Medizinische und ethische Aspekte bei der Verteilung knapper Ressourcen und der Triage-Situation

Eine Orientierungshilfe derDeutschen Gesellschaft für Katastrophenmedizin e.V.

Leo Latasch · Ulrich Grüneisen · Jürgen Schreiber

PantherMedia / gamjai

Die Covid-19-Pandemie stellt das Gesundheitswesen derzeit vor enorme Herausforderungen. Dies betrifft alle Einrichtungen, die Krankenhäuser, Alten-und Pflegeheime, Einrichtungen der Eingliederungshilfen und der Behindertenhilfesowiedie ambulanten Dienste. Auch wenn der weitere Verlauf der Pandemie nicht sicher vorhersagbar ist, geben die aktuellen Prognosen und der Blick ins Ausland Grund zu der Annahme, dass wir auch in Deutschland auf eine Situation vorbereitet sein müssen, in der viele Menschen so schwer erkranken, dass die (intensiv)medizinischen Versorgungskapazitäten in  den  Krankenhäusern zeitweise nicht mehr ausreichen könnten und durch andere organisatorische Maßnahmen nicht mehr zu kompensieren sind, um alle schwerstkranken Patienten adäquat versorgen zu können.

Der zugrundeliegende Mangel könnte sowohl die Zahl der Behandlungsplätze betreffen, wie die notwendigen (Beatmungs-)Geräte, die Schutzbekleidung sowie ausreichendes Fachpersonal. Diese Orientierungshilfe konzentriert sich auf eine solche außerordentliche Notlage, zumal es dafür in der deutschen Nachkriegsgeschichte keine vergleichbare Erfahrung gibt, auf die zurückgegriffen werden könnte. Sollte der schlimmste Fall (worst-case-scenario) eintreten, müssten unausweichlich Entscheidungen darüber getroffen werden, welche Patienten behandelt werden sollen und welche nicht oder nicht mehr. 

Indem dieses Thema aufgegriffen wird, soll weder eine dramatische Situation herbeigeredet, noch Unsicherheit verbreitet werden. Im Gegenteil: zu einer verantwortungsvollen, vorausschauenden Planung gehört es, mit nüchternem Blick den schlimmsten Fall einzubeziehen (worst-case-scenario), zumal davon auszugehen ist, dass die zu treffenden Entscheidungen bei unzureichend vorhandenen lebensnotwendigen Ressourcen eine außerordentlich hohe emotionale und moralische Belastung für die jeweils Beteiligten darstellt.

Für diese Orientierungshilfe wurden verschiedene Positionspapiere berücksichtigt, als Hauptgrundlage die Orientierungshilfe der AGAPLESION gAG, die Ad-hoc-Stellungnahme des Deutschen Ethikrates, sowie die Stellungnahmen verschiedener Fachgesellschaften und Arbeitsgruppen aus dem In-und Ausland.

Für die konkrete Entscheidungsfindung im Krankenhausschlagen wir vor, die Klinisch-ethischen Empfehlungen der sieben deutschen Fachgesellschaften als Leitfaden zu verwenden, die unter der Federführung der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin(DIVI) am 25.03.2020 veröffentlicht wurden.

Dieser Katalog der Fachgesellschaften hat für die Einrichtungen des Gesundheitswesens zwar keine bindende Wirkung, kann den Mitarbeiter*innen jedoch als Hilfe bei ihrer Entscheidungsfindung dienen. Uns ist bewusst, dass auch in diesem Katalog nicht alle Fragen erschöpfend beantwortet werden. 

Auch ist es wichtig herauszustellen, dass bei den derzeit bestehenden rechtlichen Unsicherheiten in diesen Fragen der Deutsche Ethikrat darauf hinweist, dass bei einer Orientierung an den von medizinischen Fachgesellschaften aufgestellten Kriterien "mit entschuldigender Nachsicht der Rechtsordnung" gerechnet werden kann. Das Recht verlangt vom Arzt bzw. von der Ärztin nicht mehr, als tatsächlich geleistet werden kann. 

Medizinische und ethische Aspekte bei der Verteilung knapper Ressourcen und der...

Die klinisch-ethischen Empfehlungen der DIVI geben somit einen wichtigen Rahmen und eine Struktur, richten sich primär an die klinischen Entscheidungsträger, sollen diese entlasten und wollen darüber hinaus auch allen interessierten Mitarbeiter*innen offenlegen, an welchen Kriterien sich ärztliche Entscheidungen in einer solchen schwierigen und belastenden Krisensituation orientieren.


DGKM Positionspapier zur Triage bei Pandemie


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