Flexible Einsatzmöglichkeiten von DRK-Fahrzeugen und -Mitteln für effizienten Bevölkerungsschutz

Reinhold Erdt, Oliver Pitzer, Dennis Förster, Philipp Wiesener

Ausbildungswochenende in der Prignitz – Brandenburg: Radlader auf einer Ladefläche

Um der steigenden Komplexität heutiger Krisen und Katastrophen gerecht zu werden, legt das DRK einen Schwerpunkt darauf die zuverlässige Versorgung der von einer Katastrophe betroffenen Bevölkerung zu gewährleisten. Das DRK entwickelt dazu neue technischen und einsatztaktischen Ansätze. Sowohl Materialien werden so konzipiert, also auch Fähigkeiten so angelegt, dass diese – je nach Bedarf und Einsatz - multiple Rollen erfüllen können.

Globale Herausforderungen, wie die COVID-19 Pandemie, Konflikte, Naturkatastrophen, und insbesondere die Klimakrise, stellen erhebliche Risiken für den nationalen Bevölkerungsschutz dar. Die Zunahme von extremen Wetterereignissen hat vielfältige ­Folgen für die Gesundheit und das soziale Leben. Auch hierzulande ist das DRK mit den Auswirkungen des Klimawandels konfrontiert (z. B. Elbefluten 2002 und 2013, Schneefall Münsterland 2005, Wintereinbruch Bayern 2019, Starkregen Ahrtal 2021 und das Winterhochwasser 2023/2024) und agiert oftmals in Situationen des Zusammenbruchs normaler Infrastruktur. Lokale Maßnahmen sind entscheidend, um diesen Risiken effektiv zu begegnen.

Darüber hinaus führt der demografische Wandel dazu, dass immer mehr ältere Menschen auf Gesundheits- und Sozialfürsorgedienste angewiesen sind, die gegen länger anhaltende Notlagen nicht gewappnet sind. In Zukunft wird es mehr Menschen geben, die Pflege brauchen, mit einer wachsenden Tendenz zur Individualisierung von Bedürfnissen. Die Anzahl der Migrierenden und Geflüchteten als Folge von Konflikten, Klimawandel und Armut ist weltweit erheblich gestiegen und wird voraussichtlich weiter steigen.

Die Ebola Epidemie von 2014 bis 2016, und nicht zuletzt die Covid-19 Pandemie haben Lücken im gesundheitlichen Bevölkerungsschutz offenbart, die es zu schließen gilt. Die Folgen ­globaler Abhängigkeiten können besonders für die Gesundheitsversorgung katastrophal sein. Und nicht zuletzt gibt es An­passungs­bedarfe für kritische Infrastrukturen da sich das sicherheitspolitische Umfeld verändert hat und Bedrohungen durch multiple Krisen, wie zum Beispiel den Krieg in der Ukraine, zunehmen.

Die Ausgestaltung des Bevölkerungsschutzes muss auf eine Bandbreite von vorhersehbaren und unerwarteten Ereignissen, von lokalen Notfällen bis hin zu übergreifenden Großschadenslagen, vorbereitet sein und diese antizipieren. Mit einem Fokus auf die Ursachen spezifischer Vulnerabilität sollen vorausschauende und innovative Lösungen dazu beitragen, im Ernstfall schnell agieren zu können. Einsatzmittel sollen in verschiedenen Phasen eines Einsatzes verschiedene Aufgaben abdecken.

Diese sogenannte Mehrrollenfähigkeit ist wichtig, da die genauen Einsatzrealitäten und Bedarfe im Zivilschutzfall nicht vollständig vorherzusagen sind. Mit einer überschaubaren Anzahl von Fahrzeugen und Einsatzmitteln muss demnach ein möglichst großes Spektrum an Szenarien und Einsatzspektren bedient werden können, um die Grundbedürfnisse der Bevölkerung auf breiter Ebene, autark und unmittelbar zu gewährleisten.

Die Mehrrollenfähigkeit basiert auf der Kompatibilität von Materialien, logistischen Anforderungen und technischen Ausgestaltungen. Einheitliche Hüllenkonzepte, wie 20-Fuß-Container, kranbar und mit Stapler zu versetzen und mit einheitlichen Abmessungen auf Euro-Paletten, ermöglichen die notwendige Vielseitigkeit im Einsatz.

DRK-Sondereinsatzfahrzeuge im Dienst des Bevölkerungsschutzes: Erkenntnisse aus der Praxis

In großflächigen Schadenslagen mobilisiert das DRK die benötigten Materialien aus ganz Deutschland und transportiert diese ins Einsatzgebiet zur Versorgung und Betreuung der Betroffenen und zur provisorischen Wiederherstellung zerstörter Infrastruktur. Die dazu notwendigen logistischen Abläufe sind aufwendig, und eine zentrale Vorhaltung ist von Vorteil, um eine schnelle Verfügbarkeit zu gewährleisten. Durch die Bereitstellung der Engpassressourcen an einem Ort, kann eine Mobilisierung sehr kurzfristig erfolgen und die benötigten Materialien können schnell an den Einsatzorten bereitgestellt werden.

Es werden vorrangig geländefähige und geländegängige Fahrzeuge vorgesehen. Dies ist jedoch nicht immer möglich oder wirtschaftlich umsetzbar. Logistikfahrzeuge ohne Allrad kommen ebenfalls zum Einsatz, stoßen jedoch bei entsprechend schwierigen Straßenverhältnissen an ihre Grenzen. Diese Fahrzeuge können in Kombination mit geländegängigen und geländefähigen Fahrzeugen effektiv eingesetzt werden und bei Bedarf kann aus ­Zwischenlagern umgeladen werden. Falls Straßeninfrastruktur zerstört oder beschädigt ist, können Materialien auch über Schienen und mit Hilfe von Kleinbooten zum Bestimmungsort bewegt werden.

Logistik: Scania 6x6

In (Groß-)Schadenslagen wird verlässlicher Materialtransport immer wichtiger. Für das DRK gewinnt insbesondere der Transport von Spezialcontainern immer mehr an Bedeutung. Das Fahrzeug auf Basis eines Scania 6x6 ist mit Plane-Spriegel ausgestattet, verfügt dabei aber auch über die Möglichkeit des ISO-Containertransportes. Auch die Möglichkeit des Gefahrguttransports wird abgedeckt. Das Fahrzeug verfügt über eine Seilwinde zur Bergung, eine manuelle Reifendruckregelanlage und weitere mobilitätserweiternde Maßnahmen.

Nur in Kombination mit entsprechenden Aus- und Weiterbildungen kann das volle Potenzial dieses Einsatzmittels ausgeschöpft werden. Aus diesem Grund ist das Fahrerhaus so ausgebaut, dass es über ausreichend Sitzplätze und Vorbereitungen für den Betrieb als Fahrschulauto verfügt.

Logistik: Mercedes 8x8

Zum Aufladen, Befördern, Abladen und Versetzen der Container wird ein Fahrzeug benötigt, dass über eine Hebevorrichtung (Ladekran als Mittelkran) verfügt. Der geländegängige Allrad LKW Mercedes Arocs mit Radformel 8x8 wird im Betrieb mit einem Anhänger kombiniert, der ebenfalls zur Beförderung von Con­tainern ausgelegt ist. Die Ausladung des Ladekrans ermöglicht es, den auf dem Anhänger mitgeführten Container von diesem zu heben und zu versetzen. Der LKW verfügt über eine Pritsche inklusive Verriegelungsmöglichkeiten für 1x20 Fuß ISO Container. Der Ladekran kann Container bis zu 7.000kg versetzen. Die Ausladung beträgt 12,00m und die Hubhöhe 10,00m.

Logistik: Scania Sattelzugmaschine

Weitere Transportbedarfe werden durch Sattelzugmaschinen und Sattelauflieger abgedeckt. Auch hier wird auf Mehrrollenfähigkeit gesetzt. Die Sattelzugmaschine kann durch eine flexibel anzubringende Ballastpritsche neben Sattelaufliegern auch andere Anhänger bewegen. Die Ballastpritsche kann darüber hinaus auch für den Transport von Schüttgut oder Paletten-Ware eingesetzt werden.

Feldumschlag: Teleskopstapler

Zum Stapeln von Containern, Ersatzstromerzeugern, palettierter Waren und Stückgut sowie zum Feldumschlag im Gelände sind verschiedene Gabelstapler mit verschiedenen Hublasten und Gabelträgern vorgesehen. Neben Mitnahmestaplern sind auch Teleskopstapler nötig, die darüberhinausgehende Aufgabenbereiche abdecken können. Hierzu sind spezielle Anbauteile er­forderlich.

Zu den weiteren Aufgabenbereichen gehören das Arbeiten mit einer Hebebühne um Antennenanlagen, Lichtmaste oder Großzelte zu erreichen, sowie schwere Lasten mittels Kranhaken und hydraulischer Winde zu bewegen. Zur bautechnischen Bearbeitung von Geländeoberflächen bezüglich der Ebenheit und Neigung ist eine Schaufel Bestandteil der Anbauteile. Sämtliche Anbauteile des Teleskopstaplers werden in einem Rahmengestell in 20fuß ­Containergröße verlastet und können so sicher gelagert und transportiert werden. Dabei können alle verlasteten Anbauteile unabhängig voneinander aus dem Containerrahmen entnommen werden.

Feldumschlag: Radlader und Minibagger

Zerstörte Infrastruktur stellt die logistischen Abläufe in einer Katastrophenlage vor eine große Herausforderung. Um auf mögliche Einsatzszenarien vorbereitet zu sein, werden Fahrzeuge zur technischen Unterstützung bereitgehalten. Dazu zählen Mini­bagger und Radlader. Der Minibagger ist in der Lage sehr präzise kleinere Erdbewegungen durchzuführen, Boden zu ebnen und insbesondere auch Gräben auszuheben, die zum (frostfreien) Verlegen von Wasser- und Abwasserrohren, Kabeln und anderen Leitungen notwendig sind.

Diese Möglichkeiten werden durch den Radlader ergänzt, der großflächige Erdbewegungen, Planieren, Räumen und Wegebau abdecken kann. Einsätze sind in verschiedenen klimatischen Bedingungen, auch im Winter, realistisch. Glatteis, Eis und Schnee können schnell zu einem Hindernis für Logistik und reibungslose Verläufe im Aufbau, aber auch Betrieb werden. Deshalb ist der Radlader ausgestattet, um im Feldumschlag zu unterstützen und Schnee und Eis zu räumen. Er kann auch Mobilitätsunterstützung bei der Bergung von Fahrzeugen sowie Abschleppdienste durchführen.

Medizinische Versorgung: MMVe

Eine Mobile Medizinische Versorgungseinheit baut auf einem Sattelauflieger mit Kastenkonstruktion auf. Der Innenbereich der MMVe teilt sich in 4 verschiedene Arbeitsbereiche auf: Empfang/Patientenregistrierung, Sprechzimmer, Behandlungsraum und Personalaufenthalt.

Einsatz eines Teleskopladers während des Ausbildungswochenendes in
der...
Einsatz eines Teleskopladers während des Ausbildungswochenendes in
der Prignitz – Brandenburg
Quelle: alle Bilder: DRK

Beim Aufbau wurde besonders Wert auf die autarke Versorgung mit Strom, Kommunikation, Trinkwasser und dem Auffangen von Abwasser gelegt. Für die Stromversorgung steht ein 24 kVa Ersatzstromerzeuger zur Verfügung. Bei voller Leistung und vollem Kraftstofftank mit 160 Litern, kann die MMVe sich mindestens72 Stunden selbstständig mit Strom versorgen. Eine externe Einspeisung von Strom ist mittels 400V, 32 Ampere Drehstrom unkompliziert möglich. Zum Schutz von Personal und Patienten verfügt die MMVe über 3 Trenntransformatoren sowie 3 Isolations­überwachungen gemäß aktueller VDE-Vorgaben.

Der Trinkwassertank bietet Platz zur Mitnahme von 200 Litern Trinkwasser. Abwasser kann in einem 250 Liter Tank aufgefangen werden. Sowohl Trinkwasser und Abwasser können auch extern zugefügt werden. Kommt es zu einer externen Trinkwasser­versorgung, durchläuft das Trinkwasser eine in der MMVe verbaute Trinkwasserfilteranlage. Die Filteranlage besteht aus 4 Bereichen (Feinfilter, Aktivkohlefilter, UV-Filter, Pall-Wasserfilter).

Die drei Arbeitsplätze sind mit EDV und Telefon ausgestattet. Für die zentrale Datenvorhaltung ist ein eigener Server integriert. Die Kommunikation nach extern erfolgt, je nach Verfügbarkeit, über VDSL/ADSL, GSM oder LTE. Für Gebiete mit schwieriger Tele-­Infrastruktur verfügt die MMVe über einen 10 m Antenennmast mit Richtfunk-LTE. Bei Bedarf ist auch die Anbindung an das DRK-Kurzwellennetz möglich sowie die Verbindung über ­Satellitenfunk. Der MMVe sind drei Festnetztelefonnummern sowie eine DECT-Telefonanlage mit 4 Nebenstellen zugewiesen. Die IT-Infrastruktur wird über den eingebauten Server gesteuert und über LAN bzw. WLAN in der MMVe verteilt. Ein Faxgerät, der zentrale Drucker sowie eigener Kartendrucker komplettieren die

Ausstattung. Ein Kartenlesegerät erlaubt die Nutzung der elek­tronischen Gesundheitskarte (eGK).

Alle 4 MMVe des DRK waren in der Bewältigung der Hochwasserlage im Ahrtal insgesamt 278 Tage im Einsatz. Dabei wurden 2.502 Einsatzstunden absolviert und 1.874 Versorgungen durchgeführt. Die Konzeption der MMVe wurde durch die Erfahrungen und Erkenntnissen aus vergangenen Einsätzen ergänzt.

Das überarbeitete Hüllenkonzept sieht die Unterbringung der Fachdisziplinen Allgemeinmedizin, Chirurgie, Gynäkologie, Pädiatrie, vor. Durch die Anpassung soll die Mehrrollenfähigkeit gestärkt und eine medizinische Grundversorgung unter erschwerten Bedingungen sichergestellt werden.

Medizinische Versorgung: Unimog Ambulanz

Die Fähigkeit der MMVe wird im Einsatz durch die Bereitstellung von geländegängigen Krankentransportwägen geeignet für den Transport von infektiösen Betroffenen und mit einer Materialausstattung nach DIN EN 1789 C erweitert, welche speziell für den Einsatz im Katastrophenschutz entwickelt wurden. Durch einen kombinierten Einsatz von alleinstehenden Komponenten werden Synergieeffekte ermöglicht.

Die geländegängigen Einsatzmittel auf Basis eines Mercedes Sprinter kommen zur Versorgung und Beförderung von verletzten und erkrankten Personen, insbesondere bei zerstörter Infrastruktur und bei Verdacht auf Infektionserkrankungen zum Einsatz. In die Konzeption sind Erkenntnisse aus zahlreichen Erprobungen und insbesondere die Einsatzerkenntnisse hinsichtlich der Geländegängigkeit der Watfähigkeit und Gewässerdurchquerungsfähigkeit geflossen.

Ausgestattet ist es mit Spezialfähigkeiten: Der Möglichkeit zur selbstständigen Bergung und Sicherung mit Seilwinde, dem ­klimatisierten Arbeiten bei konstant min. +20 Grad in Bereichen von -20 Grad bis +40 Grad Celsius, 3D-Desinfektionsverfahren mit Wasserstoffperoxid. Darüber hinaus kann es zum Infektionstransport in einer Isolationseinheit genutzt werden, was auch einen sicheren innerklinischen Transport ermöglicht.

Basierend auf potenziellen Einsatzszenarien, aber auch unter Berücksichtigung von Erprobungen und insbesondere Erfahrungen aus Einsätzen, knüpft die Ausgestaltung der aktuellen Konzeption an die Anforderungen an Mobilität, Autarkie und Modularität an und dient als Multiplikator in diesen Fähigkeiten.

Darüber hinaus verfügt das Fahrzeug über eine möglichst hohe Personentransportkapazität und ist in seiner technischen Konzeption bedarfsorientiert ausgestattet. Die Ausgestaltung sieht zwei Varianten im selben Fahrzeug vor. Es können entweder vier Personen sitzend, eine Person liegend, oder 2 Personen liegend befördert werden.

Bereit für den Umgang mit gegenwärtigen und zukünftigen Katastrophen

Das DRK will sicherstellen, dass es für aktuelle und zukünftige Herausforderungen richtig gewappnet ist, und dabei immer die betroffenen Menschen in den Mittelpunkt stellt. Das bedeutet, zur richtigen Zeit und am richtigen Ort zu investieren und vorausschauend, innovativ und proaktiv zu handeln. Es erfordert die richtigen Kapazitäten, die richtigen Fähigkeiten und eine effiziente Vernetzung im Gesamtverband. 



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