Robotik optimiert Rettungseinsätze

Das Deutsche Rettungsrobotik Zentrum arbeitet im Living Lab an den Themen von morgen – Offizielle Einweihung am 1. Oktober

Wolfgang Duveneck, Kathrin Conredel

DRZ

Virtuelle Veranstaltungen sind spätestens seit Ausbruch der Corona-Pandemie gang und gäbe. Auch das Living Lab, das Herzstück des Deutschen Rettungsrobotik-Zentrums in Dortmund (DRZ), wurde im vergangenen Jahr online seiner Bestimmung übergeben. Jetzt kann das Ereignis in Präsenz nachgeholt werden. Am 1. Oktober wird die Einrichtung in Anwesenheit von hochrangigen geladenen Gästen im Rahmen der „Rettungsrobotik-Tage“ eingeweiht. Fünf Tage lang werden in Demonstrationen, Wettbewerben und Vorträgen Roboter erprobt, Erfahrungen und Ideen ausgetauscht und somit Forschungsergebnisse näher an die Praxis gebracht. Doch unabhängig von der offiziellen Eröffnung: Die Arbeit im DRZ läuft längst auf Hochtouren – in Theorie und Praxis.

Das Team setzte im Unwetter- und Katastrophengebiet Robotik in für Menschen...
Das Team setzte im Unwetter- und Katastrophengebiet Robotik in für Menschen unzugänglichen Bereichen ein.
Quelle: Nicola Rupp

Als Ende Juli Tausende von Einsatzkräften mit Spezialfahrzeugen und -ausrüstung in die rheinland-pfälzischen und nordrhein-westfälischen Hochwasser-Katastrophengebiete gerufen wurden, wurde auch das DRZ zur Unterstützung angefordert.

Der erst im vergangenen Jahr in Dienst gestellte Robotik-Leitwagen (RobLW) wurde ins Unglücksgebiet nach Erftstadt geschickt. Dort galt es, Aufklärungsflüge mit Drohnen entlang der Abbruchkante zu unternehmen, Überblickskarten anzufertigen und Häuser, Keller, Autos und andere Objekte zu inspizieren. Anhand der Drohnenbilder wurden im Fahrzeug 3D-Modelle und Reliefkarten des zerstörten Gebietes erstellt, um eventuelle Veränderungen zu entdecken. Diese Informationen wurden auch der örtlichen Einsatzleitung zur Verfügung gestellt und im Zuge eines Lagevortrages erörtert.

Die DRZ-„Task Force“ unter Federführung der Feuerwehr Dortmund arbeitete nach den Worten von Geschäftsführer Robert Grafe überwiegend an Stellen, in denen noch Menschen vermisst wurden. Wegen Einsturzgefahr jedoch waren die Bereiche noch unzugänglich. 

„Während wir für den Überblick größere Drohnen verwendet haben, nutzten wir für die Detailerkundung eher kleine Drohnen”, so Grafe.

Zum Einsatzteam gehörte auch Professor Dr.-Ing. Hartmut Surmann von der Westfälischen Hochschule. Zur Arbeit der RobLW-Mitarbeiter sagte er:

 „Neben der Erstellung einzelner Fotos und Videos ist das Team in der Lage, Daten und Informationen aus den vielen Bildern mit Hilfe komplexer Algorithmen zu herauszufiltern und diese zu einem Gesamtbild zu verdichten.”

Der Einsatz im Hochwassergebiet ist nicht das einzige praktische Beispiel der vergangenen Monate: So wurde die Feuerwehr Dortmund frühmorgens zur Bundesstraße 236 zu einem schweren Verkehrsunfall gerufen. Der RobLW konnte schnell dazu beitragen, einen Überblick über die Situation zu gewinnen. Die eingesetzte Drohne wurde genutzt, eine angeblich vermisste Person zu suchen.

Ein weiterer Einsatz wurde zu einem guten Beispiel, wie robotische Systeme in schwer zugänglichen Umgebungen helfen können, exakte Lagebilder zu erstellen und Einsatzkräfte zu schützen. Dabei ging es um ein Amtshilfeersuchen des Landeskriminalamts (LKA), um mit spezieller Drohnentechnik eine nach einem Brand einsturzgefährdete Industriehalle zu untersuchen. Das DRZ stellte für den Einsatz in Zusammenarbeit mit der Dortmunder Feuerwehr und der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen Personal sowie Drohnen- und Bildtechnik zur Verfügung, um den Außen- und Innenbereich der Industriehalle digital darzustellen. Hierzu wurde auch der Robotik-Leitwagen vor Ort eingesetzt, mit dessen verbauter Technik die Lagebilder der Drohnen in Echtzeit angezeigt wurden, um entsprechende 3D-Aufnahmen erstellen zu können. Die generierten 3D-Darstellungen zeigten erstmals ein umfassendes Bild aus dem Inneren der Halle. Die Aufnahmen wurden den Kriminalbeamten anschließend für die weiteren Brandermittlungen zur Verfügung gestellt.

Vor knapp drei Jahren wurde das Verbundprojekt zum Aufbau des Deutschen Rettungsrobotik Zentrums (A-DRZ) in Dortmund mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gestartet. Ziel ist die Entwicklung innovativer Technologien zur Optimierung von Rettungseinsätzen. Anwender, Wissenschaftler und Unternehmen in engem Austausch unter einem Dach – das ist seitdem das Prinzip des Forschungsprojekts, in dem sich 13 namhafte Partner zusammengeschlossen haben. Koordiniert wird das Projekt vom Institut für Feuerwehr- und Rettungstechnologie (IFR) der Feuerwehr Dortmund. Zudem steht die Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes (vfdb) mit ihren mehr als 3.000 Mitgliedern als großes Expertennetzwerk für alle Themen rund um Schutz, Rettung und Sicherheit zur Verfügung. Als Trägerorganisation wurde der gemeinnützige Verein Deutsches Rettungsrobotik-Zentrum e.V. (DRZ e.V.) gegründet.

Das Projekt vereint anwenderorientierte Praxis und visionäre Entwicklung: das Zusammenspiel von Einsatzkräften, Forschung und Unternehmen. Damit kann sichergestellt werden, dass die Anforderungen der zivilen Gefahrenabwehr auch in den Forschungsarbeiten eine prominente Rolle einnehmen. Reine Theorielösungen, die nur unter Laborbedingungen funktionieren, wird es nicht geben. Stattdessen werden die mobilen Robotersysteme für die zivile Gefahrenabwehr in dem „Living Lab“ erforscht, entwickelt und getestet.

„Das ist hier ein Forschungs-, Übungs- und Einsatzlabor“, erläutert DRZ-Geschäftsführer Robert Grafe. „Ab einem gewissen Punkt müssen auch Forschungsobjekte wie unsere in Feldversuche und letztlich – als Produkt – in den Einsatzdienst überführt werden.“ Als Besonderheit hebt Grafe hervor, dass das Team aus Forschern, Technikern und Feuerwehrleuten über die Feldversuche zusammenwächst. „Das schafft ein Gemeinschaftsgefühl, hohe Motivation und ist vor allem enorm fruchtbar. Jeder lernt von jedem“, so Grafe.

Bei Rettungs- und Katastropheneinsätzen laufen im Robotik-Leitwagen Daten zu...
Bei Rettungs- und Katastropheneinsätzen laufen im Robotik-Leitwagen Daten zu einem Gesamtbild der Lage zusammen.
Quelle: DRZ

Das gesamte Gelände im Dortmunder Stadtteil Bodelschwingh bietet neben seinen Möglichkeiten zur Erprobung der Praxistauglichkeit der entwickelten Systeme unter realitätsnahen Bedingungen auch Gelegenheit, künftige Robotik-Wettbewerbe stattfinden zu lassen. So finden kurz vor der feierlichen Eröffnung des Living Lab vom 27. bis 30. September die „RoboCup Rescue German Open 2021“ statt. Teams von renommierten Universitäten und Forschungseinrichtungen aus Deutschland, Österreich und Kanada werden dabei in unterschiedlichen Disziplinen gegeneinander antreten. Zu einem Highlight verspricht auch das Internationale Symposium für Rettungsrobotik im Anschluss an die Eröffnungsveranstaltung zu werden. Für die Präsenz-Teilnahme steht wegen der Corona-Bestimmungen nur eine begrenzte Platzzahl zur Verfügung. Die Veranstaltung wird auch im Live-Stream im Internet übertragen. Dafür ist lediglich eine Anmeldung erforderlich. Näheres unter https://rettungsrobotik.de/symposium/ 

„Ziel aller Forschungs- und Entwicklungsarbeit ist es, Robotersysteme zu schaffen, die künftig zunehmend dazu beitragen können, Einsätze für gefährdete Menschen ebenso wie für Einsatzkräfte noch sicherer bewältigen zu können“, sagt Dirk Aschenbrenner. Der Leiter der Feuerwehr Dortmund ist Vorstandsvorsitzender des gemeinnützigen Vereins DRZ e.V..

Die Förderungsphase für das DRZ ist vom BMBF im Rahmen der Förderbekanntmachung „Zivile Sicherheit – Innovationslabore/Kompetenzzentren für Robotersysteme in menschenfeindlichen Umgebungen“ (Förderkennzeichen 13N14852 bis 13N14863) zunächst mit knapp zwölf Millionen Euro auf vier Jahre angelegt. Langfristiges Ziel ist es, auch über die Anfangsphase hinaus ein wissenschaftlich orientiertes Kompetenzzentrum zu etablieren, das mit seinen Partnern innovative Entwicklungen vorantreibt. Damit soll immer leistungsfähigere Robotik-Technologie für Rettungskräfte am Markt verfügbar werden.

 „Wir möchten Impulsgeber für die Produktentwicklung sein, notwendige Standards setzen und die Verbreitung von Robotern in Schutz und Rettung vorantreiben", betont Dirk Aschenbrenner

Schon jetzt weist Geschäftsführer Robert Grafe darauf hin, dass das DRZ im kommenden Jahr auf der INTERSCHUTZ 2022 in Hannover einem breiten Publikum einen Eindruck seiner Arbeit geben wird. Und noch etwas ist den Verantwortlichen wichtig:

 „Roboter werden auch künftig nicht die Feuerwehrfrau oder den Feuerwehrmann ersetzen. Die ‚digitalen Kollegen‘ sind nichts anderes als technische Helfer, um die Gefahren für Einsatzkräfte zu reduzieren und die Leistungsfähigkeit der Retter zu steigern. Aber im entscheidenden Fall können sie lebensrettend sein", betonen Aschenbrenner und Grafe.

Das Konsortium des A-DRZ-Projekts ist überzeugt, dass es mit dem Konzept gelingen wird, robotische Systeme nachhaltig in den Dienst der BOS zu bringen. Als wesentliche Voraussetzung für diesen Innovationsprozess sehen sie den langfristigen Betrieb des Kompetenzzentrums und des tragenden Netzwerks.


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