Helme – Innovation durch Y-Generation?

Gottfried Wingler-Scholz

Feuerwehr Bochum, 2014

Ein Feuerwehrhelm ist weit mehr als nur eine persönliche Schutzausrüstung zum Schutz vor Gefährdungen für den Kopf des Trägers. Ein Helm ist durch seine Form und Farbe Erkennungsmerkmal von Organisationseinheiten. Der Schutz des Kopfes des Trägers steht bei der reinen Normungsbetrachtung im Fokus. Akzeptanz zum Tragen wird jedoch oftmals eher durch subjektiven Tragekomfort und dem Aussehen bestimmt. 

Der europäische Normungsprozess von Helmen bei der Persönlichen Schutzausrüstung soll für höchstmögliche Sicherheit nach dem jeweiligen Stand der Technik sorgen. Normen verbessern die Sicherheit und Vergleichbarkeit. Sie bieten einen Mindeststandard, der auch durch Vorgaben des Anwenders bei der Beschaffung erweitert werden kann. Eine zwingende Notwendigkeit zu eigenen Leistungsanforderungen zur Beeinflussung des Schutzniveaus besteht nicht, da die Normen den Stand der Technik unter Beachtung von Anwendungsfeldern berücksichtigen.

Aktuelle Basishelmnorm

Nachdem die deutsche Norm 14940 „Feuerwehrhelm – Anforderung und Prüfung“ durch die harmonisierte Europäische Norm DIN EN 443 „Feuerwehrhelme“ ersetzt wurde, ging eine Ära im Normenansatz zu Ende. Mit der Einführung der Norm DIN EN 443 im Jahre 1997 lösten Leistungsanforderungen an den Kopfschutz die festen Größen der alten Norm ab. Detaillierte Normausführungen des persönlichen Kopfschutzes, welche restriktive Material- und Baubeschreibungen festlegten, ließen wenig Entwicklungsspielraum für Neuerungen durch die Hersteller. Der Endanwender hatte i. w. nur ein Produkt zur Auswahl. Erstmals entstand die Möglichkeit für Hersteller und Anwender in der freieren Gestaltung und Formulierung von Anforderungen des Anwenders eines Feuerwehrhelmes. 

Mit erster Revision der DIN EN 443 und Neuerscheinung der deutschen Ausgabe im Juni 2008 sind Änderungen erfolgt, die sich zwischenzeitlich am Markt etabliert haben.

Die Revision wurde aus folgenden Gründen notwendig:

  • Aufnahme der Verpflichtung zur Gefährdungsbeurteilung bei Auswahl von persönlicher Schutzausrüstung (PSA), z. B. nach BGI / GUV-I 8675, Juli 2008,
  • Anpassung an andere Normen zum Kopfschutz nach Vorgaben des CEN / TC 158, z. B. Angleichung aufgrund der generellen Einführung von Schutzzonen in anderen Kopfschutznormen,
  • Anpassung anwendungsgerechter Prüfungen auf die unterschiedlichen Schutzzonen und deren Schutzbereiche,
  • Anpassung an den Stand der Technik im Wesentlichen durch Änderungen der Anforderungen an Prüfungen, um den neuesten Erkenntnissen von Materialeigenschaften, insbesondere bei Hitze- und Flammenkontakt, Rechnung zu tragen.

Die DIN EN 443:06/2008 ersetzt ohne Übergangsfristen die Vorgängernormen.

Auswirkung von Gefährdungs­beurteilungen

Die Verpflichtung zur Gefährdungsbeurteilung bei der Auswahl von persönlicher Schutzausrüstung veränderte die Philosophie zum Normungsbedarf. Eine Norm und ein Feuerwehrhelm für alle Spektren im Feuerwehraufgabenfeld der Gefahrenabwehr wird auf Europaebene als nicht mehr ausreichend angesehen.

Grundsätzlich können drei inhaltliche Ziele von Helmnormen zur Beschreibung von Leistungsanforderungen unterschieden werden:

  • Einflussnahme auf das Produktions-Know-How des Herstellers (Materialien und Konstruktion), z. B. Verbot von hautirritierenden Materialien, Qualitätsmerkmale, wie Gewichtsverteilung, aber auch sichere Bedienbarkeit, oder Ausschluss von scharfen Kanten,
  • Entwicklung von neuen Materialien – Reine Materialeigenschaften, Prüfverfahren, z. B. Beflammung mit Temperaturen, die den menschliche Körper schädigen würden,
  • Aufnahme von Anforderungen und Prüfverfahren, die vor Auswirkungen je nach Anwendung „schützen“ oder lebensbedrohliche Schädigungen verhindern (z. B. Flash-Over Test).

Aktuelle Feuerwehrhelmnormen

Anders als in Deutschland wird insbesondere in südlichen europäischen Ländern mit heißen Sommermonaten für die Aufgabe der Wald- und Flächenbrandbekämpfung ein Normungsbedarf gesehen. Eine weitere Normungsabsicht für einen Technischen Rettungshelm wurde zudem generiert.

Derzeit sind somit folgende europäische und internationale Helmnormen für die Aufgaben der Feuerwehren interessant:

Europa

  • DIN EN 443: Juni 2008 als Universalfeuerwehrhelm zur Brandbekämpfung, welcher hohe Prüf- und Belastungseigenschaften hat,
  • (Vornorm) FprEN 16471:2014 – Feuerwehrhelm für Wald und Flächenbrandbekämpfung, welcher angepasste niedrigere Prüf- und Belastungseigenschaften hat,
  • (Vornorm) FprEN 16473:2014 – Feuerwehrhelm – Helme für die technische Rettung, welcher angepasste niedrigere Prüf- und Belastungseigenschaften hat.
Schutzzonen vom Feuerwehrhelm
Schutzzonen
Quelle: Gottfried Wingler-Scholz

International

ISO /DIS 11999-5 Helme für Innenbrandbekämpfung mit hohem Risikolevel, Entwurf PPE used by fire figthers, 2014. Weitere internationale Normungsüberlegungen zu speziellen Rettungshelmen sind in der Diskussion (Helikopterluftrettung, Berg- und Wasserrettung). Die Normen legen Anforderungen an Schutzzonen fest. Dazu gehören auch Anforderungen an Nacken- und Teile des Gesichts- bzw. Augenschutzes.

Der Feuerwehrhelm kann bis zu fünf Schutzzonen in seinem Schutzbereich abdecken. Die eingeführte Systematik von Schutzbereichen und die Abdeckung durch die Schutzzonen werden in der Grafik rechts verdeutlicht.

Die Schutzzone 3a umfasst den Schutz der Nackenpartie und deckt den zu schützenden Bereich zwischen Helmschale und Schutzbekleidung ab. Bedeutende Werkstoffe des Nackenschutzes sind textile flexible Gewebestoffe, die den Anforderungen an textiler Schutzkleidung sehr nahe kommt. Der Nackenschutz ist fester verpflichtender Bestandteil der Ausstattung eines Feuerwehrhelmes.

Grundsätzlich ergeben sich daraus zwei unterschiedliche Helmtypen: Typ A = mindestens Schutzzone 1a und Typ B = 1a und 1b. Ausdrücklich unterschieden werden die Helmtypen A und B nur in der DIN EN 443.

Häufig werden die Helme auch als Halbschalenhelm oder Vollschalenhelm bezeichnet. Jet-Style Helme sieht die Norm ausdrücklich nicht vor. Diese werden auch als ¾ Schalenhelme bezeichnet und sind als Typ A-Helm einzustufen. Die Zuordnung zum Typ A- oder Typ B-Helm obliegt dem Hersteller in Verbindung mit den zertifizierten Prüfinstituten. Erkennen kann man den Helmtyp an seiner Kennzeichnung. Eine rein visuelle Einstufung ist meist nicht möglich. Ein Beispiel ist Abb. 4 zu entnehmen.

Die Farbe eines Feuerwehrhelmes ist nicht normiert und kann frei nach Anwenderwünschen gewählt werden.

Auswahl eines Helmes

Vor Auswahl eines Helmes bedarf es einer Risikobewertung (Gefährdungsbeurteilung). Eine Liste von signifikanten Gefährdungen bei der Brandbekämpfung ist lediglich dem informativen Anhang der Norm DIN EN 443 zu entnehmen. In den Vornormen FprEN 14671 und FprEN 14673 sind die Gefährdungen nicht explizit gelistet.

Im Rahmen des Referates 8 der vfdb (Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes e. V.) „Schutzausrüstung für die Feuerwehr“ wurde zur Erleichterung der Anwender die vfdb-Richtlinie 0810 entwickelt. Diese ist nach Satzungsrecht der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung als Information 205-014 übernommen worden. In der PSA-Gruppe 4 finden sich hier die Helme.

Ein Feuerwehrhelm fällt unter die Kategorie einer komplexen PSA, die gegen hohe Gefahren oder ernste Gesundheitsschäden schützen soll. 

Daher ist nach Artikel 9 Richtlinie 89/686/EWG (PSA-Richtlinie) das Verfahren zur Zertifizierung eines Feuerwehrhelmes als EG-Baumusterprüfung durch zugelassene Prüfstellen anzuwenden. Die CE-Kennzeichnung mit Angabe einer gemeldeten Stelle für die Produktionsüberwachung ist bei Feuerwehrhelmen mit der Kennzeichnung verpflichtend.

Die in Abb. 1 dargestellten Kennzeichnung und Benutzerinformationen gibt ein Beispiel zur richtigen Kennzeichnung wieder. Diese sind gut sichtbar, lesbar und eindeutig, haltbar und dauerhaft in der PSA und deren Komponenten anzubringen.

Die Mindestkennzeichnung umfasst für den Feuerwehrhelm:

  • CE Kennzeichnung (CE Zeichen) vierstellige Kenn-Nummer der gemeldeten Stelle der Produktionsüberwachung,
  • Nummer und Jahr der europäischen Norm: EN 443:XXXX nach der der Helm zertifiziert wurde,
  • Name oder Zeichen des Herstellers,
  • Herstellungsjahr,
  • Helmtyp A oder B,
  • Helmmodell (Herstellerbezeichnung),
  • Größe oder Größenbereich (in cm).
  • Das Herstellungsjahr ist bedeutend für die Ablegereife eines Helmes. Die Hersteller geben derzeit kaum Hinweise hierüber.

Klassifizierung im Label: 

  • *       bei -10 Grad Celsius,
  • **     bei -20 Grad Celsius,
  • ***  bei -30 Grad Celsius,
  • ****       bei -40 Grad Celsius.
korrekt beschriftetes Laben in einem Feuerwehrhelm als Beispiel.
Abb. 1 Label in einem Feuerwehrhelm am Beispiel des HPS 4300.
Quelle: Fa. Dräger

Weitergehende Klassifizierungen sind:

  • E 1 - 440 V, 1,2 mA (Pflichtprüfung),
  • Optional E 2 und E 3:
  • E2-Leckstrom zw. Außen- und Innenseite der Helmschale (feuchter Helm),
  • E3-Leckstrom zw. Zwei Punkten auf der Helmoberfläche (Oberflächenisolierung),
  • Optional: Chemikalienbeständigkeit „C“.

Die Klassifizierung der elektrischen Eigenschaften führt im Allgemeinen zum Ausschluss metallischer Helmschalen sowie metallischer Befestigungselemente. Metallverschlusselemente haben gegenüber Kunststoffverschlüssen jedoch eine bedeutend besser Dauerhaltbarkeit gezeigt. Metallfaserdurchwirkte Gewebe oder metallbeschichtete Gewebe können nicht verwendet werden.

Die Kennzeichnungsbeispiele E2C*** oder E2E3**** verdeutlichen die Prüfkombinationen bei Feuerwehrhelmen. Angaben zum Material der Helmschale können ebenfalls entnommen werden.

Baugruppen und Bestandteile mit erheblicher Bedeutung für die Sicherheit müssen gekennzeichnet sein. Zu kleine Bauteile müssen in den Informationen des Herstellers enthalten sein. 

Über die Kennzeichnung hinausgehende notwendige Informationen sollten beim Hersteller erfragt werden oder können den Herstellerinformationen in der Sprache des Landes entnommen werden. In den Herstellerinformationen sind Aussagen zu folgenden Punkten vorgeschrieben:

  • Sämtliches Zubehör und dessen Austauschmöglichkeiten müssen beschrieben sein,
  • Name, Anschrift und Warenzeichen des Herstellers,
  • Typnummer, Identifizierungsnummer oder Modellnummer,
  • Größenbereiche, Einstellmöglichkeiten,
  • Auskünfte zu Einsatzeinschränkungen und Gefahren,
  • Angaben und Empfehlungen hinsichtlich:
    • Größenauswahl,
    • Gewicht,
    • Passform und Einstellung,
    • Gebrauch,
    • Reinigung und Desinfektion,
    • Instandhaltung und Wartung,
    • Lagerung und Transport,
    • Alterung (Lebensdauererwartung),
  • Empfehlungen zu Länge der Lebens- und Nutzungsdauer,
  • Einzelheiten zu geeignetem Zubehör und zweckmäßige Ersatzteile,
  • Warnhinweise wie die Aussage: „Der Helm nimmt Energie eines Schlages auf. Selbst wenn diese Beschädigung nicht gleich sichtbar ist, ist jeder Helm, der einem starken Aufprall aufgesetzt war, zu ersetzen.“
Helmschalenform Möglichkeit Feuerwehrhelm mit einer charakteristischen Helmschalenform

Beim Kauf sollte für die unterschiedlichen Größenbereiche, die Helmschale und das Haltesystem in den Größenverhältnissen aufeinander abgestimmt werden können. Das Haltesystem muss eine Verstellbarkeit für die Kopfumfänge von 51 bis 64 cm abdecken.

Es zeigt sich, dass eine reine Katalogauswahl eines Feuerwehrhelms nicht ratsam ist. Ein Abwägungsprozess findet immer statt, da niemals alle Schutzziele zu 100 Prozent durch die PSA abgedeckt werden können. Neben der reinen Betrachtung der Schutzfunktion, sind folgende Aspekte abzuwägen:

  • individuelle Verstellbarkeit ohne Werkzeug,
  • Reinigungsmöglichkeiten,
  • Ergonomie und Trageempfinden durch persönliche Tests mit verschiedenen Probanden,
  • Aussehen und Akzeptanz bei den Feuerwehrleuten,
  • Gesichtsschutz, der mit dem Helm geliefert wird, muss der EN 14458 genügen,
  • Nackenschützer (Gesichts- und Nackenschutz, z. B. durch sogenannte Hollandtücher) müssen den Prüfungen der Zone 3 a genügen.

Zusatzeinrichtungen und Zubehör, bei denen ein Einfluss auf die Sicherheit und Schutzfunktion des Feuerwehrhelmes zu erwarten ist, müssen gemeinsam mit dem Helm geprüft und nach der Europäischen Richtlinie zertifiziert sein. Die durch so genannten Kreuztests für sämtliche Zusatzeinrichtungen und Zubehör mit dem jeweiligen Helmtypen nach Prüfungen nach DIN EN 443 zugelassenen Zubehörteile sind bedenkenlos verwendbar. 

Bei Helmkennzeichnungen mit Klebefolien wird empfohlen, diese direkt mit der Bestellung des Helmes zu beauftragen oder eine Unbedenklichkeit des Herstellers für verwendete Klebefolien einzuholen. Anbauteile sollten auf ein Minimum begrenzt bleiben.

Jeder Träger eines Feuerwehrhelmes ist in die Einstellungen der Pflege bei Erstausgabe und in regelmäßigen Abständen zu schulen und zu unterweisen. Lagerung von Feuerwehrhelmen sollten UV-geschützt und in normal klimatisierten Räumen erfolgen.

Ausblick

Man erkennt, dass zusätzliche Normen eine Chance darstellen. Nach Aufgaben und Anwendungsart können sichere Helme nach Norm beschafft werden. Die strategische Entscheidung, ob die Vor- bzw. Nachteile eines Universalhelmes den Vorteilen von aufgabenbezogenen Helmen überwiegen, muss der Anwender für sich dokumentieren. 

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