VOST: Digitale Einsatzunterstützung in Deutschland

Das erste Symposium aller deutschen VOST und ihr Einsatz in der CoVid-Pandemie

Ramian Fathi • David Hugenbusch

VOST THW

Die großen Einsatzlagen der jüngeren Vergangenheit – wie etwa der Hochwassereinsatz an der Elbe 2013, die Flüchtlingslage 2015 oder die aktuelle CoVid-19 Lage – haben gezeigt: Es gibt keine Krise und keine Katastrophe, welche nicht ausführlich in den Sozialen Medien thematisiert wird. 

Die Sozialen Medien bilden die Plattform, um sich über Ereignisse mit Familie und Freunden – aber in zunehmendem Maße auch mit Regierungsorganen und Hilfsorganisationen – auszutauschen und Informationen zu verbreiten. In Notfallsituationen wird der Impuls für Augenzeugen immer größer, vor Ort erstellte Fotos und Videos unmittelbar online zu teilen. Gab es früher bei Einsätzen häufig zu wenige Informationen, existiert heute eine schwer zu überschauende Bandbreite digitaler Informationskanäle, in denen Wissen ausgetauscht wird.

Entwicklung und Aufgaben der VOST

Die Herausforderung einer gewinnbringenden Verwendung dieser Informationsquellen im Bevölkerungsschutz besteht sowohl darin die Menge der öffentlich verfügbaren Daten, als auch die Vielfalt der Kommunikationskanäle zu filtern und die gewonnenen Daten aufzubereiten. Die Idee des Virtual Operations Support Teams setzt genau an dieser Stelle an: Um im Einsatz lagerelevante Informationen zu erfassen, analysieren die digitalen Helfer*innen die soziale Medien und anderen Datenquellen. Die Informationen aus diesen Quellen werden in Form von Lageberichten und Lagekarten zusammengefasst.

2017 hat das THW damit begonnen die sozialen Medien gezielt für den Einsatz auszuwerten. Das erste VOST Deutschlands wurde gegründet. Es setzt sich aus ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern des THW zusammen. Im Einsatzfall analysieren bis zu 25 digitale Helfer*innen die großen Datenmengen. Das THW VOST wird bei Großschadenslagen und Katastrophen zur Unterstützung der eigenen Lagekoordination eingesetzt. Außerdem wurde das THW VOST bereits von Feuerwehr und Polizei sowie den Krisen- und Einsatzstäben von Ländern, Kreisen und Kommunen angefordert.

Im Einsatz identifizieren, verifizieren und visualisieren die Helfer*innnen des VOST sowohl Textbeiträge, als auch Bilder und Videos aus allen relevanten Online-Plattformen. Durch verschiedene Analysemethoden und Werkzeuge können relevante von weniger relevanten Informationen getrennt und dargestellt werden. Das Team erstellte je nach Bedarf Übersichten, Grafiken oder Karten.

Vielfach gab es bereits vor 2017 in unterschiedlichen Bevölkerungsschutz-Organisationen VOST-ähnliche Strukturen. Nach 2017 wurde die Idee der digitalen Lageerkundung aber mehr und mehr im Bevölkerungsschutz aufgegriffen und neben dem THW VOST formierten sich weitere regionale VOST-Einheiten auf Ebene der Bundesländer und Landkreise. Das Innenministerium Baden-Württemberg richtete das VOSTbw ein, aber auch in Rheinland-Pfalz gibt es mit VOSTrlp vergleichbare Bestrebungen. Das VOSThh wurde von der Feuerwehr Hamburg und das VOSTmh von der Feuerwehr Mühlheim an der Ruhr gegründet. Außerdem bildete sich ein Team Medien im Landkreis Bad Kreuznach, das in seiner Struktur den anderen VOST sehr ähnlich ist. Da die VOST aber auf unterschiedlichsten Verwaltungsebenen und bei unterschiedlichen Organisationen beheimatet sind, hat jedes VOST ein individuelles Mandat und eigene Aufgaben.

Der Lehrstuhl für Bevölkerungsschutz, Katastrophenhilfe und Objektsicherheit der Bergischen Universität Wuppertal begleitet den Entwicklungsprozess dieser Teams seit 2016 sowohl operativ als auch wissenschaftlich im Rahmen eines DFG-Forschungsprojektes im Schwerpunktprogramm #VGIscience.

Die Vielfalt an neuen VOST war der Anlass für die Uni Wuppertal sowie das THW ein Treffen mit allen neuen Teams zu organisieren. Kurz vor der pandemischen Ausbreitung des SARS-CoV-2 Virus fand das erste Treffen dieser Art vom 07.02. – 08.02.2020 an der Bergischen Universität Wuppertal statt. In den darauffolgenden Monaten kam den VOST-Einheiten während der Corona-Pandemie eine besondere Rolle zu. Aber was genau machen diese digitalen Einsatzunterstützungseinheiten?

Abteilungsleiter Volker Strotmann erklärt Arbeitsweisen
Abteilungsleiter Volker Strotmann
Quelle: VOST THW

VOST Führungskräfte Symposium

Das VOST-Symposium für Führungskräfte an der Uni Wuppertal war das erste Treffen dieser Art. Forscher*innen und Einsatzkräfte aus ganz Deutschland tauschten sich dabei auf Einladung des THW und des Lehrstuhls für Bevölkerungsschutz, Katastrophenhilfe und Objektsicherheit zum Thema VOST aus. Ziel war es einander besser kennenzulernen, sich über Arbeitsweisen und Einsatzerfahrungen auszutauschen und Möglichkeiten der zukünftigen Zusammenarbeit auszuloten. Neben des bundesweit-agierenden VOST des THW und den regionalen VOSTbw, VOSThh, VOSTmh sowie dem Team Medien im Landkreis Bad Kreuznach nahmen noch weitere im Aufbau befindliche Teams an dem Symposium teil.

Der erste Veranstaltungstag wurde durch Univ.-Prof. Dr.-Ing. Frank Fiedrich, Leiter des Lehrstuhls für Bevölkerungsschutz, Katastrophenhilfe und Objektsicherheit und Volker Strotmann, Abteilungsleiter Einsatz beim THW, eröffnet.

Im Anschluss war das Programm davon geprägt, dass neben einer umfassenden Vorstellungsrunde der unterschiedlichen Arbeitsweisen und organisatorischen Anbindungen auch vielfältige Ansätze für gemeinsame Aus- und Fortbildungen diskutiert wurden. Darüber hinaus erarbeiteten die Expert*innen aus den unterschiedlichen Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben technische und organisatorische Voraussetzungen für eine zukünftige Zusammenarbeit – sowohl im Einsatz, als auch unabhängig von Einsatzlagen.

Am zweiten Veranstaltungstag stellten Referent*innen aus unterschiedlichen Bereichen VOST-spezifische Inhalte vor. Volker Tondorf (VOST THW) vermittelte eine globale Perspektive auf das Thema VOST. Er erörterte die weltweite Struktur und Organisation der VOST aus aktuell mehr als 15 Ländern. Die europäische Dachorganisation VOST Europe unterstützt nicht nur beim Aufbau von neuen Teams, wichtige Informationen und Kernbotschaften werden durch das internationale Netzwerk der VOST übersetzt und verbreitet. Die Leiter*innen der nationalen VOST stehen dabei in engem Austausch – auch im Kampf gegen sogenannte Fake News (Falschmeldungen). 

Dr. Dennis Thom (ScatterBlogs GmbH) stellt in seinem Vortrag das Social Media Analysewerkzeug ScatterBlogs vor und ging auf besondere Eigenschaften des Tools ein. Das Tool hilft dabei, Posts zu identifizieren, diese zu bewerten und räumlich darzustellen. Danielle Schippers (Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe) referierte über Social Media in Krisenmanagement-Übungen. Schippers stellte insbesondere dar, wieso das Trainieren des Umgangs mit Social Media Informationen hilfreich für die allgemeine Lagedarstellung sein kann und wie strategische Entscheidungen dadurch erleichtert werden können. 

Durch das VOST Führungskräfte-Symposium konnte eine Plattform geschaffen werden, durch die ein fachlicher Austausch ermöglicht wird. Die Bedeutung eines regelmäßigen Austauschs über Methoden und Herausforderungen der Analyse sozialer Medien zeigte sich nur wenige Wochen später bei der pandemischen Ausbreitung des SARS-CoV-2 Virus.

VOST Führungskräfte-Symposiums in Wuppertal
Teilnehmer*innen des VOST Führungskräfte-Symposiums in Wuppertal
Quelle: VOST THW

Digitale Einsatzunterstützung während der Corona-Pandemie

Nicht nur in Deutschland, weltweit stellt die aktuelle Corona-Lage eine historische Einsatzlage dar. Die Pandemie wird von einer sogenannten Infodemie begleitet – also die massenhafte und grenzüberschreitende Verbreitung von Falschinformationen. Durch den sogenannten Lockdown und der damit einhergehenden räumlichen Distanzierung stellen digitale Kommunikationsangebote, wie die sozialen Medien, ein probates Mittel dar, um sich trotz alledem über das neuartige Virus und die Folgen informieren zu können und Informationen zu teilen. Drei Viertel der Deutschen sind während der Pandemie unabhängig von der Altersgrenze vermehrt bei Twitter, Instagram und den anderen Plattformanbietern online.[1] 

Die Verwendung von privaten Messenger-Diensten, wie z. B. Telegram, hat durch die Pandemie um 82 % zugenommen. Umso wichtiger ist es, dass die Menschen nicht durch Falschmeldungen verunsichert werden. Aktuell genießt allen voran der Messenger-Dienst Telegram bei Verschwörer*innen und anderen Verbreiter*innen von Falschinformationen große Beliebtheit. Unzählige Falschinformationen werden dort tausendfach geteilt und reproduziert. Dabei können die Auswirkungen von Falschinformationen neben einer Verunsicherung mitunter das menschliche Handeln auch unmittelbar und nachhaltig beeinflussen: Zum Beispiel kursiert die weitverbreitete Falschinformationen, dass der Konsum von hochkonzentriertem Alkohol den Körper desinfiziere und das Virus abtöten könne. In der Folge dieser Falschinformationen verstarben mittlerweile etwa 800 Menschen, 60 Personen erblindeten nach dem Konsum von Methanol.[2]

Um die Fülle an öffentlich verfügbaren Informationen bearbeiten zu können, hatte sich das VOST während des Corona-Einsatzes in mehrere Aufgabenbiete gegliedert und koordinierte sich virtuell. Das VOST THW erfüllte in der Lagebewältigung der Corona-Pandemie eine besondere Aufgabe. Die 25 digital Freiwilligen des THW unterstützten den Einsatzstab der THW-Leitung, in dem sie öffentlich zugängliche Daten aus den sozialen Medien analysierten und zusammenfassten, damit diese in Lagebeurteilungen einfließen konnten.

Ein weiterer Teil der VOST-Arbeit bestand darin, einsatzrelevante Falschinformationen und Gerüchte zu identifizieren, und wenn möglich, zu lokalisieren. Mit anderen Informationen konnten so räumliche Zusammenhänge auf dem Bundesgebiet erkannt werden. Die Arbeitsergebnisse wurden durch ein interaktives Dashboard online dargestellt und den Krisenstäben von Bund- und Ländern für die Lagebewältigung zur Verfügung gestellt.

Corona-Einsatzbesprechung VOST THW
VOST THW im Corona-Einsatz
Quelle: VOST THW

Zusammenfassung und Ausblick

Kommunikation und Zusammenarbeit bilden den Kern einer jeden erfolgreichen Einsatzabwicklung. Die unterschiedlichen Bevölkerungsschutz-Organisationen können nur dann ihr Mandat erfüllen, wenn die jeweiligen Aufgaben abgesteckt sind, diese koordiniert werden und sinnvoll ineinander greifen. Dies gilt sowohl für die operative Tätigkeit an der Einsatzstelle als auch die dezentrale digitale Einsatzunterstützung. Einsatzerfahrungen und bewährte Methoden müssen ausgetauscht sowie kontinuierlich verfeinert und an aktuelle Rahmenbedingungen angepasst werden. Hierfür hat das VOST Symposium den Grundstein gelegt. Es wurde Wissen vermittelt, Kontakte geknüpft und eine intensivere Zusammenarbeit vereinbart.

Eine erste Bewährungsprobe für alle VOST schloss sich sogleich mit der Corona-Pandemie an. Während sich die Bevölkerungsschutz-Organisationen mit der Gefahr einer eigenen Betroffenheit konfrontiert sahen und erst damit beginnen Schritte in Richtung einer dezentralen Lagekoordination zu unternehmen, ist dies in den VOST bereits gelebte Praxis.

Auch hat die Corona-Pandemie die Bedeutung der digitalen Lageerkundung verdeutlicht. Durch die VOST wurden Falschmeldungen identifiziert und sie machten auf potentielle Gefahrenlagen frühzeitig aufmerksam. Dies ermöglichte es den zuständigen Stellen geeignete Maßnahmen zu treffen. Außerdem halfen sie dabei Reaktionen auf behördliche Maßnahmen zu erfassen und ein Meinungsbild der betroffenen Bevölkerung aus den sozialen Medien zu generieren.

VOST sind noch immer eine Randerscheinung im Bevölkerungsschutz und sie werden ihr Potential für die Lagekoordination noch etliche Male unter Beweis stellen müssen. Aber der Bevölkerungsschutz lebt von diesen innovativen Ideen. Es ist zu erwarten, dass die Digitalisierung im Bevölkerungsschutz anhalten wird und eine digitale Lageerkundung – nicht zuletzt auch bei einer eigenen Betroffenheit der Bevölkerungsschutz-Organisationen – eine wertvolle Unterstützung für die Lagekoordinierung auf allen Ebenen ist.

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