Der Klimawandel ist die zentrale Herausforderung für die Wasserwirtschaft heute und in Zukunft. Wasserverfügbarkeit für alle und jeden Zweck ist keine Selbstverständlichkeit mehr. Möglichkeiten zur Anpassung existieren, sie müssen genutzt werden! Notwendig ist eine Anpassung an klimatisch-hydrologische Extreme unter Berücksichtigung zahlreicher konkurrierender Wassernutzungsinteressen.
Hitze, Trockenheit und Dürre der vergangenen Jahre haben vor Augen geführt, dass die Folgen des Klimawandels auch Deutschland betreffen. Wasserverfügbarkeit für alle und jeden Zweck ist keine Selbstverständlichkeit mehr. Um auch im Jahr 2050 und darüber hinaus einen nachhaltigen Umgang mit unseren Wasserressourcen zu sichern ist konsequentes und strategisches Handeln erforderlich.
Das bedeutet auch vorsorgendes und sektorübergreifendes Planen und Tun um weiterhin Zugang zu qualitativ hochwertigem Trinkwasser zu gewährleisten. Unabdingbar ist dabei ein verantwortungsvoller Umgang mit Grund- und Oberflächengewässern von allen Nutzern, um den natürlichen Wasserhaushalt und die ökologische Entwicklung unserer Gewässer und davon abhängiger Ökosysteme sowie den Umgang mit Extremereignissen in Stadt und Land zu verbessern.
In der Klimawirkungs- und Risikoanalyse 2021 (KWRA) für Deutschland wurden über 100 Wirkungen des Klimawandels im Hinblick auf die Höhe des Klimarisikos für die Gegenwart, die Mitte und das Ende des Jahrhunderts untersucht und bewertet. Bei rund 30 davon wurde sehr dringender Handlungsbedarf festgestellt. Dazu gehören Hitzebelastungen, besonders in Städten, Wassermangel im Boden und häufigere Niedrigwasser in Flüssen, Bächen und Seen, mit schwerwiegenden Folgen für alle Ökosysteme, die Land- und Forstwirtschaft sowie den Warentransport. Genannt werden auch ökonomische Schäden durch Starkregen, Sturzfluten und Hochwasser an Bauwerken und der durch den graduellen Temperaturanstieg verursachte Artenwandel, einschließlich der Ausbreitung von Krankheitsüberträgern und Schädlingen.
Wasserressourcen und ihre Nutzung
Die erneuerbaren Wasserressourcen im langjährigen Mittel der Jahre 1991 bis 2020 umfassen in Deutschland 176 Milliarden Kubikmeter (Mrd. m³). In einzelnen Jahren können sie aber deutlich darunterliegen, zum Beispiel mit 116 Mrd. m³ in den Jahren 2018 und 2020.
Im Jahr 2019 wurden mit rund 20 Milliarden Kubikmetern 11,4 % des langjährigen potentiellen Wasserdargebots von 176 Mrd. m³ entnommen. Die verbleibende Wassermenge steht der Natur zur Verfügung, befindet sich in den Seen und Flüssen oder ist im Grundwasser gespeichert. Allerdings nutzen wir in Deutschland darüber hinaus indirekt Wasser, das bei der Herstellung von landwirtschaftlichen und industriellen Gütern – oft im Ausland – verwendet worden ist: Deutschlands „Wasserfußabdruck“.
Die Wasserentnahmen der Energieversorgung, des Bergbaus und des verarbeitenden Gewerbes, der öffentlichen Wasserversorgung und der Landwirtschaft gehören zu den wichtigsten Wassernutzungen in Deutschland. Die Entnahmen der Energieversorgung, des Bergbaus und des verarbeitenden Gewerbes sind rückläufig. Auch die Wasserentnahmen der öffentlichen Wasserversorgung sind seit dem Jahr 1991 rückläufig oder stagnierten in einzelnen Jahren, nehmen aber seit 2016 wieder zu. Die Wasserentnahmen durch die Landwirtschaft befinden sich auf einem niedrigen, aber steigendem Niveau.
Um die Auswirkungen der Wasserentnahmen auf die Gewässer beurteilen zu können, wird die Wassernachfrage dem Wasserdargebot gegenübergestellt. Übersteigen die Entnahmen 20 % des verfügbaren Wasserdargebotes, ist dies ein Zeichen von Wasserstress. Der Wassernutzungs-Index von Deutschland liegt seit dem Jahr 2007 unter dieser kritischen Marke.
Mehr als 70 Prozent unseres Trinkwassers werden aus Grund- und Quellwasser gewonnen. Auch der Grundwasserstand unterliegt, je nach geologischen Verhältnissen, Nutzungsintensität und klimatischer Situation, Schwankungen. Während der beiden Hitzerekordjahre 2018 und 2019 ist der Grundwasserstand in vielen Regionen Deutschlands deutlich gesunken. Der Druck auf die Ressource Grundwasser wird in Zukunft weiter steigen, insbesondere wenn die landwirtschaftliche Bewässerung zunimmt.
Das Grundwasser ist in manchen Regionen stark durch Nitrat und Pflanzenschutzmittel belastet.
In Deutschland verfehlen 32,7 % der Grundwasserkörper den „guten chemischen Zustand“ entsprechend der Anforderungen der EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL), vor allem wegen zu hoher Nitratkonzentrationen, die überwiegend aus der Landwirtschaft stammen. Durch die Zunahme der Luft- und Bodentemperatur aufgrund des Klimawandels, erhöht sich langfristig auch die Temperatur des Grundwassers, was sich zusätzlich negativ auf seine Qualität auswirkt.
Kein einziges Oberflächengewässer in Deutschland erreicht den guten chemischen Zustand, weil flächendeckend Schadstoffe wie Quecksilber oder polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe die Grenzwerte überschreiten. Und diese Stoffe stellen nur einen Teil der chemischen Gewässerbelastungen dar. Der ökologische Zustand wird lediglich für 9,2 Prozent der deutschen Oberflächengewässer mit „gut“ oder „sehr gut“ bewertet.
Mikroverunreinigungen, also Rückstände von Arzneimitteln, Bioziden, Pflanzenschutzmitteln und anderen Chemikalien, werden nicht zuletzt dank verfeinerter Analyseverfahren zunehmend in unseren Gewässern nachgewiesen. Sie können schon in geringen Konzentrationen nachteilige Wirkungen auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit haben.
Bei ausbleibenden Niederschlägen und Niedrigwasser in Flüssen und Seen dominieren dort deutschlandweit die Anteile an sogenanntem Klarwasser, also von behandeltem Kommunalabwasser. Durchschnittlich liegen diese in unseren Flüssen zwischen 10 und 20 Prozent, über weite Strecken an Elbe, Saale, Weser und dem Mittelrhein auch bei 20 bis 30 Prozent. Deutlich höher sind die Klarwasseranteile in einigen Flussabschnitten des Mains, der Ems, der Weser und der Havel (30 % - 50 %) und in Teileinzugsgebieten des Neckars, der Ostsee, des Nieder- und Mittelrheins sogar über 50 Prozent. Im Zuge des Klimawandels werden die Klarwasseranteile in den Oberflächengewässern zunehmen und somit qualitativ sowohl für den ökologischen und chemischen Zustand des Gewässers als auch für die Trinkwasserversorgung eine noch größere Rolle spielen.
Zunehmend konkurrierende Nutzungen
Betroffen von einer veränderten Wasserverfügbarkeit sind vielfältige Nutzungen und Schutzgüter. Dies betrifft die Trinkwasserver- und die Abwasserentsorgung, die Energiewirtschaft mit Kühlwasser und Wasserkraft, Land- und Forstwirtschaft, Fischerei, Industrie & Gewerbe, Schifffahrt, Ökosysteme, Katastrophenschutz und Gefahrenabwehr, Tourismus sowie Stadt- und Regionalplanung.
Eine Nutzungskonkurrenz liegt dann vor, wenn mindestens eine Nutzung einen unerfüllten Bedarf hat und dieser unerfüllte Bedarf auf eine andere oder mehrere andere Nutzungen im gleichen Bewirtschaftungsgebiet zurückzuführen ist. Dabei gehen wir von einem weiten Nutzungsbegriff aus, der auch die Bedarfe der Ökosysteme mitumfasst. Außerdem muss man unterscheiden, ob es um eine Konkurrenz um Oberflächenwasser oder Grundwasser geht. Landwirtschaftliche Bewässerungsbedarfe werden voraussichtlich mit den Bedarfen der Trinkwasserversorgung und den Bedarfen der Ökosysteme, die ebenfalls hauptsächlich auf Grundwasserressourcen angewiesen sind, wie Feuchtgebiete, Moore und Wälder, konkurrieren. Der Anteil der bewässerten landwirtschaftlichen Fläche beträgt derzeit weniger als drei Prozent der Gesamtanbaufläche, mit steigender Tendenz. Durch den Klimawandel bedingt steigen die Temperaturen und Trockenperioden werden häufiger. In der Folge wird der Bewässerungsbedarf in Zukunft spürbar steigen. Die überwiegende Menge an Bewässerungswasser wird derzeit dem Grundwasser entnommen. In Verbindung mit einem gesteigerten Bedarf an Bewässerungswasser ist eine zunehmende Konkurrenz um die Ressource Grundwasser wahrscheinlich. Neben den klimatischen Bedingungen sind Entwicklungen der landwirtschaftlichen Produktion, unter anderem in Bezug auf Anbaufrüchte und Bewirtschaftung, und die technische Umsetzung von Bewässerungsanlagen ausschlaggebend dafür, wieviel Bewässerungswasser benötigt wird.
Wie lassen sich abzeichnende Nutzungskonkurrenzen ausbalancieren?
Die einschlägigen Gewässerschutzrichtlinien der EU (Wasserrahmenrichtlinie, Umweltqualitätsnormen (UQN)-Richtlinie, Grundwasserrichtlinie, Meeresschutz-Rahmenrichtlinie, Hochwasserrisikomanagement-Richtlinie, Nitrat-Richtlinie), die u.a. durch das Wasserhaushaltsgesetz, die Oberflächengewässerverordnung und die Grundwasserverordnung in deutsches Recht überführt wurden, geben schon heute einen Rahmen mit anspruchsvollen Zielen vor, die noch nicht erreicht sind. Die Nationale Wasserstrategie des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) unterstreicht, dass das Ambitionsniveau der WRRL in Anbetracht der noch vorhandenen Defizite der Gewässerqualität, der steigenden Beanspruchung durch vielfältige Nutzungen und der Herausforderungen des Klimawandels aufrechtzuerhalten ist. Zudem gewährleisten die Bewertungsprinzipien der Richtlinien, dass alle Belastungen beachtet werden, ohne dabei die Nutzungen in der seit Jahrzehnten entwickelten Kulturlandschaft zu vernachlässigen. Sie bilden die Basis für ein integratives Gewässermanagement.
Konkrete neue Steuerungsanforderungen für Qualität und Menge ergeben sich aus der EU-Water-Reuse-Verordnung und aus der novellierten EU-Trinkwasserrichtlinie, die auch Risikobewertungs- und Risikomanagementvorgaben für Einzugsgebiete von Wassergewinnungsanlagen vorsieht.
Darüber hinaus benennt die Nationale Wasserstrategie des BMUV die Handlungsfelder, in denen Nachsteuerungsbedarf besteht und schlägt dazu ein Aktionsprogramm mit diversen Maßnahmen vor, die in den nächsten Jahren eingeleitet werden sollten. Das BMUV schlägt darin einheitliche Entscheidungskriterien vor, entwickelt Standards und fördert Forschung und Best-Practice-Beispiele.
Die 10 strategischen Themen (Stand 08.06.2021) sind:
- Bewusstsein für die Ressource Wasser stärken
- Wasserinfrastrukturen weiterentwickeln
- Wasser-, Energie- und Stoffkreisläufe verbinden
- Risiken durch Stoffeinträge begrenzen
- Den naturnahen Wasserhaushalt wiederherstellen und managen – Zielkonflikten vorbeugen
- Gewässerverträgliche und klimaangepasste Flächennutzung im urbanen und ländlichen Raum realisieren
- Nachhaltige Gewässerbewirtschaftung weiterentwickeln
- Meeresgebiete (Nord- und Ostsee) intensiver vor stofflichen Einträgen vom Land schützen
- Leistungsfähige Verwaltungen stärken, Datenflüsse verbessern, Ordnungsrahmen optimieren und Finanzierung sichern
- Gemeinsam die globalen Wasserressourcen nachhaltig schützen.
Die Strategie hat enge Bezüge zu laufenden Umweltschutzstrategien der EU-Kommission (European Green Deal), insbesondere der Zero-Pollution Ambition.
Fazit
Die Verantwortung für den sorgsamen Umgang mit Wasser ist vielfältig verteilt. Dem trägt der vorsorgende und sektorübergreifende Ansatz der nationalen Wasserstrategie Rechnung. Die notwendigen Veränderungen müssen auf verschiedenen Ebenen (EU, Bund, Länder und Kommunen) angestoßen und umgesetzt werden. Die Notwendigkeit sektorübergreifender Maßnahmen ist beim Thema Wasser und Nutzungskonkurrenzen offensichtlich, da die Zuständigkeitsbereiche vieler Akteure in Umwelt, Landwirtschaft, Wirtschaft, Verkehr, Forschung, Planung, u.a. betroffen sind. Es wird jetzt darauf ankommen, die Betroffenen schnell zu einem gemeinsamen Handeln zur Sicherung der lebenswichtigen Ressource Wasser zu bewegen.
Crisis Prevention 4/22
Bernd Kirschbaum
Experte für Grundwasserschutz im Fachgebiet „Übergreifende Angelegenheiten Wasser und Boden“
Umweltbundesamt
E-Mail: Bernd.Kirschbaum@uba.de
Corinna Baumgarten
Expertin für Auswirkungen des Klimawandels auf den Wasserhaushalt und Anpassungsmaßnahmen im Fachgebiet
„Übergreifende Angelegenheiten Wasser und Boden“
Umweltbundesamt
Dr. Jörg Rechenberg
Leiter des Fachgebietes „Übergreifende Angelegenheiten Wasser und Boden“
Umweltbundesamt