Exportschlager Ehrenamt
Seit mehr als zehn Jahren unterstützt das THW Tunesien
Beim Aufbau ehrenamtlicher Strukturen im Bevölkerungsschutz in Tunesien kooperieren das Technische Hilfswerk (THW) und das Office National de la Protection Civile (ONPC) erfolgreich seit mehr als zehn Jahren. Die Zusammenarbeit begann nach dem sogenannten 'Arabischen Frühling' und hat sich zu einem vielversprechenden Projekt entwickelt, das die Grundlage für die Integration von Ehrenamt in den tunesischen Bevölkerungsschutz legte. Heutzutage leisten tunesische Ehrenamtliche für den Bevölkerungsschutz einen bedeutenden Beitrag. Sie unterstützen beispielsweise bei Verkehrsunfällen, Überschwemmungen oder Waldbränden. Auch bei Sensibilisierungsmaßnahmen oder der Absicherung von Veranstaltungen sind Ehrenamtliche heute eine wichtige Stütze und nicht mehr wegzudenken.
Die bilaterale Partnerschaft zwischen beiden Organisationen besteht bereits seit vielen Jahrzehnten. So unterstütze das THW Tunesien im Jahr 1988 bei Überschwemmungen. Im Jahr 2011 schlossen beide Behörden einen Kooperationsvertrag, der die Grundlage für das derzeit laufende Projekt legte. Seit 2012 finanziert das Auswärtige Amt die Zusammenarbeit zur Etablierung ehrenamtlicher Strukturen. Die Felder der Zusammenarbeit beinhalten hierbei folgende Themengebiete: Ausbildung, Ausstattung und Schaffung von Lagerkapazitäten sowie Beratung der tunesischen Partnerbehörde. Im Fokus steht die Unterstützung der bereits bestehenden oder neu zu gründenden Ehrenamtsvereine und deren Integration in den tunesischen Bevölkerungsschutz.
Etablierung des Ehrenamts im tunesischen Bevölkerungsschutz
Im Zuge des sogenannten „Arabischen Frühlings“ entwickelte das THW gemeinsam mit ONPC die Idee, in Tunesien auf regionaler Ebene ehrenamtliche Kapazitäten für den tunesischen Bevölkerungsschutz nach dem Vorbild des THW auf- und auszubauen. Das Ziel war es, ehrenamtliche Einsatzkräfte auszubilden, Vereine auszustatten und Ehrenamtsvereine in ihren Kapazitäten zu stärken, um die hauptamtlichen Einsatzkräfte von ONPC bei Notlagen fachgerecht zu unterstützen. Durch Workshops entstand ein Konzept, das Material- und Fahrzeuglieferungen, Ausbildungen sowie Beratung umfasst. Die THW-Grundausbildung wurde erfolgreich an die tunesischen Verhältnisse angepasst. Außerdem wurde benötigtes Einsatzmaterial beschafft und die tunesischen Ehrenamtlichen mit persönlicher Schutzausstattung ausgerüstet.
Die Partnerschaft zwischen THW und ONPC führte zur Schaffung von 22 Ehrenamtsvereinen in ganz Tunesien, die mittlerweile über 4.200 registrierte Mitglieder zählen. Von diesen nehmen rund 1.300 regelmäßig an Einsätzen teil. Besonders hervorzuheben ist das große Engagement tunesischer Frauen, die etwa 45 Prozent der Mitglieder ausmachen. Darüber hinaus wird das Netzwerk des tunesischen Bevölkerungsschutzes durch einen regelmäßigen Austausch von Expertinnen und Experten zwischen ONPC und dem THW sowie zwischen ONPC und anderen internationalen Partnerorganisationen des THW weiter gestärkt und ausgebaut
Wissenstransfer und Schulungen
Der umfassende Wissenstransfer stellt einen grundlegenden Aspekt der Zusammenarbeit dar. Über 175 tunesische Katastrophenschutz-Expertinnen und -Experten wurden über die Jahre in Deutschland geschult, um die Methoden und Inhalte der THW-Grundausbildung kennenzulernen und ihr Wissen in der Vermittlung von Fachinhalten für Ehrenamtliche, zu erweitern. Dabei war das „Train the Trainer“-Konzept ein entscheidender Baustein, um das Wissen der THW-Ausbilderinnen und -Ausbilder mit den tunesischen Partner zu teilen. Die „Train the Trainers“-Schulungen ermöglichten einen intensiven Austausch von Kenntnissen und Erfahrungen. Diese Schulungen erstreckten sich über verschiedene THW-Ortsverbände in Deutschland und trugen dazu bei, ein solides Ausbildungsniveau im tunesischen Zivil- und Katastrophenschutz zu etablieren. Mit diesem ergänzenden Wissen konnten dann insgesamt rund 700 tunesische Freiwillige eine Grundausbildung nach dem Beispiel des THW und mit der aus Deutschland gelieferten Ausstattung in Tunesien absolvieren. Zusätzlich nehmen alle Ehrenamtlichen an eigenständig durch ONPC umgesetzten Ausbildungen in den Bereichen Brandbekämpfung und Erste Hilfe teil.
Darüber hinaus wurden in den vergangenen Jahren verschiedene und über die Grundausbildung hinausgehende Fachausbildungen für ehrenamtliche und hauptamtliche Einsatzkräfte angeboten, an denen rund 400 Einsatzkräfte teilnahmen. Diese Ausbildungen fanden unter anderem in den Bereichen Wartung und Pflege von Material, Umgang mit dem Einsatzgerüstsystem, Sandsackmanagement und Retten aus Fahrzeugen statt.
Logistik: Fahrzeugübergaben und Transport
Im Rahmen der Kooperation wurden bislang über 240 THW-Fahrzeuge erfolgreich an Tunesien übergeben. Zum einen wurden ehemals zum Fuhrpark des THW gehörende, ausgesonderten Fahrzeuge aus Projektmitteln instandgesetzt und anschließend nach Tunesien überführt. Hierunter befanden sich Fahrzeuge wie Kipper, Ladekräne, Mannschaftstransportwagen oder geländegängige Unimogs. Zum anderen wurden im Rahmen der Projektzusammenarbeit Neufahrzeuge beschafft, die landesweit zur Bewältigung von Schadenslagen und dem Transport von Ehrenamtlichen einen Mehrwert darstellen. Zur Instandsetzung dieser Fahrzeuge und des Fuhrparks von ONPC wurde 2023 eine Zentralwerkstatt für ONPC in der Region Manouba eingerichtet.
Hochwasserbekämpfung
Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Projektzusammenarbeit ist der Aufbau von Einsatzeinheiten zur Bewältigung von Hochwasserkatastrophen. Seit 2018 hat das THW insgesamt 20 Hochleistungspumpen beschafft und nach Tunesien überführt. Damit ist sichergestellt, dass die Einsatzeinheiten mit dem bestmöglichen Gerät ausgestattet sind. Diese Pumpen haben eine Pumpleistung, die im nordafrikanischen Raum einmalig ist. Das ist ein weiterer wichtiger Baustein des Projektes, denn mit dem Aufbau und der Ausbildung an den Pumpen wurden erstmals in Tunesien landesweit Einsatzeinheiten aufgebaut, die sowohl von haupt- als auch von ehrenamtlichen Kräften getragen werden.
Kooperation im Einsatz
Die enge Zusammenarbeit zwischen dem THW und der tunesischen Katastrophenschutzbehörde ONPC hat sich auch bei internationalen Einsätzen bewährt. So war die tunesische Spezialeinheit mit ihrem Medium Search and Rescue Team (MUSAR) im Jahr 2023 in der Türkei, Syrien und auch in Libyen im Einsatz und führte dabei Material wie schweres Bergungsgerät oder Zelte mit, das im Rahmen der Projektzusammenarbeit durch das THW in der Vergangenheit an Tunesien übergeben wurde. Neben dem vom Auswärtigen Amt geförderten Projekt beteiligte sich das THW auch an europäischen Projekten zur langfristigen Stärkung der Einsatzfähigkeit von ONPC (IPCAM-Projekt und ENP-CP-Projekt).
Erfolge und Ausblick
Dank der intensiven Zusammenarbeit von mehr als einem Jahrzehnt, sind die Ergebnisse dieser Kooperation deutlich sichtbar. Die tunesischen Ehrenamtlichen spielen eine entscheidende Rolle im tunesischen Zivil- und Katastrophenschutz. Die blauen THW-Fahrzeuge sind mittlerweile ein vertrauter Anblick bei Rettungseinsätzen. Die Partnerschaft hat nicht nur die technischen Kapazitäten, sondern auch das Engagement und die Selbstständigkeit der tunesischen Ehrenamtlichen nachhaltig gestärkt.
Das Projekt ist ein Exportschlager und dient als Modell für ähnliche Initiativen des THW. Seit einigen Jahren führt das THW in Teilen vergleichbare Projekte in Jordanien und der Region Kurdistan-Irak zur Unterstützung der dortigen Bevölkerungsschutzbehörden durch. Der regelmäßige Austausch zwischen den Partnerbehörden bietet das Potenzial, die multilaterale Vernetzung zu fördern und damit die regionale Kooperation im Bereich des Bevölkerungsschutzes zu stärken. Das Potenzial des Austausches konnte erstmals bei der im August 2023 durch das THW organisierten Regionalkonferenz in Amman mit allen drei Partnerbehörden unter Beweis gestellt werden. Dieser Austausch über die Grenzen und Projekte hinweg fördert die Stärkung der internationalen Bevölkerungsschutzlandschaft und führt dazu, dass im Einsatzfall schnell und kompetent Hilfe geleistet werden oder mittelfristig ein Wissensaustausch erfolgen kann.
Diese Erfolgsgeschichte zeigt die Bedeutung internationaler Zusammenarbeit im Bereich der Katastrophenhilfe und wie ehrenamtliche Strukturen dazu beitragen können, die Resilienz von Gemeinschaften weltweit zu stärken.
Ein Höhepunkt zur Würdigung des freiwilligen Engagements im tunesischen Bevölkerungsschutz steckte 2023 der erste Ehrenamtstag des Landes an der Nationalen Katastrophenschutzschule in der Hauptstadt Tunis dar. Dabei zeigten die Teilnehmenden aus dem ganzen Land und von 19 Ehrenamtsvereinen ihre Leistungsfähigkeit. Im Rahmen einer Einsatzübung demonstrierten sie ihr Fachwissen in der richtigen Absicherung von Einsatzstellen, dem Bewegen von Lasten und der Rettung von Personen aus Fahrzeugen. Von den aktuell existierenden Ehrenamtsvereinen wurden in der Vergangenheit 17 durch das THW unterstützt.
Fazit: Internationale Partnerschaft im Dienst des Zivil- und Katastrophenschutzes
Die deutsch-tunesische Kooperation im Bereich Katastrophenhilfe und Bevölkerungsschutz liefert in einer Zeit, in der globale Herausforderungen eine verstärkte Koordination erfordern, ein inspirierendes Beispiel für nachhaltige internationale Partnerschaften. Das THW setzt mit diesem Projekt nicht nur auf technische Unterstützung, sondern auch auf den Austausch von Know-how und den Aufbau nachhaltiger ehrenamtlicher Strukturen. Die kommenden Jahre werden zeigen, wie diese Kooperation den Bevölkerungsschutz und die Zivilgesellschaft in Tunesien weiter stärken wird. In 2024 liegt der Fokus der Projektarbeit auf der Professionalisierung und nachhaltigen Integration der ehrenamtlichen Strukturen in den tunesischen Bevölkerungsschutz und die zunehmende Vernetzung der Regionen.
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