CoVid-19: Zusammenarbeit in einer Pandemielage

Interview mit Dr. Johannes S. Schad

Melanie Prüser

Bildagentur PantherMedia / kentoh (YAYMicro)

Aktuell haben sich viele Aufgabenfelder aufgrund der Pandemie verschoben, oder sind neu entstanden. Diese neuen Aufgaben haben auch neue Herausforderungen mit sich gebracht. So auch für Dr. Johannes S. Schad, der als Facharzt für Chirurgie und LNA am Deutschen Institut für Katastrophenmedizin Tübingen, an verschiedenen Tätigkeiten im CoVid-19 Szenario beteiligt ist.

Dr. med. Johannes S. Schad
Dr. med. Johannes S. Schad
Quelle: Johannes S. Schad

CP: Welche konkreten Aufgaben hatten Sie bisher während der Corona Krise?

Dr. Johannes S. Schad: Meine Aufgaben-Schwerpunkte seit Ende Januar 2020 waren zweierlei: Zum einen betreute ich als ärztlicher Leiter des Infektionsbereiches zusammen mit 22 DRK-Kameraden die 126 Rückkehrer aus Wuhan, die in einem Fluggerät der Bundeswehr repatriiert worden waren. Unter der Leitung des Amtsarztes des Landkreises Germersheim gelang es auf der Gemarkung der Südpfalz-Kaserne, diese 15-tägige Quarantäne-Absonderung nach § 30 des Infektionsschutzgesetzes zu überstehen und die Rückkehrer wie freiwilligen Helfer sicher vor weiteren Ansteckungen zu bewahren. Ein wahrlich spannender Einsatz, für den es keinerlei "Kochrezept" aus der Schublade gab. 

Die zweite Aufgabe schloss sich wenig später an: die dramatische Lage im benachbarten Straßburg und Colmar führten zu der frühen RKI-Deklaration des Grand-Est als Risikogebiet. Zusätzlich hatte die WHO zunächst die Epi- dann Pandemie-Deklaration erklärt. Da die Virus-Charakteristika zu diesem Zeitpunkt noch unerforscht waren, zögerten die Verantwortlichen des Katastrophenstabes unter der Leitung des Landrates Dr. Brechtel nicht, die entsprechenden Präventionsmaßnahmen und Einsatz-Unterabschnitte zu initiieren. 

Dazu gehörte, neben dem Aufbau von Testzentren und Fieber-Ambulanzen, auch der Schutz der Pflege- und Behindertenheime. Bei der weiteren Risikoanalyse fiel aber auch auf, dass die vorhandenen 12 Beatmungsplätze für 128.000 Einwohner bei einem forcierten Ausbruchsgeschehen, sehr schnell ausgeschöpft sein würden. Daher entschloss man sich ein Behelfskrankenhaus für 100 gelb und grün triagierte CoVid19-Patienten zu errichten. Die besten Voraussetzungen dafür zeigt eine nagelneue Industrie-Halle bei Wörth. Zur Implementierung dieser Corona-Hilfs-Station wurde ich als leitender Notarzt (LNA) des Landkreises bestellt.

CP: Wie war der Kontakt zu anderen Institutionen, mit denen Sie zusammengearbeitet haben?

Schad: Die Schwierigkeit beider Einsätze war, dass es kaum belastbare Einsatz-Vorerfahrung gab. Das bedeutete für alle Beteiligten ein gehöriges Maß an Rechtsunsicherheit und eine Vielzahl von Unwägbarkeiten. Keiner wusste wie das Ergebnis, aber auch der Einsatzverlauf sein würde. Umso bemerkenswerter war es, dass sich die Beteiligten am Katastrophenschutz des Landkreises Germersheim schnell auf ein gemeinsames Einsatzkonzept einigen konnten. 

Auch zeigte sich das die klassische "Blaulicht-Fraktion" sich auch mit den administrativen Vorgaben eines Gesundheitsamtes und der Kreisverwaltung arrangieren mussten. Das funktionierte allerdings bemerkenswert gut. Innerhalb von 6 Wochen stand die Corona-Station für 100 Patienten, für 60 davon auch mit fest installiertem Sauerstoff-System. Ergänzend dazu wurde ein eigenes Betriebshandbuch mit den wesentlichen Dienstanweisungen für die Mitarbeiter erstellt.

Planungen zur Ausarbeitung eines Konzeptes
Planungen zur Ausarbeitung eines Konzeptes
Quelle: Bildagentur PantherMedia / Chan2545

CP: Wie hat die Umsetzung Ihrer Aufgaben funktioniert? Was waren dabei die größten Probleme?

Schad: Die größte Herausforderung war initial das Zeitfenster, da man nicht wirklich abschätzen konnte, wie sich die epidemiologische Lage im direkt benachbarten Frankreich und auch innerhalb von Rheinland-Pfalz und Deutschland entwickeln würde. Daher wurden die Planung und Umsetzung mit Hochdruck betrieben. Natürlich bereiteten auch die Beschaffung der persönlichen Schutzausrüstung auf einem leer gefegten Markt gravierende Probleme. Diese konnten aber durch die Öffnung unkonventioneller Wege und dank guter Vernetzungen behoben werden. Erstaunlich bei dieser Aufgabe war auch, dass man die Erfahrungen, die ich etwa beim gemeinsamen Ebola-Einsatz des DRK und Bundeswehr 2014/2015 in Monrovia sammeln konnte, nun wieder in eine Einsatzkonzeption in Deutschland einfließen lassen konnte.

CP: Haben Sie etwas Neues über Ihre Mitmenschen gelernt?

Schad: Ich hatte das Privileg mit einem ad hoc zusammen gewürfelten exzellenten Experten-Team aus Pflegedienstleitung, technischem Dienst (THW), Hygiene, Verwaltung und ärztlicher Expertise diese Corona-Hilfsstation in Wörth etablieren zu dürfen. Dazu kam eine enorme Unterstützung der Kreisverwaltung, des Krisenstabes und der Hilfsorganisationen (DRK, THW, MHD, DLRG). Nur so konnte es m. E. gelingen, das den berechtigen Sorgen in der Bevölkerung durch ein fachkundiges Handeln der Verantwortlichen begegnet werden konnte. Das persönliche Engagement eines Hauptverwaltungsbeamten kann da den entscheidenden Unterschied machen. 

CP: Welche Konsequenzen ziehen Sie persönlich für Ihre künftige Arbeit?

Schad: Die bisherigen Pandemie-Planungen die sich am Influenza-Konzept orientierten sind nur bedingt praxisnah einsetzbar gewesen. Teils waren die letzten Updates über zehn Jahre alt. Leider zeigte Corona auch, dass etwa die LÜKEX-Übungserfahrungen von 2013 nur auf einen eher kleinen Expertenkreis beschränkt bleiben.

Auch wird sich die Legislative sicherlich noch an das Infektionsschutz-Gesetz begeben müssen: Das jeder Landkreis sein eigenes Süppchen kochen kann, ist unter Epi- oder Pandemie-Gesichtspunkten gelinde gesagt problematisch. Spannend wird sicherlich noch die Diskussion, in wieweit der Datenschutz mit dem Infektionsschutz in Abwägung zu bringen ist. Da sind allerhand berechtigte Abwägungen zu treffen.

Die drei parallelen Personal-Schleußen gewährleisten den sicheren Übergang...
Die drei parallelen Personal-Schleußen gewährleisten den sicheren Übergang vom Infektionsbereich in den Normalbereich.
Quelle: Johannes S. Schad

CP: Was hat Ihnen bis jetzt am meisten gefehlt in der Corona-Zeit?

Schad: Meine Partnerin. Die lebt leider auf der anderen Seite der deutsch-österreichischen Grenze. Eine leidige Kombination in Corona-Zeiten.

CP: Gibt es etwas, worauf Sie stolz sind?

Schad: Stolz ist vielleicht die falsche Terminologie, aber doch eine gewisse Genugtuung, dass es vor Ort gelungen ist in enger Abstimmung zwischen den Behörden und Hilfsorganisationen viele Projekte der Corona-Abwehr und Prävention so rasch und auch parallel umzusetzen. Das empfand ich als überaus bemerkenswert.

CP: Was muss sich ändern, wenn die unmittelbare Gefahr durch Corona vorbei ist?

Schad: Bereits vor Corona war es häufig zu Engpässen in der Medikamentenbevorratung selbst gängiger Arzneimittel gekommen. Die Pandemie zeigt nun noch deutlicher, wie vulnerabel wir durch die internationalen Logistikketten und Produktionsverlagerungen geworden sind. Da hoffe ich, dass in Zukunft nicht nur merkantile Aspekte relevant sind, sondern eben auch funktionsfähige Redundanzen etwa in der EU aufgebaut werden.

Warum in dieser Situation vom voll funktionierenden gemeinsamen Melde- und Lagezentrum von Bund und Ländern kein Gebrauch gemacht worden ist, obwohl das prädestiniert wäre, um eine nationale Pandemie zu koordinieren, bleibt eine weitere offene Frage. Vielleicht wäre die Verlegung dieser Struktur näher an den politischen Puls nach Berlin sachdienlich.

CP: Welche Chancen für die Zukunft könnten in dieser Krise liegen?

Schad: Die Corona-Pandemie zeigt einmal mehr schmerzlich auf das die Katastrophenmedizin, als medizinische Fachdisziplin, in Deutschland ein kümmerliches Pflänzchen ist. Ohne ökonomische Basis kann es weiterhin nur als Hobby Einzelner betrieben werden. Sowohl in der medizin-studentischen Lehre als auch in der notärztlichen Ausbildung ist es quasi nicht existent. Einzig das BBK bietet mit seiner AKZN einzelne Angebote an. Die Etablierung von Professuren oder weiteren Forschungsstellen zur evidenz-basierten Katastrophenmedizin wären ein Gebot der Zeit. Die Erfahrung allerdings zeigt auch, dass in dem Maße wie die Betroffenheit über eine Katastrophe oder infektiologische Krise verraucht, das Bewusstsein für derartige auch präventive Anliegen der Gefahrenabwehr wenig Widerhall finden. Insofern bin ich da auch ein wenig desillusioniert.


Dr. med. Johannes S. Schad

Der gebürtige Stuttgarter Dr. med. Johannes S. Schad (*1972) ist Facharzt für Chirurgie und LNA am Deutschen Institut für Katastrophenmedizin Tübingen. Schad, KaVoMa-Alumnus ist seit 2009 medizinischer Auslands-Delegierter für das DRK und das IKRK in Genf. Seine Einsatz-Erfahrungen sammelte er in weltweiten Katastrophen- und Konfliktgebieten. Für beide Einsätze im LK Germersheim wurde er freigestellt. Als ärztlicher Leiter der DIFKM-Stiftung zeichnet er mitverantwortlich für die jährliche "Sommerakademie Katastrophenmedizin und Humanitäre Hilfe" in Ulm. (www.soak-km.de)

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