Im letzten Jahr sind einige für den Rettungsdienst in Deutschland und Europa bedeutende Normen in der Überarbeitung neu erschienen bzw. berichtigt herausgegeben worden. Dieser Artikel beschäftigt sich mit aktuellen und in der nahen Zukunft geplanten Normen für die rettungsdienstliche Anwendung.
Begriffe im Rettungswesen
Die national für Deutschland gültige DIN 13500 „Begriffe im Rettungswesen“ (gültige Fassung DIN 13500:2015-04) wurde nach sechs Jahren auf einen neuen inhaltlichen Stand gebracht. Diese Norm gewährleistet einen einheitlichen Begriffsgebrauch und verhindert Doppelbelegungen bzw. Missverständnisse bei der Verwendung der Begriffe im Rettungsdienst.
Die Norm ist notwendig, um „die gleiche Sprache“ zu sprechen. Dies ist insbesondere dann wichtig, wenn Rettungskräfte entweder bereichsübergreifend tätig werden oder mit anderen BOS-Kräften gemeinsam im Einsatz sind.
Auch bei Ausschreibungen ist es für ausschreibende Stellen möglich, auf genormte Begriffe mit einem bestimmten, vordefinierten Inhalt zurückzugreifen oder darauf zu verweisen. Letztendlich fußen diverse, auch BOS-übergreifende Ausbildungsvorschriften oder Dienstanweisungen auf Begriffen der Norm DIN 13500 und sorgen so für eine sinnvolle Zusammenarbeit in Ausbildung und Einsatz.
Neben Begriffen, die neu definiert wurden, ist eine Reihe von Termini erstmalig in die Norm aufgenommen. Während in der alten Norm zum Beispiel nur die Rettungsleitstellen begrifflich definiert wurden, differenziert die neue Norm nun unterschiedliche Leitstellentypen. Sie greift aber auch neue Begriffe auf.
An der Erstellung dieser Norm wirkten neben Behörden des Bundes, wie das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, und der Länder (z. B. Rheinland-Pfälzisches Ministerium für Inneres) auch Ärzte, wie die Bundesärztekammer, Vertreter von Katastrophenschutzorganisationen (z. B. Deutsches Rotes Kreuz, Malteser Hilfsdienst) auch Bildungseinrichtungen, wie das Institut der Feuerwehren in Nordrhein-Westfalen, mit.
Krankenkraftwagen
In einer 2. Änderung ist die Europäische Norm DIN EN 1789:2007 A2:2014 als Korrekturfassung erschienen. Diese ist die zentrale europäische Norm für Krankenkraftwagen, die in allen EU Mitgliedsstaaten Gültigkeit hat. Die Überarbeitung war auf Grund eines Mandates der Europäischen Kommission erforderlich, da sich die Zulassungskriterien für Kraftfahrzeuge auf Grund der EU Richtlinie 2007/46 EG für Krankenkraftwagen geändert hat.
Damit wurde es notwendig, nicht nur die Anforderungen an die Fahrzeuge und deren medizinische Ausstattungen wie bisher zu regeln, sondern auch die Prüfungen für die einzelnen Normforderungen exakter zu definieren. Mit der Überarbeitung sollen die sog. „technischen Dienste“ (die nach nationalem Recht zugelassenen Prüforganisationen für die Fahrzeugprüfung) in einer für alle europäischen Länder einheitlichen Art und Weise die Zulassungskriterien überprüfen und die Konformität zu den Zulassungsbedingungen sowie zur Norm DIN EN 1789 erklären.
Bei der stattgefundenen Korrektur konnte aus formalen Gründen keine inhaltliche Anpassung an den Stand der Technik erfolgen. Daher hat das für die Herausgabe der Norm zuständige Technische Komitee des Europäischen Normungsinstituts (CEN TC 239) die Arbeitsgruppe 1 (CEN TC 239 WG1) beauftragt, unverzüglich auch die inhaltliche Revision der Norm anzugehen.
Erste Tagungen dieser Arbeitsgruppe zeigen, dass die Komplexität des Normungsvorhabens und die unterschiedlichen nationalen Interessen einer längerfristigen Auseinandersetzung bedürfen. Derzeit steht die Frage im Fokus, ob das zulässige Gesamtgewicht für Typ B Ambulanzen (Notfallkrankenwagen) noch mit 3,5 t zGG vereinbar ist. In diesem Zusammenhang wird auch diskutiert, ob Prüfgewichte für die Durchführung der Prüfungen der Befestigungspunkte von Sitzen und Tragen bei 75 kg je Person bleiben oder ob diese angehoben werden sollen/müssen.
Damit verbunden ist die Frage, welche Ausstattungsgegenstände der Bestandstabellen für das medizinische Equipement verpflichtend als Minimalausstattung mitgeführt werden müssen. In diesem Zusammenhang muss die Arbeitsgruppe die völlig unterschiedlichen Rettungssysteme der Mitgliedsländer im Kopf behalten, wie auch die für die weitere Versorgung vorhandene Infrastruktur beachten.
Während zum Beispiel in Deutschland ein notarztbasiertes Versorgungssystem mit hoher Krankenhausdichte vorherrscht, sind in skandinavischen Ländern mitunter Entfernungen von mehr als 100 km in die nächste Klinik keine Seltenheit. Auch Notärzte sind in diesen Ländern bei medizinischen Notfällen nicht obligat. Hier brauchen die eingesetzten Rettungskräfte andere Ausbildungen und Strategien sowie Ausrüstung als in Deutschland.
Die dort vorherrschenden klimatischen Bedingungen erfordern z. B. auch höherer Leistungsanforderungen an die Klimatechnik oder die Elektrik von Fahrzeugen, um die Verwendung von Gerätschaften für Telemedizin zu ermöglichen.
Mindestanforderungen an die medizinische und technische Ausstattung sollen auch künftig verbindlich in der Norm genannt werden. Ausstattungsgegenstände in den entsprechenden nach Fahrzeugtypen unterteilten Tabellen sind als Mindestausstattung zwingend mitzuführen.
Eine ständige Diskussion ist zudem die Frage, ob es notwendig ist, alle Ausstattungsvarianten von Rettungsfahrzeugen in Kombination mit allen Basisfahrzeugen mittels Crashtest zu testen oder ob sog. Komponententests oder auch Theoretische Annahmen als Nachweis der mechanischen Festigkeit zu akzeptieren sind. Die deutsche Position hierzu ist klar: Die Festigkeitsnachweise müssen im Gesamtsystem erbracht sein, da die Festigkeit, z. B. von Halterungspunkten, Auswirkungen auf die Gesamtstabilität haben, wie Sitze auf Bodengruppen.
Ergonomische Verbesserungen, z. B. durch die Verwendung von unterstützenden Tragestühlen und Tragen sowie den Beladesystemen hierzu, scheinen hingegen kein großer Dissenspunkt zu sein. Diese wenigen, ausgewählten, Diskussionspunkte zeigen, dass es schwierig ist, hier einen Konsens zu finden. Weitere Arbeitsgruppensitzungen sind notwendig, um hier eine gemeinsame Linie im Sinne einer Fortentwicklung der Norm zu finden.
Laborbedingungen vs. Realität
Die Prüfungen werden durchgehend mit einem Dummy mit 75 kg oder einer entsprechenden Ausgleichsmasse durchgeführt. Dabei wird nicht auf die realen, im Einsatz vorherrschenden, Bedingungen abgezielt, sondern eine „Laborbedingung“ geschaffen. Das Ergebnis der Prüfung ist also nicht, dass etwa eine auf der Trage liegende Person ohne Zerreißen der Rückhalteeinrichtung im Falle eines Aufpralles überlebt, sondern dass ein Tragensystem mit Personenrückhaltesystem eine Masse von 75 kg bei einer Verzögerung von 10 g in den drei vorgegebenen Richtungen ohne Versagen der Struktur bestanden hat.
Luftfahrzeuge im Rettungsdienst
Die DIN EN 13718 ist in den Teilen 1 als DIN EN 13718-1:2014 (medizinische Ausstattung und deren Kompatibilität) und Teil 2 (operationelle und technische Anforderungen an Luftfahrzeuge zum Patiententransport) als DIN EN 13718-2:2015-05 neu erschienen und löst die Fassung von 2008 ab. Neben der Anpassung an europäische Änderungen im Luftverkehrsrecht war auch die Fortschreibung des Standes der Technik Auslöser für die nötigen Überarbeitungen.
Damit wurden auch Wünsche zur „Erhöhung der Sicherheit in Bezug auf die Risiken im Zusammenhang mit Rotoren an Helikoptern“ aufgenommen. Neben diesen Anpassungen stand die von einigen CEN Delegationen gewünschte Aufweichung und Reduzierung der Innenmaße des Patientenraumes zur Debatte. Letztendlich konnte sich jedoch die Meinung durchsetzen, die Mindestmaße der Vor-Version beizubehalten; eine Meinung die auch die Deutsche Delegation mit Nachdruck vertreten hat.
Krankentragen
Auf Grund ständiger Änderungen in den Anforderungen der Nutzer ist die europäische Normenreihe DIN EN 1865 für Tragen und Tragensysteme in einem Teil ständig in Überarbeitung. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass die diversen Tragesysteme, die in den unterschiedlichen Teilen beschrieben sind, von der Industrie und auf Anwenderwunsch hin einer ständigen Fortentwicklung unterliegen. Aktuell finden erneute Diskussionen im Bereich der kraftunterstützten Tragensysteme statt.
Hier liegt der Fokus auf Abdeckung der am Markt verfügbaren Systeme durch die Norm und die Anpassung der Gewichte an die Realität.
Rettungswachen
Im Jahr 2014 begann das Normungsvorhaben Rettungswachen.
Häufig stehen betriebliche Notwendigkeiten auf Grund diverser Vorschriften und dem Wunsch, Rettungswachen so kostengünstig als möglich auszugestalten, diametral gegenüber.
Die nun vorgelegte Norm DIN 13049 soll die Anforderungen aufzeigen, ohne jedoch in die Gestaltung der Räumlichkeiten und so wenig als möglich in die technische Umsetzung der Vorgaben einzugreifen. Die Norm ist aktuell im Entwurfsstadium, es liegen über 250 Änderungsvorschläge (sog. Einsprüche) vor, die nun nach fachlicher Bewertung im DIN-Ausschuss mit den Einsprechern zu diskutieren sind. Das letzte Wort zur Verabschiedung der Rettungswachen-Norm hat Anfang des Jahres 2017 der Normenausschuss.
Alle hier angesprochenen Normen können beim Beuth Verlag erworben werden. Entwurfsfassungen für Normen werden über einen begrenzten Zeitraum auf der Homepage des Verlages kostenfrei zur Verfügung gestellt.
Crisis Prevention 1/2016
Frank Drescher
Malteser Hilfsdienst
Regionalgeschäftsstelle Bayern/Thüringen
Delpstr. 15, 97084 Würzburg
E-Mail: Frank.Drescher@malteser.org