KatLeuchttürme als Basis der Krisenkommunikation im Landkreis Meißen

Ronald Voigt

Die Koordination von Einsatzkräften, Verteilung von Hilfsgütern, Erstellung von Lagebildern und noch viele weitere Aspekte des Katastrophenschutzes sind unmittelbar abhängig von einer funktionieren Krisenkommunikation. Doch was passiert, wenn eben diese bei einem Blackout nicht mehr zur Verfügung steht? Mit dieser Frage hat sich der Landkreis Meißen in den vergangenen Jahren intensiv befasst und nun in Zusammenarbeit mit der KomRe AG ein System von autarken und portablen KatLeuchttürmen als Basis einer funktionierenden Krisenkommunikation eingeführt.

Im Fall eines so weitreichenden Szenarios wie einem Blackout ist die Sicherstellung von Kommunikationsmöglichkeiten und Informationsweiterleitung von essenzieller Bedeutung. Die effektive Verbreitung wichtiger Informationen an die entsprechenden Stellen und die Bevölkerung kann Leben retten, insbesondere mit Blick auf die medizinische Versorgung. Um den Ausfall der gängigen Kommunikationsmittel, wie beispielsweise Mobilfunk und Festnetz, auszugleichen und der Bevölkerung somit auch Anlaufpunkte zu bieten, wurden im Landkreis Meißen die im Rahmen eines Sicherheitsforschungsprojektes des BMBF entwickelten Katastrophenschutz-Leuchttürme (KatLeuchttürme) eingeführt.

KatLeuchttürme als Basis der Krisenkommunikation im Landkreis Meißen
Quelle: Pixabay, Lalmch

KatLeuchttürme als Anlaufstellen

Der Freistaat Sachsen hatte in der Vergangenheit bereits begonnen, die zu erwartenden Auswirkungen eines weitreichenden Stromausfalls auf das Bundesland zu analysieren und Bedarfe von Bürgern, KRITIS und BOS zu untersuchen. In diesem Kontext wurden KatLeuchttürme als wichtiges Krisenmanagement-Werkzeug identifiziert, insbesondere um einer ungewollten, durch „Fake-News“ getriebene und dann unbeherrschbaren Entwicklung der Lage vorzubeugen.

Ein KatLeuchtturm dient als Anlaufpunkt für die Bevölkerung, um während einer Krisensituation in Kontakt mit den Behörden treten zu können. Hierbei können die Geräteeinheiten entweder stationär in Gebäuden, zum Beispiel in Rat- und Gemeindehäusern, oder portabel und situativ errichtet werden. Entscheidend ist, dass die Standorte der Bevölkerung bereits im Vorfeld bekannt gemacht wurden, deutlich gekennzeichnet und vor allem für die Bürgerinnen und Bürger gut erreichbar sind. Ziel der KatLeuchttürme ist die Information der Bevölkerung, aber auch die Aufnahme, Verarbeitung und Weitergabe von Informationen der Bürgerinnen und Bürger an die Gefahrenabwehrorganisationen. Die Kommunen sind jeweils die Betreiber der Geräteeinheiten. Somit obliegt ihnen auch die Aufgabe die Standorte personell und materiell auf die verantwortungsvolle Aufgabe vorzubereiten.

Neben der Informationsweitergabe gehören zu den Funktionen der Leuchttürme ebenfalls die Ermöglichung einer ersten medizinischen Versorgung (ausschließlich Notversorgung sowie Kontakt zu medizinischem Fachpersonal und intakter Infrastruktur wie Krankenhäusern, Praxen und Apotheken herstellen), allgemeine Versorgung der Bevölkerung beispielsweise mit Trinkwasser und Lebensmitteln, Bezugsquelle für Lebensmittel sowie Brenn- und Treibstoffe, Krisenkommunikation zwischen den Leuchttürmen untereinander sowie die Schaffung von Kommunikationswegen zu übergeordneten Behörden. Die Bürgerinnen und Bürger können zudem über die KatLeuchttürme zur Selbsthilfe angeregt werden, ihre Hilfeersuchen/Notrufe dort absetzen und beispielsweise auch Hilfsangebote in Form von Übernachtungsmöglichkeit untereinander koordinieren.

Die Planung der KatLeuchtturm-Standorte ist in besonderem Maße von der kommunikativen Erreichbarkeit und der regionalen Struktur abhängig. Der Bedarf kann aufgrund von gebietsspezifischen Charakteristika wie etwa der Bevölkerungsdichte oder geographischen Besonderheiten divergieren, insbesondere im Vergleich zwischen Ballungsgebieten und eher ländlichen Regionen. Aufgrund dieser variablen Aspekte sind die KatLeuchttürme modular und oft portabel aufgebaut.

In den Jahren 2020/21 hat der Landkreis Meißen als erste Kommune in Deutschland damit begonnen, ein System von KatLeuchttürmen als innovative Basis der Krisenkommunikation einzuführen und damit Ergebnisse der Forschung für die Zivile Sicherheit des BMBF konkret in die Praxis umzusetzen. Hierzu wurde die KomRe AG beauftragt, in einem ersten Schritt 15 wichtige Standorte im Landkreis in das KomRe-Netz einzubinden, um damit den Grundstein für ein völlig neuartiges System der kommunalen Krisenkommunikation zu legen.

Aufbau des Systems der KatLeuchttürme im Landkreis Meißen

Nach der Abstimmung der Standorte der KatLeuchttürme wurde auf Basis eines digitalen Geländemodells eine theoretische Funknetzplanung durchgeführt, die im weiteren Verlauf des Projekts mit Funkmessungen an den geplanten Standorten verifiziert wurde. Dazu wurden ein Leitstand und vier temporäre Relais-Stationen installiert. Die Messergebnisse waren ausgezeichnet.

Aufgrund der Genehmigung der Bundesnetzagentur (BNetzA), die Funkmodems in dem Datenfunksystem für den Katastrophenschutz mit Sendeleistungen zwischen 10 und 25 Watt zu betreiben, können in Abhängigkeit von der Geländetopographie Distanzen zwischen zwei Standorten von 30 bis 40 Kilometer überbrückt werden. Das Funknetz beruht auf mehreren Funkfrequenzen im 2m Band (150 MHz), welche der KomRe AG bundesweit exklusiv von der BNetzA zur Verfügung gestellt wurden. Dadurch ist es der KomRe AG in ganz Deutschland möglich, besonders robuste und ausfallsichere Krisenkommunikationsnetze aufzubauen. Für die Nutzung im Landkreis Meißen stehen jetzt bereits 15 Koffer an den ausgewählten Standorten zur Verfügung. Eine Erweiterung des Systems von KatLeuchttürmen zur Anbindung auch der restlichen Städte und Gemeinden ist noch für 2021 geplant.

Die Materialien sind für den Einsatz an festen Standorten und für den portablen Einsatz ausgerüstet. In einem kompakten Koffer sind alle Komponenten und das Zubehör untergebracht. Neben der Funktechnik und einer LiFePO4-Powerstation (Akku) zum autarken Betrieb ermöglicht eine Mobilantenne zur Montage an Fenstern einen flexiblen Einsatz. Als Endgerät für die Nutzer ist ein Laptop mit spezieller Software integriert. Zur Benachrichtigung und Alarmierung verfügen die Koffer über LED-Streifen und Summer, die auf Alarm- und Nachrichteneingänge hinweisen.

Das System ermöglicht eine gesicherte und ausfallgeschützte Kommunikation zwischen den Teilnehmern. Es können Nachrichten an einzelne oder an Gruppen von Teilnehmern versandt werden. Durch aktive Bestätigung ist sichergestellt, dass die versendeten Nachrichten auch tatsächlich von den einzelnen Städten und Gemeinden gelesen wurden. Hilfeersuchen/Notrufe können an den Krisenstab und von dort ggf. an Rettungsdienste weitergegeben werden. Durch die universelle Ausstattung ist es möglich den Koffer an verschiedenen Orten im Landkreis einzusetzen, z. B. bei Hochwasserlagen. Zusätzlich können die Koffer auch an externe, leistungsfähigere Antennen angeschlossen werden, um die Erreichbarkeit zu optimieren. Durch den modularen Aufbau des Systems sind Erweiterungen jederzeit möglich.

Neben der Kommunikation besteht die Möglichkeit an den Standorten der KatLeuchttürme Bevölkerungsinformationsbildschirme aufzustellen, welche direkt mit den Koffern verbunden werden können. Über die Bildschirme können wichtige Informationen auf unkomplizierte Weise veröffentlicht werden. Durch das System ist es dem Landkreis sowie den einzelnen Gemeindeverwaltungen nun möglich, die Kommunikation untereinander aufrecht zu erhalten und somit die Gefahrenabwehr besser zu organisieren. Damit trägt das System maßgeblich zur Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit bei.

Der Landkreis Meißen hat in Zusammenarbeit mit der KomRe AG erstmalig in Deutschland ein System realisiert, mit dem es möglich ist, in verschiedensten Krisensituationen die Kommunikation sicherzustellen, und hat dadurch einen wichtigen Schritt im Bereich des Krisenmanagements unternommen. Das KatLeuchtturm-System bildet hier auch die Grundlage für ein Forschungsvorhaben im Rahmen der zivilen Sicherheitsforschung. Bei diesem soll in einem vierjährigen Feldtest ein ganzheitliches integriertes Krisenkommunikationssystem des Katastrophenschutzes auf technischer und organisatorischer Ebene im gesamten Landkreis Meißen sowie seine Integration in das Katastrophenschutzsystem des Freistaates Sachsen erprobt werden.


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