Die Jahre 2018 und 2019 waren insbesondere in den Sommermonaten von Extrema der Temperatur und des Niederschlags geprägt - mit sowohl großer Hitze und lang andauernder Trockenheit aber auch dem Auftreten vieler Starkregenereignisse. Die klimatologische Untersuchung des Auftretens von Starkregenereignissen in Deutschland und deren Einordnung in den Zusammenhang zwischen Klimawandel und Extremwetter ist auf zeitlich und räumlich hoch aufgelöste Beobachtungen abgestützt. Die daraus abgeleiteten Aussagen können daher als Weckruf für die verantwortlich Handelnden im Katastrophen- und Bevölkerungsschutz verstanden werden: Starkregen kann jeden in Deutschland treffen.
Klimawandel – was bedeutet das statistisch?
Beim Parameter Temperatur ist der Klimawandeleffekt statistisch verhältnismäßig leicht zu erfassen und zu beschreiben. Klimawandel bedeutet eine grundlegende Änderung der mittleren Verhältnisse eines Klimaparameters, die einhergeht mit einer Änderung der Extremwerte. Dabei kommen zwei unterschiedliche Effekte zum Tragen, wie in Abb.1 illustriert: Zum einen wird die Verteilung der Werte eines Klimaparameters in eine Richtung verschoben, zum Beispiel bei der Temperatur in Richtung höherer Werte.
Damit ändert sich nicht nur die mittlere Temperatur in der Verteilung, sondern es erhöht sich auch die Häufigkeit der Überschreitung von bestimmten Schwellwerten bzw. sogenannten Kenntagen. So steigt aufgrund dieser Verschiebung die Anzahl von heißen Tagen (Tagesmaximum > 30°C) in Deutschland.
Niederschlag, der besondere Parameter auch im Klimawandel
Beim Niederschlag sind die statistischen Verhältnisse ungleich komplizierter. Hier verschiebt sich nicht nur die mittlere Verteilung, sondern auch die Variabilität und damit die Breite der Verteilung. Das führt beim Klimawandel dazu, dass sich beim Niederschlag die mittleren Verhältnisse weitaus weniger ändern als das Verhalten an den extremen Rändern der Verteilung (Berg et al., 2013). Sowohl lange anhaltende Trockenheiten und Dürren, also auch Starkregen werden damit durch den Klimawandel häufiger und intensiver (Becker, 2019).
Starkregen, eine durch den Klimawandel zunehmende Herausforderung
Starkregen wie im Frühsommer 2016 in Braunsbach (>70 Liter pro m2 innerhalb von 1 Stunde) und Simbach (> 110 Liter pro m2 in 24 Stunden) oder die vom 24.-26. Juli 2017 im Harz Umfeld (>235 Liter pro m2 innerhalb von 48 Stunden) aufgetretenen extremen Regenmengen zeigen wie groß auch in Deutschland das Potential der Atmosphäre zur Bildung von Starkregen und ihrer Auswirkung in Form von Sturzfluten und Überschwemmungen ist.
Starkregen sind in der Regel lokal begrenzte Niederschlagsereignisse mit besonders hoher Menge pro Zeiteinheit (Intensität). Sie sind gekennzeichnet durch extrem kurze Vorwarnzeiten, die anlassbezogene Schutzmaßnahmen nur im geringen Ausmaß zulassen. Aufgrund dieser Grenzen der Vorhersagbarkeit kommt bei der Abwehr der Naturgefahr Starkregen auch den vorbeugenden Schutzmaßnahmen (der Prävention) eine essentielle Bedeutung zu.
In Deutschland können derzeit theoretisch an jedem Ort 400 Liter Niederschlag an einem Tag fallen. Im Zuge der globalen Erwärmung wird sich in Deutschland die Starkregengefährdung sowohl durch ein häufigeres Auftreten bekannter Extremniederschläge als auch durch die höhere Intensität jedes dieser Ereignisse verschärfen.
Neue Möglichkeiten durch die DWD Radarklimatologie
Um sich der Untersuchung der Änderung des Starkregens aufgrund des Klimawandels zu nähern, musste erst einmal der Status Quo, also eine umfassende Klimatologie, erstellt werden. Der DWD hat im Jahr 2017 erstmals eine "Radarklimatologie" veröffentlicht (Winterrath et al., 2017) für deren Erstellung alle seit Anfang 2001 gespeicherten Radarrohdaten analysiert wurden.
Fachliche Basis ist das sogenannte RADOLAN Verfahren des DWD für die quantitative hochauflösende deutschlandweite flächendeckende Niederschlagsanalyse, dessen Radar- und Ombrometerdaten vollständig nachprozessiert wurden. Damit wurde erstmals von Winterrath et al. (2018) eine Datenbasis geschaffen, in der alle Starkregenereignisse über Andauerstufen von 1h bis 72h erfasst sind und extremstatistisch ausgewertet werden können. Aufgrund seiner jährlichen Fortschreibung ist dieser Datensatz auch international einzigartig und demonstriert das Potential von Radardaten zur Untersuchung von Starkregen (Lengfeld et al., 2020).
Erster umfassender DWD Starkregenkatalog
Unter Anwendung des "Weather Extremity Index" nach Müller und Kaspar (2014) auf seine im Jahr 2001 beginnende Radarklimatologie konnte der DWD erstmals das Auftreten von Starkregen in Deutschland umfassend (Lengfeld et al., 2019) und ereignisbezogen untersuchen. Dies hat zum ersten umfassenden Katalog aller Starkregenereignisse, dem DWD Starkregenkatalog, geführt.
Daraus lässt sich ableiten: Starkregen kann jeden in Deutschland treffen.
Es gab in den 19 Jahren des Untersuchungszeitraumes so gut wie keinen Quadratkilometer in Deutschland, der im Untersuchungszeitraum nicht mindestens einmal von einem Starkregen betroffen war. Die Gefährdung gegen die besonders intensiven kleinräumigen, zu blitzartig auftretenden Sturzfluten führenden, Starkregen ist beinahe gleichverteilt in Deutschland. Das ist gegenüber traditionellen ausschließlich auf Stationsmessungen beruhenden Analysen ein substantiell neues Ergebnis und ergibt ein neues Lagebild der Starkregengefährdung in Deutschland.
Ein neues Lagebild zur Starkregengefährdung Deutschlands im Klimawandel
Dieses Lagebild sollte in Zukunft die Basis für die Untersuchung der Änderung des Starkregens im Zuge des Klimawandels sein. Die dicht besiedelten Flachlandregionen in Deutschland mit Millionenstädten wie Berlin, Hamburg, Köln oder Metropolregionen wie dem Ruhrgebiet mit ihren hohen Vulnerabilitäten sind durch das neue Lagebild zu "Hot Spots" der Risikolandschaft zu den Naturgefahren Starkregen und Sturzfluten geworden.
Die im Zuge des Klimawandels zu erwartenden extremeren Starkregen können zu einem deutlich vermehrten Auftreten von schadhaften Sturzfluten führen und für Städte und Kommunen entsprechende Anpassungsdrücke generieren. Durch die noch geringe räumliche Genauigkeit der Starkregenwarnungen mit einer ausreichenden Vorwarnzeit wird das Problem des Starkregens vornehmlich zu einem Präventionsproblem.
Dazu zeigt Abbildung 2 im Detail, dass die Saison der Starkregenereignisse im Wesentlichen die Monate Mai bis September umfasst, wobei sich durch den Klimawandel das Auftreten in die Monate April und Oktober ausdehnt, die Starkregensaison also länger wird. Der Zeitraum der DWD Analyse ist aber mit den bisher verfügbaren 19 Jahren (2001-2019) noch zu kurz um außer der hohen Jahr-zu-Jahr Variabilität des Auftretens von Starkregen schon klare Trends zu erkennen. Konzentriert man sich jedoch durch Wegnahme der "Ausreißer-Jahre" 2002, 2006, 2007, 2014 und 2018 auf die relativ starkregenarmen Jahre dieses Zeitraumes so kann man feststellen, dass in diesen Jahren ein positiver Trend zu erkennen ist.
Es ist aktuell noch Gegenstand von DWD Untersuchungen ob dies ein realer Trend ist, oder ob dieses Signal messnetzbedingte Gründe hat. Falls dieser positive Trend klimabedingt ist und sich für die nächsten Jahre nachhaltig bestätigt, könnte von einer sich pro Jahr erhöhenden Anzahl von Starkregenereignissen in Deutschland ausgegangen werden. Eine Information, die auch für die Handelnden im Bevölkerungs- und Katastrophenschutz und den für die dazugehörenden Einsatzorganisationen wie THW oder den Feuerwehren von großer Bedeutung ist, wenn es um das Ausmaß ihrer präventiven Maßnahmen, zum Beispiel der Bevorratung von Ressourcen geht.
Zusammenfassung
Vor dem Hintergrund des Klimawandels und seiner Auswirkungen auf das Extremwetter in Deutschland weisen die Beobachtungen auf ein vermehrtes Auftreten von Extremereignissen bereits in den letzten Dekaden und die Klimamodellsimulationen auf einen weiteren Anstieg in der Zukunft hin.
Dabei sind die Aussagen für die Temperatur mit ihren Auswirkungen auf Hitze, Verdunstung und damit auch auf die für die Land- und Wasserwirtschaft wichtige klimatische Wasserbilanz sehr klar. Auch beim Niederschlag ist es plausibel, im Kontext des Klimawandels von mehr Starkregen und Dürren auszugehen, allerdings ist die Datenlage hier ungleich schlechter.
Erst mit der radar-gestützten Beobachtung kann in hinreichender Auflösung das Auftreten von Starkregen umfassend analysiert werden.
Schadensträchtige Starkregen und Sturzflutereignisse wie in Münster (2014), Simbach und Braunbach (2016), Goslar und Oranienburg (2017), Oststeinbek (2018) oder Langen (2019) sind bereits die ersten Anzeichen für einen bisher unzureichenden Klimaschutz, denn im Bereich der Siedlungsentwässerung sind die präventiven Maßnahmen bisher eng bemessen worden unter der Annahme eines stabilen Klimas.
Eine Anpassung des Katastrophen- und Bevölkerungsschutzes an die Auswirkungen des Klimawandels ist dabei auch unter Berücksichtigung der noch bestehenden Unsicherheiten unerlässlich (Nikogosian und Winterrath, 2019). Das aufgrund des Klimawandels vermehrte Auftreten von Extremwetter ist evident und ein Weckruf an die Gesellschaft.
Klimaanpassung ist gegenüber Klimaschutz die teurere Lösung und unserer Kapazität zur Anpassung sind fiskalische und gesellschaftliche Grenzen gesetzt. Darüber hinaus müssen und werden Schäden in Kauf genommen werden müssen in Abhängigkeit vom Ausmaß des Gelingens eines ambitionierten Klimaschutzes.
Literatur
- Becker, A., 2019: Extremer Niederschlag im Klimawandel – Was wissen wir? WasserWirtschaft 12 | 2019, 10-16.
- Berg, P., Moseley, C. und J.O. Haerter, 2013: Strong increase in convective precipitation in response to higher temperatures. Nature Geoscience 6, 181-185.
- Lengfeld, K., Kirstetter, P.-E., Fowler, H.J., Yu, J., Becker, A. Flamig, Z., und J. Gourley, 2020: Use of radar data for characterizing extreme precipitation at fine scales and short durations, angenommen bei Environmental Research Letters.
- Lengfeld, K., Junghänel, T., Hafer, M., Winterrath, T. and A. Becker, 2019: Characteristic spatial extent of hourly and daily precipitation events in Germany derived from 16 years of radar data, Meteorologische Zeitschrift, 28(5), 363-378, DOI: 10.1127/metz/2019/0964
- Müller, M. und M. Kaspar, M., 2014: Event-adjusted evaluation of weather and climate extremes. In: Natural Hazards and Earth System Sciences, 14 (2), S. 473-483.
- Nikogosian C. und T. Winterrath, 2019: Extrem gut untersucht? Extremwetter als interdisziplinäres Thema in der deutschen Forschungslandschaft. BBK BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 2 | 2019, 12-16
- Winterrath, T., C. Brendel, M. Hafer, T. Junghänel, A. Klameth, E. Walawender, E. Weigl, A. Becker, 2017: Erstellung einer radargestützten Niederschlagsklimatologie. – Berichte des Deutschen Wetterdienstes Nr.251, Deutscher Wetterdienst, Offenbach am Main, 2017.
- Winterrath, T., Brendel, C., Hafer, M., Junghänel, T., Klameth, A., Lengfeld, K., Walawender, E., Weigl, E. and A. Becker, 2018: RADKLIM Version 2017.002: Reprocessed gauge-adjusted radar data, one hour precipitation sums (RW), DOI: 10.5676/DWD/RADKLIM_RW_V2017.002
Deutscher Wetterdienst
Leiter des DWD Geschäftsbereiches Klima und Umwelt und Mitglied des DWD Vorstands
Leiter der DWD Abteilung KU1 (Klima- und Umweltberatung)
Nationaler Fachkoordinator Copernicus Dienste C3S und CAMS
Tobias Fuchs
Leiter Referat für Niederschlagsüberwachung und Weltzentrum für Niederschlagsklimatologie
Dr. Andreas Becker