Bereits lange vor den heftigen Corona-Ausbrüchen in den durch die Medien bekannten europäischen Staaten wie Spanien, Italien und Frankreich war im Landkreis Germersheim eine hohe Sensitivität für die Relevanz dieser Problematik bei den Entscheidungsträgern des regionalen Katastrophenschutzes entstanden.
Hintergrund war die 15-tägige Quarantäne-Operation, beginnend Ende Januar, für 126 deutsche Wuhan-Rückkehrer, die durch die Bundesregierung (AA, BMVg, BMG) gewährleistet wurde. Aus logistischen Gründen fiel die Wahl auf die Südpfalz-Kaserne der Bundeswehr. Die hohe Komplexität und die intensive fachliche und operative Beschäftigung mit den teils offenen rechtlichen, organisatorischen und hygienischen Fragen bedeutete für alle Beteiligte ein zunächst schwieriges Terrain. In täglichen Briefings, teils auch über Telefonkonferenzen in den Schwarz- oder Infektionsbereich hinein, gelang es aber operative Hindernisse abzubauen. Dieser zivil-militärische Einsatz konnte auch durch die hohe Selbstdisziplin der Rückkehrer erfolgreich abgeschlossen werden. Insgesamt war der operative und personelle Aufwand enorm.
Durch die Lageeskalation im direkt benachbarten Colmar und Straßburg wuchs die Sorge das auch der rheinland-pfälzische Landkreis Germersheim diesmal direkt betroffen sein könnte. Dazu kamen die bis dato unerforschten Virus-Charakteristika. Beim Blick auf die lokale medizinische Versorgung fiel auf, dass nur zwölf Beatmungsbetten für die insgesamt 128.000 Einwohner des Landkreises zur Verfügung gestanden hätten. Der örtliche private Klinikbetreiber reagierte mit der Umstellung seiner Organisationsabläufe zu Gunsten von CoVid19 Patienten.
Parallel und in Abstimmung dazu entschloss sich der Katastrophenstab zum Aufbau einer Corona-Hilfsstation. Der historisch belegte Begriff „Behelfskrankenhaus“ wurde auch aus Gründen der hohen Vorgaben aus dem deutschen Krankenhausgesetz KHG vermieden. Die Entscheidung fiel dann rasch zu Gunsten einer insgesamt 10.000 qm großen Industriehalle am Wörther Kreuz. Weitere Assessment-Alternativen wie ein Studentenwohnheim, Containerlösungen, ein Kasernengebäude oder gar der Bezug eines Schiffes der Rheinschiffahrt hatten sich als unzureichend erwiesen.
Ein Management-Team aus Unterabschnitts-Leiter, Pflegedienst-Leiterin, technischem und administrativem Leiter sowie eines Hygiene-Spezialisten konzipierten gemeinsam eine Behandlungsstation für grün und gelb triagierte Covid19 Patienten. Beatmungspflichtige und damit rot Triagierte wären davon a priori ausgeschlossen gewesen und dem überregionalen Verlegungszentrum RLP in Ludwigshafen oder der Klinik in Kandel zugewiesen worden. Die Planungsgröße waren zunächst 100 Betten. Die Logistik vor Ort hätte aber lagenskalierbar die Erweiterung auf 200 Betten ermöglicht.
Rasch mussten die Brandschutzvorgaben, eine Hallennutzungsänderung, der Einbau an WC- und Duschcontainern und die Parzellierungen der Patientenzimmer und Funktionsbereiche durch den Messebauer umgesetzt werden. Dazu kam ein Logistikzentrum im Weiß-Bereich der Vorhalle für die ganze Materialbevorratung.
Mit der unterstützenden Fachberatung des Sanitätsregimentes 3 der Bundeswehr in Dornstadt erfolgte die Umsetzung des Hygiene- und Schleusenkonzeptes. Die Besonderheit einer Corona-Station ist eben auch, dass letztlich alle organisatorischen und technischen Entscheidungen unter dem unmittelbaren Hygienevorbehalt stehen. Erst wenn der Hygieneverantwortliche seine Zustimmung gegeben hat, können Änderungen in der Ablauforganisation vorgenommen werden. Insofern kommt dieser Position eine zentrale Stellung zu.
Die umfangreichen Betriebsanweisungen und sämtlichen Arbeitsplatzgefahren-Analysen wurden in einem Betriebshandbuch niedergelegt. Auch etwa der Umgang mit der neu und fest installierten Sauerstoffanlage oder den brennbaren Desinfektionsmitteln wurde explizit abgebildet. Diese Vorgaben galten auch für die externen Firmen etwa für Catering, Security und Reinigung. Eine Notfallstation mit medikamentöser und technischer Ausstattung gemäß NEF-Standard hätte auch eine suffiziente Erstversorgung eines von gelb auf rot verschlechterten Patienten gewährleistet.
Das Einsatzkonzept sieht auch die ständige Vorhaltung eines Infektions-KTWs vor, um die Unabhängigkeit von der Regelrettung zu gewährleisten. Auch die etwaige palliative Versorgung von Patienten ist durch ein ergänzendes PSNV-Konzept abgebildet. Ein eigener Bereich ermöglicht Angehörigen von Verstorbenen durch ein Fensterscheibe sicher und mit einer gewisse Würde Abschied zu nehmen.
Parallel dazu erfolgte ein Aufruf im Landkreis an medizinisches Fachpersonal sowie an Betreuungshelfer mit bemerkenswert hohem Wiederhall. Über 400 meldeten sich bei der Kreisbehörde und so konnte planerisch ein pflegerisches und ärztliches Kernschichtteam konzipiert werden, um das die Betreuungshelfer im Einsatzfall gruppiert werden. Im Vollbetrieb wäre man aber sicherlich auch noch auf medizinische Personaldienstleister angewiesen gewesen. Es erfolgten erste Einweisungen und Brandschutzhelferschulungen. Eine eigene Personal-App hätte die Dienstplankoordination aller Abteilungen deutlich vereinfacht. Diese wurde bereits im Nightingale Corona-Hospital in London eingesetzt.
Die Materialbeschaffung insbesondere der Schutzausrüstung (PSA) erwies sich initial als gravierender Engpass. Nur durch intensive Netzwerkarbeit gelang es die erforderlichen Utensilien für einen laufenden Betrieb zu organisieren. Des Weiteren mussten die PSA-Materialen auch für die anderen aktiven Unterabschnitte des Stabes organisiert werden, damit der Schutz von Betroffenen und Mitarbeitern gewährleisten werden konnte. Das Fehlen auch nur eines Elements, wie FFP2-Masken, Schutz-Brillen, Handschuhe etc. können einen laufenden Einsatz empfindlich stören oder sogar zu seiner Unterbrechung führen.
Zum 30.04.2020 war die Station einsatzklar und konnte nach Freigabe durch die amtsärztliche Leitung plangemäß in den Stand-by-Status gesetzt werden. Die Halle ist auf sechs Monate angemietet mit der Option auf Verlängerung. Mit einer Vorlaufzeit von etwa fünf Tagen ist die Station voll einsatzfähig. Die geschätzten Einsatzkosten belaufen sich auf etwa 1,5 Millionen Euro.
Fazit
Die Corona-Hilfsstation in Wörth fungiert als ein Element eines integrierten CoVid19 Einsatzkonzeptes. Nebst der Abstimmung mit lokalen Kliniken, Eröffnung von Einsatzunterabschnitten wie Teststationen, Corona-Ambulanzen, Task-Forces für Alten- und Behindertenheimen, konnte diese Station durch intensive Zusammenarbeit aller Beteiligten des Landkreises innerhalb von sechs Wochen vollendet werden. Sie kann eine stationäre Regelversorgung 24/7 von Sauerstoff, aber nicht beatmungspflichtigen CoVid19-Patienten gewährleisten. An den Start gehen wird sie nur, wenn die Behandlungskapazität der örtlichen Kliniken ausgeschöpft und auch das überregionale Verlegungsmanagement RLP überlastet wäre.
Deutsches Institut für Katastrophenmedizin
Dr. med. Johannes S. Schad
johannes.schad@disaster-medicine.com
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