15.06.2020 •

Die Politik muss liefern

3. CP-Konferenz zu KZV und Bevölkerungsschutz

Heinz Neumann

Tobias Rücker

Allmählich etabliert sich eine Zusammenkunft von Experten — im Januar, in Berlin, im Melia Hotel auf der Friedrichstraße. Oder wie Staatssekretär Stephan Mayer sagte: „Wenn in Bayern etwas einmal stattfindet, ist es ein Ereignis, beim zweiten Mal eine Tradition und beim dritten Mal Brauchtum.“ Vom Brauchtum ist die 3. CP-Konferenz zum Thema Konzeption Zivile Verteidigung (KZV) und Bevölkerungsschutz sicher noch weit entfernt, aber inzwischen rechnet sie wohl so mancher aus Bevölkerungsschutz-Kreisen schon zum festen Bestandteil beim Meinungsaustausch über relevante Themen.

Stephan Mayer, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Inneres, Bau und Heimat, eröffnete auch dieses Jahr wieder die Fachtagung des Beta Verlages. Seine Frage: „Wie ist Deutschland vorbereitet auf Krisenszenarien, die in der KZV berührt werden?“ Sein Fazit ist positiv: Deutschland ist durchaus vorbereitet, aber ohne die Mithilfe der Bürger lässt sich die Aufgabe nicht schultern, Förderung der Eigenvorsorge ist und bleibt das Gebot der Stunde. Ziel der Regierung ist es, die individuelle Krisenfestigkeit zu erhöhen, und das ist – laut Stephan Mayer – durchaus auch eine Aufgabe, bei der die Medien in die Pflicht genommen werden sollten. Von staatlicher Seite soll zeitnah als Unterstützung die Verabschiedung eines neuen Gesetzes erfolgen: Das Ehrenamtsstärkungsgesetz soll mit zahlreichen Vorteilen ehrenamtlich Tätige motivieren und werben. Eine „Stiftung für Engagement und Ehrenamt“ soll mit gleicher Zielsetzung in Neustrelitz ihre Tätigkeit aufnehmen, in Brandenburg soll außerdem eine dritte THW-Schule eröffnet werden. Und auch zum Thema klimabedingte Katastrophen wird man reagieren: Der Bund will Löschhubschrauber anschaffen. 

Die Verantwortung der Politik

Im Anschluss an diese positiven Bekanntgaben leitete Moderator Benno Fritzen über zur Podiumsdiskussion „Politik und ihre Verantwortung in Zeiten des Klimawandels“ mit den Teilnehmern Tobias Fuchs, Leiter der Abteilung Klima- Und Umweltberatung des Deutschen Wetterdienstes (DWD), MdB Elisabeth Kaiser (SPD), Sprecherin der Landesgruppe Thüringen, MdB Michael Kuffer (CDU), MdB Ralph Lenkert, Umweltpolitischer Sprecher für Die Linke Thüringen und MdB Dr. Irene Mihalic, Innenpolitische Sprecherin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.           

Der Experte des Wetterdienstes ließ keine Zweifel zu an der Erkenntnis: Die Extremwetterereignisse der letzten Jahrzehnte haben anthropogene Ursachen, und alle Klimaszenarien prognostizieren einen weiteren Anstieg der Temperaturen. Für Deutschland lässt sich beweisen, dass es seit 1881 im Jahresmittel um 1,6° wärmer geworden ist durch Zunahme von Treibhausgasen. Die Abgeordneten Kaiser und Kuffer betonten hierauf nahezu einhellig die Wichtigkeit der Vorbereitung auf unvermeidlich folgende Extremwetterereignisse, der einschlägigen Kommunikation über Landesgrenzen hinweg und steigender Investitionen in Bevölkerungsschutz und Zivilverteidigung. 

Dr. Mihalic legte ihren Schwerpunkt auf mehr finanzielle Unterstützung für die Einsatzkräfte, mehr Engagement des Bundes bei Katastrophen- und Zivilschutz auch in Europa und forderte, Frauen und Migranten stärker einzubeziehen. Interessant der Beitrag von Ralph Lenkert: Seiner Ansicht nach ist man hierzulande unzureichend auf Krisen eingestellt: „Deutschland war in den Zeiten des Kalten Krieges auf allen Gebieten besser vorbereitet als heute!“ Die Regierung habe selbst die letzten Rückfallebenen aufgegeben: „Wenn alle mit Elektroantrieb fahren, gibt es noch nicht einmal mehr Kradmelder als letzte Lösung.“ Sein Vorschlag: Der Zivilschutz solle integriert werden in das Ziel, die Verteidigungsausgaben auf 2 % des BIP zu steigern und daran adäquat beteiligt werden.

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Bevölkerungsschutz und der Klimawandel

Im anschließenden Dialoggespräch trafen mit Christoph Unger und Prof. Dr. Gerhard Adrian die Präsidenten von BBK und DWD aufeinander. Adrian sieht Wetterprognosen in den Zeiten des Klimawandels durchaus als Teil des Bevölkerungsschutzes, wies aber darauf hin, dass es Grenzen bei der Vorhersagbarkeit gibt: „Schwergewitter lassen sich bestenfalls mit ein bis anderthalb Stunden für kleinere Regionen mit hoher Wahrscheinlichkeit prognostizieren.“ Christoph Unger betonte die Zuständigkeit seiner Behörde für den Schutz der Bevölkerung in Krieg und Krisen und den Aufbau der geeigneten Mittel in Ländern und Gemeinden. Neue Akzente im Zeichen des Klimawandels setze man z. B. bei der Ausrüstung von 350 Fahrzeugen mit einem Paket zur Waldbrandbekämpfung. 

Bei der anschließenden Diskussion machten beide Präsidenten als Störfaktor ihrer Arbeit einen Mangel an Klarheit in Äußerungen der Politik zum Thema aus. Sie vermissten den Aufruf an den Einzelnen, Verantwortung für sich selbst zu entwickeln. Stattdessen würden solche Appelle immer wieder als Panik­mache diffamiert.

Der Beitrag von Prof. Dr. Johannes Hübl (Leiter des Instituts für Naturgefahren an der Universität Wien) resultierte aus dem Auftrag, das Hochwasser in Simbach (Bayern) von 2016 zu dokumentieren und zu analysieren. Sein Fazit: Alle Baumaßnahmen gegen Hochwasser waren der Dimension des Ereignisses nicht gewachsen. Bedenklich: Bei den Neubaumaßnahmen verzögern die deutschen Planfeststellungsverfahren die Fertigstellung in seinen Augen in ungebührlicher Weise: „In Österreich gibt es von Beginn an einen Zuständigen, und nach einem Jahr können solche Baumaßnahmen abgeschlossen werden. In Deutschland weiß man dann noch nicht mal, wer überhaupt zuständig ist…“

Holger Ziehm von Esri Deutschland zeigte nachfolgend die Rolle von Geoinformationssystemen auf, ohne die heute jegliche Reaktionen auf Katastrophen nicht mehr denkbar sind, da sie alle vorhandenen Daten stets aktuell für alle Beteiligten zugänglich machen.

Das Thema Hochwasser begleitete das Auditorium auch weiterhin. Wolfgang Jensen vom schleswig-holsteinischen Landesbetrieb für Küstenschutz referierte über die Anstrengungen des Menschen gegen Sturmfluten in Vergangenheit und Zukunft und brachte damit einen bisher zu wenig beachteten Aspekt ein. Heute dominiert eine stetige Verbesserung der Deiche den Küstenschutz. Und das ist auch bitter notwendig, denn in den letzten 30 Jahren konnte eine zunehmende Bedrohung durch Sturmfluten registriert werden. Gegenmaßnahmen bietet die Nutzung von Baureserven, d. h. die vorhandenen Deiche werden durch Aufsetzen weiterer kleiner Deiche verstärkt. Seine Prognose: Solche nachgerüsteten Deiche müssten voraussichtlich dem erwarteten Anwachsen des Meeresspiegels bis ca. 2050 standhalten.

Für Karsten Göwecke, Vertreter des Landesbranddirektors der Berliner Feuerwehr, ist heute bereits deutlich spürbar, dass Einsätze wegen ungewöhnlicher Hitze im Sommer zugenommen haben. Es gibt offenbar immer mehr Vegetationsbrände, die auf bebaute Gebiete übergreifen. Er empfahl den Feuerwehren, sich anzupassen und z. B. leichterer Schutzkleidung für die Bekämpfung von Vegetationsbränden vorzuhalten. Außerdem warf er die Frage auf, ob nach einer möglichen Umstellung des Antriebs von Löschfahrzeugen auf E-Motoren die volle Einsatzbereitschaft noch gewährleistet sein kann. Mit seinem Beitrag endete der erste Themenblock zum Klimawandel. 

KZV und ZMZ nicht optimal verzahnt

In Themenblock II stand wieder die Konzeption Zivile Verteidigung im Mittelpunkt. Er wurde eröffnet durch Generalmajor Carsten Breuer, Kommandeur des Kommandos Territoriale Aufgaben, der die anspruchsvolle Aufgabe der Organisation von Defender Europe 2020 anhand eines fiktiven US-Soldaten auf seinem Weg nach Osteuropa schilderte. Rasch wurde klar, dass wir heute fast verlernt haben, was zu Zeiten des Kalten Krieges wie selbstverständlich funktionierte: Große Truppenbewegungen durch mehrere Staaten bis in ein Manövergebiet durchzuführen. Zwar funktioniert ZMZ seiner Meinung nach durchaus, aber die Kommunikation zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren ist ver­besserungsfähig.           

Kritik am Zusammenspiel der Kräfte übte auch Branddirektor Per Kleist, Leiter Stab Strategie und Kommunikation der Berliner Feuerwehr. Er monierte die zu träge Umsetzung der KZV, oft, weil notwendige Vorsorgemaßnahmen an wirtschaftlichen Grenzen scheitern. Seiner Ansicht nach ist die Trennung von Zivil- und Katastrophenschutz nicht mehr zeitgemäß. Deshalb solle möglichst ein neues Zivilschutzgesetz erarbeitet werden, in das auch festgeschrieben sein könnte, dass 1 % des Wehretats an das BBK geht.            

Anschließend war die militärische Mobilität Thema eines Forums, das dezidiert die Erwartungen an zivile und militärische Behörden bei ihrer Kooperation formulieren sollte. Teilnehmer waren als Moderator Oberst i. G. Armin Schaus, Oberst i. G. Michael Mittelstädt, Gerald Richter, Referent für Zivile Verteidigung der Deutschen Bahn, Regierungsdirektor Erich Schmied aus dem Ministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur sowie Polizeidirektor Marco Zack, Referent für Bahnpolizeiliche Angelegenheiten bei der Bundespolizei.            

Armin Schaus fasste eingangs die aktuelle Problematik bei der militärischen Mobilität in Europa zusammen und formulierte zu ihrer Behebung die Idee eines „militärischen Schengenraums“. Oberst Mittelstädt lokalisierte viele Schwierigkeiten im deutschen Bereich in der Zusammenarbeit mit dem Ministerium des Innern, wo er präsente Ansprechpartner für das Militär vermisste. Seiner Ansicht nach ist die Bundeswehr heute nur noch eingeschränkt in der Lage, Bündnis- und Landesverteidigung auf dem Niveau von 1989 zu leisten. Laut Erich Schmied ist sich das Verkehrsministerium der Anforderungen des Militärs bewusst. 

Die Verkehrs­infrastruktur werde laufend verbessert und die gesetzlichen Grundlagen existierten ebenfalls. Ein Mangel seien das Fehlen klarer Begrifflichkeiten zu ihrer Anwendung. Weder „Krise“ noch „Katastrophe“ oder „Verteidigungsfall“ seien ausreichend definiert. Zudem seien die Gesetze entstanden in einer Zeit, bevor Bahn und Post zu profitorientierten Unternehmen geworden waren. Das bestätigte Gerhard Richter von der Deutschen Bahn: „Das Verkehrssicherungsgesetz wurde 2018 fünfzig Jahre alt, bindet die Bahn aber immer noch in alle Maßnahmen ein wie eine Behörde!“ Die Aktiengesellschaft Deutsche Bahn habe keine Reserven für Spannungsfälle mehr und das früher bestehende Netzwerk zur ZMZ sei von der Politik leider aufgegeben worden. 

Ähnlich war auch der Tenor der Ausführungen des Vertreters der Bundespolizei: Sein Dienstherr sei ausschließlich zuständig für die Sicherheit auf Anlagen der Eisenbahnen des Bundes, Sicherheitsfragen bei militärischen Transporten fielen ansonsten nicht in den Kompetenzbereich. Militärtransporte würde man einstufen wir Gefahrguttransporte, im Rahmen ihrer unternehmerischen Fürsorge müssten aber die Bahn und ihre Kunden dafür die Grundlagen liefern. Defender 2020 werde von der Bundespolizei jedoch verstärkt überwacht.

Bevölkerungsschutz mit Lücken

Der zweite Tag der Berliner Veranstaltung wurde von Staatssekretär Christian Seel aus dem Ministerium für Inneres, Bauen und Sport des Saarlandes eröffnet. Auch er machte nachdrücklich darauf aufmerksam, dass der Bevölkerungsschutz den neuen Herausforderungen dringend angepasst werden müsse und lobte in diesem Zusammenhang den Informationswert einer Veranstaltung wie dieser 3. CP-Konferenz.

Es folgte ein umfangreicher Vortrag zum Thema „CBRN-Lagen in der Zivilen Verteidigung“ von Dr. Monika Hermann-Pietsch vom BBK. Sie berichtete, dass ihre Behörde vorhabe, in näherer Zukunft alle Lücken zu schließen, die auf diesem Gebiet bei der Ausrüstung der Kräfte noch klaffen, um so auf die seit längerem projektierten Kennzahlen zu kommen. In Kürze werde man z. B. Selbsthilfe-Sets für alle Helfer liefern, die im Ernstfall bei CBRN-Lagen eingesetzt werden sollen. Offensichtlich ist das theoretisch ausgefeilte CBRN-Konzept des Bundes zumindest teilweise noch im Aufbau begriffen – dieser Eindruck ergab sich durch zahlreiche Publikumsfragen nach dem Verbleib zugesagter Ausrüstung bei Feuerwehr und Katastrophenschutz. Die Referentin ihrerseits führte an, dass die Beschaffung von CBRN-Ausrüstung nicht durch das BBK selbst erfolge, sondern durch das überlastete Koblenzer Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr. 

Den nun beginnenden Themenblock III – Aktuelle Themen des Bevölkerungsschutzes leitete Prof. Dr. Harald Karutz von Medical School Hamburg ein, der als Pädagoge darstellte, wie sich Unterricht und Rezeption von Wissen im Lauf der Zeiten verändert hat und wie sich im Gefolge auch das Lernangebot im Bevölkerungsschutz modifiziert werden müsse. Ein Hinderungsgrund bei diesem Prozess ist seiner Meinung nach die Tabuisierung von Krisen und Gefahren in unserer Wohlstandsgesellschaft: „Beim durchschnittlichen Erwachsenen ist heute sozusagen eine Art Analphabetentum anzutreffen bei allem, was mit Selbstschutz in Krisen zu tun hat.“

Drohnen und Social Media

Das anschließende Forum zum Drohneneinsatz für den Bevölkerungsschutz wurde bestritten von Dr. Michael Judex, Krisenmanagementexperte des BBK, Sebastian Hohmann aus dem Leitungsstab des THW, Nils Kirner, Bereichsleiter Einsatzdienste von der JUH und Mario König, Katastrophenschutzexperte der Berufsfeuerwehr Mannheim. Dr. Judex wies daraufhin, dass die aktuelle Luftverkehr-Ordnung keine Regelung für den Drohnen­einsatz im Bevölkerungsschutz beinhalte und es häufig zu Komplikationen komme, wenn mehrere Drohnen unkoordiniert bei Einsätzen genutzt würden. Sebastian Hohmann informierte über den THW-eigenen „Trupp Unbemannte Luftfahrtsysteme“ und dass das THW sich augenblicklich in der Ausschreibungsphase befinde, um mehr und größere Fluggeräte anzuschaffen, die auch für Transporte genutzt werden sollen. Nils Kirner machte deutlich, dass auch die JUH in Zukunft verstärkt auf Drohnen setzt und den dazugehörigen Trainingsaufwand umfangreich erweitern wird. Einen Ausblick in die Zukunft des Drohnengebrauchs gab Mario König: Bald könnten z. B. mit Flammenwerfern ausgerüstete Drohnen veritable Löscheinsätze an unzugänglichen Stellen fliegen oder gegen Schadinsekten vorgehen, sich bei der Überwachung von Großveranstaltungen mit den stationären Kameras verbinden – all das geschieht schon in anderen Teilen der Welt. Nichts scheint undenkbar und die Weiterentwicklung von Normen dürfe deshalb den technischen Fortschritt nicht behindern. 

Matthias Hamann vom schleswig-holsteinischen Landesministerium für Inneres, ländliche Räume und Integration referierte anschließend über IT-gestützte Katastrophenschutzbedarfsplanung. Ziel seines Ministeriums ist die Abschätzung des notwendigen Gesamtvolumens für den Katastrophenschutz mithilfe eines bereits existierenden Tools, das als Website zur Verfügung steht. Man gibt verschiedenste Parameter ein, und durch Risikoanalyse wird ein Mindestbedarf ermittelt.

Dr. Julia Gonschorek (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt) zeigte in einem Intermezzo andere Wege der Planung durch Echtzeit-Lagebilder, die drohnengestützte optische Sensorsysteme ermöglichen. Die Daten werden heruntergeladen auf Endgeräte wie Smartphones und stehen den Lagezentren sofort zur Verfügung.

Das dritte und letzte Forum „Einsatz sozialer Medien in der Risiko- und Krisenkommunikation“ wurde bestritten von Prof. Dr. Milad Mirbabaie (Universität Bremen/Universität Duisburg-Essen), Ramian Fathi vom Virtual Operations Support Team des THW, Henning Zanetti (Pressesprecher THW), Gesine Kleine-Birkenheuer und Nathalie Schopp vom BBK. Prof. Mirbabaies These war: Social Media nehme ständig an Bedeutung zu. Deshalb sollten sie systematisch zur Datengewinnung genutzt werden, um Lagen zu bewerten, Spontanhelfer zu koordinieren und Fake News zu neutralisieren. Das wurde bestätigt und vertieft durch Ramian Fathi. Ergänzend fügte er hinzu, dass Social Media heute erforderlich mache, noch schneller „vor die Lage zu kommen.“ Das war auch der Antrieb für das THW, die sog. VOS-(Virtual Operations Support)-Teams ins Leben zu rufen, die — weitgehend vom Geschehen entfernt — durch Social Media Analysen während der Lage sog. Crisis Maps für den Überblick gewinnen. Henning Zanetti verblüffte das Auditorium mit der Information, dass das THW inzwischen über ca. 1800 Social Media-Auftritte verfügt und so weite Teile der Bevölkerung erreicht. Sie werden beispielsweise genutzt, um Helfer anzuwerben oder in Einsatztagebüchern über Auslandseinsätze zu informieren. Die beiden BBK-Referentinnen Gesine Kleine-Birkenheuer und Nathalie Schopp machten deutlich, dass die Nutzung von Social Media durch ihre Behörde strenge Anforderungen an die Seriosität stellt, da sozusagen „im gesetzlichen Auftrag getwittert“ wird und dass Medien wie Twitter oft überschätzt werden, wenn auf die Stimmung der Gesamtbevölkerung rückgeschlossen werde – nur ca. 3 % aller Bürger sind hier regelmäßig unterwegs!

Den Abschluss der Veranstaltung, die wieder eine Fülle an Informationen und Anregungen bot, machte Rebecca Dinkelbach, Projektleiterin für International Projects and Cooperation der JUH. Sie forderte dazu auf, sich auf Krisen wie einen Blackout intensiv vorzubereiten und dabei die Möglichkeiten und die Resilienz der professionellen Helfer nicht zu überschätzen. Um zu erwartende Ausfälle zu kompensieren, sollte eingeplant werden, dass gerade einfachere Tätigkeiten auch sehr gut durch Spontanhelfer verrichtet werden können. Katastrophenschützer sollten deshalb rechtzeitig Stresstests ihrer Situationen durchspielen und Einsatzhandbücher entwickeln, die kurzfristig auch Laien anleiten können.

Auch in diesem Jahr wieder führte Moderator Benno Fritzen durch eine Konferenz, die alle Beteiligten mit dem Gefühl zurückließ, dass die hier für anderthalb Tage versammelten Experten hochprofessionell und kompetent arbeiten. 

Die Antwort auf die Frage „Wie ist Deutschland vorbereitet?“ fällt dagegen nicht so eindeutig aus: Auf manchen Gebieten sehr gut, auf manchen nur befriedigend, auf anderen wurden seit vielen Jahren bestehende erhebliche Lücken nicht geschlossen. Die Kommunikation vieler beteiligter Institutionen hat vielfach noch Luft nach oben, die Politik übernimmt nicht ausreichend Verantwortung und kommuniziert nicht klar ihre Vorstellungen von der Rolle der Bevölkerung im Krisenfall.

Alle Bilder: Tobias Rücker

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