Die Corona-Pandemie hat deutlich gemacht: Um eine große und in kurzer Zeit rasch zunehmende Patientenzahl versorgen zu können, müssen Intensivkapazitäten unmittelbar zur Verfügung stehen. Behelfskrankenhäuser wie in Hannover und Berlin zeigten wie in einer außergewöhnlichen Situation der Bedarf an Intensivpflegeplätzen durch die enge Kooperation von Behörden, Klinikbetreibern und Medizintechnikherstellern flexibel gedeckt werden konnte. Doch nach dem Abflauen einer Massenerkrankung müssen die in Messehallen errichteten Infrastrukturen auch wieder abgebaut werden können. Wiederverwendbare Komponenten und Lagerungskonzepte sind wichtige Eckpfeiler einer effizienten Pandemie-Strategie mit flexiblen Versorgungskonzepten.
Zu Beginn der Corona-Pandemie wurde rasch klar, dass die Viruserkrankung in der Lage war, sich ohne Schutzmaßnahmen relativ einfach zu verbreiten. Allerdings konnte der regionale Fokus und Zeitpunkt möglicherweise stark zunehmender Infektionszahlen mit Patienten, die klinisch zu behandeln waren, nur schwer vorhergesagt werden. Darüber hinaus mussten bereitgestellte Intensivkapazitäten in behelfsmäßig errichteten Notfallkliniken darauf vorbereitet sein, Patienten auch über einen längeren Zeitraum stationär aufnehmen zu können. Glücklicherweise konnten viele der vor allem im Frühjahr 2020 schwerer erkrankten Fälle in Krankenhäusern versorgt werden.
Der Bedarf an Behelfskapazitäten außerhalb der klinischen medizinischen Versorgung hat sich im weiteren Verlauf des Jahres bis auf ein Minimum reduziert. Mit einem Konzept zur Balance zwischen COVID-19-Bereitschaft und Regelversorgung hat die Deutsche Krankenhausgesellschaft auf die Pandemie reagiert. Die Kliniken sehen sich unter anderem mit dem Hinweis auf das DIVI-Register, einer zentralen Erfassung bereitstehender Kapazitäten zur besseren Steuerung von Patienten, mittlerweile gut auf die Pandemiesituation eingestellt.
Risiko für Massenerkrankungen
Doch was passiert, wenn die Situation doch außer Kontrolle gerät? Bereits 2012 beschrieb ein Bericht des Bundestags zur “Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz“ ein Szenario, bei dem den angenommenen 500.000 Krankenhausbetten auf einmal 4 Millionen Infizierte gegenüberstehen könnten, die entweder zuhause oder in „Notfalllazaretten“ versorgt werden müssen. Auslöser dieses Szenarios war die Annahme, dass sich ein hypothetisches Modi-SARS-Virus rasch ausbreiten würde – mit deutlichen Parallelen zur aktuellen SARS-Covid-19 Epidemie. Die US-amerikanische Non-Profit-Organisation Cary Institute of Ecosystem Studies geht davon aus, dass mit Ausbrüchen von Infektionskrankheiten natürlichen beziehungsweise tierischen Ursprungs wie Ebola, SARS, Vogelgrippe oder des COVID-19 Virus weiter zu rechnen ist. Auch Deutschland widmet dem Thema Pandemien inzwischen mehr Aufmerksamkeit, etwa durch die Einrichtung eine interdisziplinären Kommission für Pandemieforschung im Juni 2020 durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG).
Flexible Intensiv-Infrastrukturen können zu einem Standbein der Pandemie-Versorgung werden. Beispielsweise hat sich die Berliner Krankenhauslandschaft als Reaktion auf die Corona-Krise auf vier Versorgungslevel und Eskalationsstufen verständigt. Während die Level 1-2 Kliniken initial den Hauptteil der COVID-19-Patienten aufnehmen, sollen ab der zweiten Eskalationsstufe zusätzlich Level 3 Kliniken bei der Versorgung helfen. Sollten die Klinikkapazitäten aber in der vierten Stufe überschritten werden, kommt die im April 2020 eingerichtete Behelfsklinik als Notpuffer auf dem Berliner Messegelände zum Einsatz. Dennoch stellt sich die Frage nach dem Aufwand für den Unterhalt von Infrastrukturen, die nur im Notfall gebraucht werden. Modulare Konzepte wären wünschenswert, die ein schnelles Errichten einer behelfsmäßigen Patientenversorgung auf intensivmedizinischem Niveau für den Fall des Falles ermöglichen.
Elemente zur medizinischen Versorgung
In der Corona-Krise wurden in kurzer Zeit große Behelfskliniken mit mehreren hundert Betten realisiert. Unter zweckfremden Bedingungen von Messehallen war eine intensivmedizinische Versorgung mit Langzeitbeatmungsmöglichkeit gefordert, die zudem auf einer flexiblen technischen Infrastruktur basieren sollte. Hierfür gab es noch kein Patentrezept. Nach Beratung von Berliner Senat, Kliniken und einem Partner für den operativen Betrieb der Behelfseinrichtung sowie der Industrie wurde in nur vierwöchiger Vorbereitung das Corona-Behandlungszentrum Jafféstraße in Berlin errichtet. Auch die Auswahl der Technik- und Service-Partner trug zum Erfolg der Projekte bei. Dabei bildete herstellerseitig die Verbindung von Medizintechnikexpertise, Krankenhaus-Service Know-how und der Fähigkeit, situativ angepasste Lösungen anbieten zu können, eine wichtige Säule. Die in der Behelfsklinik eingesetzte Medizintechnik musste nicht nur funktional sein, sondern auch eine hohe medizinische Qualität aufweisen sowie lagerungsfähig sein. Herstellerseitig entstanden völlig neue Lösungen, die eine Intensivversorgung über einen längeren Zeitraum auch außerhalb eines Krankenhauses erst möglich machten.
Bei der Planung zeigte sich beispielsweise, dass die Versorgung der beatmeten Patienten mit medizinischen Gasflaschen ungeeignet war. Zu hoch wäre das Risiko der Versorgungsunterbrechung beim Flaschenwechsel gewesen und zu groß der logistische Aufwand, um die Flaschen mehrfach pro Tag und Patient zu wechseln. Die Alternative zur Flaschenversorgung war eine im Krankenhausbetrieb etablierte zentrale medizinische Gasversorgung. Entsprechend wurde für die Berliner Corona-Notfallklinik eine Gaszentrale bestehend aus einer Sauerstoff- und einer Druckluftanlage realisiert, die in Containern vorgefertigt und anschlussfertig auf die Baustelle geliefert wurde. Als primäre Quelle für den Sauerstoff wurde zusätzlich ein Flüssiggastank in die Anlage integriert. Parallel zum Bau der Versorgungscontainer wurde in den Messehallen ein medizinisches Versorgungsnetz mit rund 4,5 km Kupferrohren verlegt, das Sauerstoff und Druckluft an die Beatmungsplätze liefert. Die Versorgungscontainer und das Verteilernetz mussten vor Ort dann nur noch miteinander verbunden werden.
Das modulare Verteilernetz ist mit Standardkomponenten, wie Bereichskontrolleinheiten und eigens entwickelten Mehrfachverteilern ausgestattet, die komplett rückbaubar sind. In weniger als vier Wochen Bauzeit entstand in der Messehalle eine vollständige, CE-zertifizierte normkonforme zentrale medizinische Gasversorgungsanlage nach DIN EN ISO 7396-1, die eine Luftqualität gemäß dem Europäischen Arzneibuch liefert. Sollte die Corona-Notfallklinik nicht mehr benötigt werden, kann ein Großteil der Komponenten der zentralen Gasversorgung eingelagert werden und stünde für einen kurzfristigen Einsatz an gleicher oder anderer Stelle zur Verfügung.
Neu entwickelte medizinische Arbeitsplätze: mobil und variabel
Ein klinischer Arbeitsplatz für die Intensivplätze auf Rollen ist ein weiteres Novum für Behelfskliniken. Er besteht aus einer Versorgungssäule auf vier Rollen, die aufgrund einer Tragkraft von einhundert Kilo direkt mit einem Beatmungsgerät, Monitoring und weiterem medizinischen Equipment, zum Beispiel Spritzenpumpen, bestückt werden kann. So entsteht ein kompakter Intensivarbeitsplatz, der universell und flexibel einsetzbar ist und ein Höchstmaß an Versorgungsqualität auch bei einer nur behelfsmäßigen Infrastruktur bietet.
An den Normalpflegebetten im Corona-Behandlungszentrum kommt eine weitere Neuentwicklung zum Einsatz: eine Wandversorgungseinheit auf einem zusammenklappbaren Holzkorpus mit Rollen. Die transportable Einheit kann überall dort eingesetzt werden, wo schnell zusätzliche Bettplätze mit medizinischen Gasen, Strom und Datendosen benötigt werden. Sie schafft gleichzeitig ein Mindestmaß an Patientenkomfort. An den horizontal angeordneten Entnahmestellen für Sauerstoff und Druckluft können zum Beispiel ein Beatmungsgerät, Inhalationseinrichtung oder eine pneumatische Absaugung angeschlossen werden. Darüber hinaus stehen Elektroanschlüsse zur Verfügung. Integrierte Geräteschienen nehmen leichteres Zubehör wie Untersuchungsleuchten, Flowmeter, Monitore oder Drahtkörbe für medizinische Instrumente auf. Eine zusätzliche LED-Leuchte sorgt für Leselicht und erleichtert das Arbeiten am Patienten unabhängig von den räumlichen Lichtverhältnissen. Beide mobile Versorgungseinheiten können zur Wiederverwendung in Mehrwegkisten gelagert werden und wären somit jederzeit verfügbar und schnell wieder einsatzbereit. Da sie universell einsetzbar sind, könnten sie auch als Backup-Lösung für Notszenarien im klinischen Umfeld dienen.
Für den Betrieb einer Notfallklinik sind natürlich noch viele weitere Faktoren wie eine personelle Ausstattung mit medizinisch geschultem Personal auch über einen längeren Zeitraum zu berücksichtigen. Die Realisierung der zentralen Gasversorgung und der Patientenarbeitsplätze aber zeigt, wie die notwendige Infrastruktur für eine sichere und skalierbare Patientenversorgung auch in zweckfremden Strukturen realisiert werden kann. Die hohe Flexibilität und die Nachhaltigkeit machen dabei das Konzept mobile Behelfsklinik sowohl für akute als auch für vorbeugende Maßnahmen interessant.
Literatur beim Verfasser
Crisis Prevention 4/2020
Morten Voss
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