %, die auf drei Studien basiert.

Weiterhin sind die Ergebnisse der epidemiologischen Studien teilweise heterogen. Insbesondere Kohortenstudien und Fall-Kontrollstudien lieferten unterschiedliche Ergebnisse. Auch veränderten sich für manche Krebserkrankungen die Risiken je nach Jahr des Beschäftigungsbeginns der Einsatzkraft. Für Magenkrebs sanken diese Erkrankungsrisiken im Laufe der Zeit, während sie für den schwarzen Hautkrebs und Prostatakrebs anstiegen.

Länderspezifische Unterschiede der Krebsrisiken waren ebenfalls zu beobachten.

Teilprojekt 1: Expositionsvermeidungsstrategien

Ein Baustein, um wirksame Expositionsvermeidung im Einsatzalltag zu erreichen, ist die Vermeidung von entsprechenden Expositionen. Die DGUV-Regel 105-049 "Feuerwehren" fordert, dass bauliche Anlagen so gestaltet und eingerichtet sein müssen, dass eine Schadstoffverschleppung vermieden wird. Auch sind Kontaminationen der Einsatzkräfte durch geeignete Schutzmaßnahmen zu vermeiden. Die DGUV hat hierzu eine Handlungsanleitung mit "Best Practice" Beispielen erstellt, die voraussichtlich im zweiten Quartal 2020 veröffentlicht wird. Diese konkreten Beispiele sollen den Feuerwehren helfen, eine Expositionsverschleppung zu vermeiden.

Teilprojekt 2: Expositionsdokumentation

Nach §14 der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) sind auch die Arbeitgeber der kommunalen Feuerwehren verpflichtet über die Beschäftigten, die Tätigkeiten mit krebserzeugenden und/oder keimzellmutagenen Gefahrstoffen der Kategorie 1A und 1B ausüben und bei denen eine Gefährdung der Gesundheit und Sicherheit besteht, ein Verzeichnis zu führen. Dabei hat der Arbeitgeber die Pflicht zur Dokumentation, Archivierung und Aushändigung. Die beiden letzten Pflichten kann er an die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung delegieren. Die Zentrale Expositionsdatenbank (ZED) sichert die rechtskonforme Archivierung und Aushändigung. Weitere Informationen über die ZED können unter https://zed.dguv.de abgerufen werden.

Zwei Möglichkeiten der gesetzlich geforderten Expositionsdokumentation
Zwei Möglichkeiten der gesetzlich geforderten Expositionsdokumentation
Quelle: Hueter/DGUV

Teilprojekt 3: Biomonitoring-Studie

Vor dem Start der Hauptstudie zum Biomonitoring von Feuerwehreinsätzen bei Realbränden an den Standorten Hamburg und Berlin wurden die Studieninstrumente in einer Pilotstudie in Bochum getestet. Dies betraf hauptsächlich die Verständlichkeit der Fragebögen sowie das gesamte Verfahren der Urinabgabe, das Einfrieren im - auf der Wache bereitgestellten - Gefrierschrank und das Tragen der Baumwollbekleidung. Dies eröffnete die Möglichkeit vor Beginn der Hauptstudie notwendige Änderungen vorzunehmen.

Die Pilotstudie wurde von Februar bis Mai 2018 durchgeführt. Insgesamt hatten sich 25 Einsatzkräfte der Berufsfeuerwehr bereit erklärt daran teilzunehmen. Sieben Einsatzkräfte hatten in diesem Zeitraum einen Brandeinsatz, der dokumentiert wurde. Alle geplanten Urine nach dem Einsatz wurden gesammelt. Es handelte sich insgesamt um fünf Brände (3 Wohnungsbrände, 2 Fahrzeugbrände bzw. sonstige Brände im Freien). Die Funktionsträger (Gruppenführer, Angriffstrupp mit Pressluftatmer sowie Maschinist) hatten Brandeinsätze. Drei dieser Einsatzkräfte mit einem Einsatz waren nach Selbstangabe Raucher. Zudem trugen drei Einsatzkräfte, die zum Angriffstrupp gehörten, Baumwollbekleidung unter ihrer Schutzausrüstung.

Als Kurzzeitparameter für die Exposition wurde 1-Hydroxypyren (1-OHP) im Urin als Stoffwechselprodukt von Pyren bestimmt. Pyren ist ein polyzyklischer aromatischer Kohlenwasserstoff. 1-OHP wird daher als Parameter zur Beurteilung der vom Körper aufgenommenen Menge an polyzyklischen Kohlenwasserstoffen (PAK) herangezogen.

Urinproben wurden vor dem Einsatz (Eingangsuntersuchung) und dreimal nach dem Brandeinsatz gewonnen. Die Ergebnisse sind in der Tabelle dargestellt. Je höher der Wert ist, desto mehr Pyren wurde vom Körper aufgenommen. 1-OHP wird volumenbezogen (in Mikrogramm pro Liter Urin) gemessen und im Anschluss auf den individuellen Kreatinin-Gehalt im Urin normiert. Kreatinin ist ein wichtiger Parameter für die Nierenfunktion und wird in Gramm pro Liter gemessen. 

Im Humanbiomonitoring wird durch die Normierung auf Kreatinin letztendlich die Verdünnung des Urins indirekt mit in die Bewertung des Ergebnisses aufgenommen. So kann z. B. die Beeinflussung des 1-OHP Wertes durch starkes Schwitzen und anschließender Flüssigkeitsaufnahme während des Einsatzes mitberücksichtigt werden. Die Nachweisgrenze für 1-OHP liegt bei 0,025 μg/L, d. h. Werte die kleiner waren, konnten mit der verwendeten Labormethode nicht gemessen werden. Alle Kreatinin-adjustierten Werte waren für die Urine der sieben Einsatzkräfte mit Brandeinsatz ermittelbar.

Es zeigte sich durchweg ein Anstieg der mittleren 1-OHP Konzentration nach dem Einsatz.

Die mittlere Belastung der Nichtraucher stieg von 0,06 μg/g Kreatinin auf 0,10 μg/g Kreatinin und die der Raucher von 0,14 μg/g Kreatinin auf 0,23 μg/g Kreatinin. Die maximale Konzentration nach dem Einsatz betrug für Nichtraucher 0,19 μg/g Kreatinin und für Raucher 0,46 μg/g Kreatinin.

Biomonitoring Ergebnisse

Mittlere 1-OHP Werte der 7 Einsatzkräfte mit einem Einsatz

 

Eingangsuntersuchung

Nach dem Einsatz

Nichtraucher (N=4)

0,06 μg/g Kreatinin

0,10 μg/g Kreatinin

Raucher (N=3)

0,14 μg/g Kreatinin

0,23 μg/g Kreatinin

 

Maximale 1-OHP Werte der 7 Einsatzkräfte nach einem Einsatz

Nichtraucher (N=4)

0,19 μg/g Kreatinin

Raucher (N=3)

0,46 μg/g Kreatinin

Zur Bewertung der Analysenergebnisse des Biomonitorings wird der „Biologische Arbeitsstoff-Referenzwert“ (BAR) der Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe (MAK-Kommission) der Deutschen Forschungsgemeinschaft herangezogen. Der BAR beschreibt die (rein umweltbedingte) Hintergrundbelastung bei nicht beruflich gegenüber PAK exponierten Personen. Er nimmt keinen Bezug auf gesundheitliche Effekte. Dieser beträgt 0,30 µg/g Kreatinin für Nichtraucher und 0,70 µg/g Kreatinin für Raucher. 

Die 1-OHP-Konzentrationen in allen Urinproben der Pilotstudie weisen sowohl vor als auch nach dem Brandeinsatz Werte unterhalb des jeweiligen BAR-Wertes auf. Somit sieht man in den Daten der Pilotstudie keine Erhöhung der Pyren-Exposition durch die Brandbekämpfung, die über die Hintergrundbelastung der Allgemeinbevölkerung hinausgeht.

Getragene Baumwollsocke
Getragene Baumwollsocke
Quelle: Naurath/IPA

Stoffproben aus den drei Einsätzen, bei denen Baumwollunterbekleidung getragen wurde, wurden auf PAK untersucht. Im Bild ist eine, bei einem Einsatz getragene, Socke zu sehen. Deutlich sind Verrußungen zu erkennen. Quantifiziert werden können die schwerer flüchtigen Vertreter aus der Stoffklasse der PAK. Bei leicht- und mittelflüchtigen PAK können Minderbefunde aufgrund ihrer Flüchtigkeit nicht ausgeschlossen werden. Die PAK wurden bezogen auf das Gewicht der ausgestanzten Stoffstücke (in g) bestimmt. Da die Stoffproben unterschiedlich schwer sind (Bünde sind z.B. dicker als der übrige Stoff) ist dies die relevante Bezugsgröße. Leitkomponente für die PAK-Belastung der Unterziehwäsche ist Benzo[a]pyren (EU-GHS-Einstufung nach Verordnung (EG) 1272/2008: Karzinogenität 1B, Keimzellmutagenität 1B, Reproduktionstoxizität 1B). Die Bestimmungsgrenzen der gemessen PAK sind abhängig vom Gewicht der Stoffprobe und daher variabel. Einen Grenzwert zur Beurteilung der dermalen Belastung aus Kleidung durch PAK bzw. deren Leitkomponente Benzo[a]pyren gibt es nicht. 

Auf der Baumwollkleidung, die die drei Einsatzkräfte getragen haben, wurden überwiegend PAK meistens unterhalb der Bestimmungsgrenze bzw. wenn, dann nur in einem niedrigen Konzentrationsbereich bestimmt. Baumwollhandschuhe wurden von keiner der drei Einsatzkräfte getragen. Messbare Belastungen wurden nur auf einem Shirt, den Hosen und den Socken gefunden. Die maximale Belastung an Benzo[a]pyren lag hier bei 40 ng/g, das entspricht 0,04 mg/kg Stoff an einem Hosenbeinbündchen. Diese Hose wurde bei einem Wohnungsbrand mit Innenangriff getragen. 

Da es keinen Grenzwert zur Beurteilung der dermalen Belastung durch PAK bzw. deren Leitkomponente Benzo[a]pyren gibt, wurde als Orientierung zur Bewertung der Analysenergebnisse der Standard 100 by Oeko-Tex® sowie die Verordnung (EU) 2018/1513 der Europäischen Kommission vom 10. Oktober 2018 herangezogen.

Der Standard 100 by Oeko-Tex® ist eine Kennzeichnung, sowohl für Textilien als auch für Zubehör für die Fertigung von Bekleidung im Neuzustand. Hier werden sowohl ein Summengrenzwert für 24 PAK als auch spezifische Grenzwerte für einzelne PAK aufgelistet. Die Verordnung (EU) 2018/1513 beschreibt Beschränkungen für Herstellung, Inverkehrbringen und Verwendung bestimmter krebserzeugender, erbgutverändernder und fruchtbarkeitsgefährdender Stoffe der Kategorien 1A oder 1B in Kleidung und damit in Bezug stehendem Zubehör, unter anderem in Textilien und Schuhwaren. Nach dem 01.11.2020 gelten für verschiedenen PAK, darunter auch für Benzo(a)pyren, Grenzwerte von jeweils 1 mg/kg. Ausgenommen von der Regelung sind jedoch u. a. gebrauchte Kleidung und persönliche Schutzausrüstungen. 

Alle PAK-Messungen in der Unterziehwäsche weisen einzeln sowie auch in Summe aller gemessener PAK einen Wert unter 1 mg/kg auf. Somit erfüllen diese auch nach dem Einsatz den Oeko-Tex® 100 Standard und die EU-Verordnung.

Schlussfolgerung

Die bisherigen Messungen der Pilotstudie untersuchten Brandereignisse im Bereich Wohnungsbrand und Brand im Freien. Die hierbei ermittelten, in der Regel niedrigen Konzentrationen an PAK in der Baumwollunterbekleidung sowie im Biomonitoring entsprechen den Erwartungen bei korrekt angelegter, funktionsfähiger Schutzkleidung sowie des bedarfsgerechten Tragens von Umluft unabhängigem Atemschutz. 

Allerdings muss berücksichtigt werden, dass es sich hier in der Pilotstudie noch um eine geringe Anzahl von Einsätzen handelt, die keine "worst-case" Szenarien mit abdecken. Eine abschließende Beurteilung ist deshalb erst nach Beendigung der Hauptstudie möglich. Dennoch ist beim Kontakt mit kanzerogenen Stoffen, wie sie im Brandrauch vorkommen, entsprechend der Gefahrstoffverordnung nach § 7 Absatz 4 das Minimierungsgebot anzuwenden. 

Aufgrund der Erfahrungen in der Pilotstudie wurden die Studieninstrumente an einigen Stellen nachgebessert und für die Hauptstudie optimiert. 


Danksagung

Wie danken den beteiligten Feuerwehren, Institutionen, Verbänden und Unfallversicherungsträgern, die dieses Projekt unterstützen und insbesondere den beteiligten Einsatzkräften.

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