23.09.2024 •

Autonome Arbeitsgeräte unterstützen Rettungs- und Bergekräfte

Andreas Wenzel

Szenario der autonomen Fassbergung während der Projektpräsentation im Niedersächsischen Landesamt für Brand- und Katastrophenschutz, mit Hilfe des Baggers Alice und dem „Mobilen Autonomen Transportsystem“(MATS) als Supportshuttle.
Fraunhofer IOSB-AST

Großschadensereignisse wie Industrieunfälle und Naturkatastrophen stellen immense Herausforderungen für Rettungskräfte und das Katastrophenrisiko­management dar. Die Auswirkungen solcher Ereignisse sind oft unvorhersehbar und erfordern schnelle und präzise Reaktionen. Dabei ist es entscheidend, Gefahrenquellen wie einsturzgefährdete Strukturen, giftige oder radioaktive Substanzen bzw. Explosionsgefahren rasch zu beseitigen, um eine sichere Umgebung für Rettungsmaßnahmen zu schaffen.

 Beispiele für solche Gefahrenlagen sind die Reaktorkatastrophe von Fukushima oder der Chemieunfall von Tianjin. Oftmals sind für solche Räum- oder Bergearbeiten spezielle Bau- und Transportfahrzeuge notwendig. Um deren Bediener nicht unnötig den vorherrschenden Gefahren auszusetzen, müssen die Arbeits­maschinen zuvor aufwendig für die Teleoperation umgerüstet sein. In der Regel sind solche spezialisierten Großgeräte nur in überschaubarer Stückzahl und nicht sofort im Einsatzgebiet verfügbar, was ein schnelles, sicheres Handeln erschwert.

Hier setzt das Projekt AKIT-PRO (Autonomie-KIT für seriennahe Arbeitsfahrzeuge zur vernetzten assistierten Bergung von Gefahrenquellen) an. Im Zentrum des Projekts steht die Entwicklung eines Autonomie-KITs, das herkömmliche Bau- und Arbeits­maschinen wie Bagger und Traktoren schnell und flexibel in unbemannte Bergefahrzeuge verwandelt. Diese Maschinen, die in der Regel in größeren Stückzahlen durch z.B. Baufirmen lokal verfügbar sind, können durch die Ausstattung mit Sensoren und anderen Komponenten autonom navigieren und Objekte manipulieren. Die Zurüstlösungen sind als Kits gebündelt und ermöglichen eine sehr schnelle Integration an definierte Nutzfahrzeuge. Am Beispiel des Traktors Arion 660 mit aufgerüstetem Environment Perception Kit als Dachaufbau konnte dies im Projekt demonstriert werden. Gleichzeitig wurde in AKIT-PRO auch eine dezentrale breitbandige und latenzarme Kommunikationslösung entwickelt, welche alle mobilen Systeme untereinander und mit deren Leitständen in sicherer Entfernung verbindet. Die Leitstandsarbeitsplätze der verschiedenen automatisierten ­Bergefahrzeuge konnten im Projekt gebündelt in einem Einsatzleitwagen Platz finden. Zu diesem Zweck hat der Partner Binz im Projekt das „Incident Command Vehicle (ICV)“ entwickelt und aufgebaut.

Das Projekt AKIT-PRO kann auf die Vorarbeiten des Projektes AKIT zurückgreifen. Hier wurde die prinzipielle Realisierbarkeit einer Bergekette aus teilautonomem Bagger und Traktor als sogenanntes Support-Shuttle demonstriert.

Im Projekt AKIT-PRO wurde nun die automatisierte Bergekette erheblich erweitert und die einzelnen Komponenten deutlich stärker an Einsatzerfordernisse angepasst. In einer Livevorführung am NLBK in Celle konnte erfolgreich die Bergung von havarierten Fässern durch das Zusammenwirken eines autonomen Gabelstaplers und Baggers zusammen mit teleoperierbaren Traktoren demonstriert werden. Durch die Überwachung des Szenarios im ICV profitierten die Einsatzkräfte von einer ganzheitlichen Lagedarstellung.

Die Konsortialleitung im Projekt hatte die Firma Götting KG aus Lehrte, welche neue Komponenten für die Ansteuerung von Pedalen und Lenkrädern realisierte, um auch ältere Bestandsfahrzeuge nutzbar zu machen. Die Firma Binz Ambulance- und Umwelttechnik GmbH Ilmenau entwickelte das ICV als mobilen Leitstand für die Einsatzkräfte und zur Lagedarstellung für die Entscheider. Weiterhin ist die Fraunhofer-Gesellschaft mit ihren Instituten IPA (Produktionstechnik und Automatisierung, Stuttgart) und IOSB (Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung mit den Standorten Karlsruhe und IOSB-AST Ilmenau) beteiligt. Das Fraunhofer IPA erforschte Verfahren zur automatisierten Fassdetektion und dessen Manipulation durch Bagger mit Sortiergreifern unter Einbindung des Bedieners als Entscheider. Das Fraunhofer IOSB entwickelte Funktionen für den autonomen Betrieb eines Baggers. Das Fraunhofer IOSB-AST zeigte die Umrüstung eines geländegängigen Mitnahmestaplers hin zu einem „Mobilen Autonomen Transportsystem (MATS)“ und gewährleistete die Vernetzung der Fahrzeuge am Einsatzort. Die Entscheider im ICV konnten an den Fahrzeugleitständen zwischen assistierten Teleoperations- und Autonomiefunktionalitäten wählen, um die anstehende Bergaufgaben zu realisieren.

Die Projekte AKIT und AKIT-PRO wurden durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des Programmes „SiFo-Forschung für die zivile Sicherheit“ gefördert und durch den Projektträger „VDI Technologiezentrum GmbH“ betreut.

Die Ergebnisse zeigen, wie Technologie dazu beitragen kann, die Effizienz von Rettungseinsätzen und die Sicherheit der Einsatzkräfte bei Großschadensereignissen zu erhöhen. Die flexible und schnelle Umrüstung von Bau- und Arbeitsmaschinen zu hochautomatisierten Bergungsgeräten ermöglicht es, schneller auf unvorhergesehene Katastrophen zu reagieren und damit die Über­lebenschancen von Betroffenen zu steigern. 



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