LÜKEX – Länderübergreifende Krisenmanagementübung/Exercise

Ein Überblick

Alexandra Geckeler

TCRH

LÜKEX“ ist ein seit 2004 regelmäßig durchgeführtes ebenen- und bereichsübergreifendes Übungskonzept. Ziel der Übungen ist eine Überprüfung der bestehenden Krisen- und Alarmpläne und das Aufzeigen von Verbesserungsmöglichkeiten, um Bund und Länder besser auf normale, aber auch außergewöhnliche Krisen- und Bedrohungslagen vorzubereiten. Im nachfolgenden Beitrag soll die Entwicklung der ­LÜKEX und der Aufbau vorgestellt und einen Ausblick auf das im November 2018 stattfindende Übungsszenario gegeben werden.


Wozu benötigt man länderübergreifende Krisenmanagementübungen?

Als Folge der Terroranschläge vom 11. September 2001 und dem Elbehochwasser im Jahr 2002 beschlossen die Innenminister von Bund und Länder 2002 eine „Neue Strategie des Bundes und der Länder zum Schutz der Bevölkerung in Deutschland“. Die gemeinsame Verantwortung für die Bewältigung solcher „außergewöhnlichen Gefahren- und Schadenslagen“ wurde festgestellt und die LÜKEX-Übungen initiiert, die seitdem in einem zweijährigen Rhythmus mit wechselnden aktuellen Themen stattfinden.

Seit 2009 ist die LÜKEX im § 14 des Zivil- und Katastrophenhilfegesetzt (ZSKG) gesetzlich festgeschrieben.

Nach dem 3-K-Prinzip („in Krisen Köpfe kennen“) beüben die verschiedenen Ministerien und Bundesbehörden gemeinsam mit den Ländern und Hilfsorganisationen verschiedene Katastrophen- und Unglücksszenarien und lernen sich gegenseitig in ihren Strukturen und Verfahren der Krisenbewältigung kennen und können so wertvolle Erfahrungen austauschen. Durch die wissenschaftliche Begleitung können weitere Erkenntnisse gewonnen und zukünftige Handlungsempfehlungen auf einer fundierten Basis erstellt werden.

Wer entwickelt diese Szenarien?

Das Bundesministerium des Inneren (BMI) hat für die LÜKEX-­Übungen die übergeordnete Federführung inne. Zur Planung, Vorbereitung, Durchführung und Auswertung werden im Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) ressortübergreifende Projektgruppen eingerichtet und mit Fach­experten aus den verschiedenen Bereichen ergänzt.

Die Grundlage ist ein fachlicher Abstimmungsprozess zwischen Bund, Ländern und weiteren Kooperationspartnern aus Wirtschaft und Wissenschaft.

Ein erfolgreiches und nachhaltiges Krisenmanagement gelingt nur, wenn staatliche und nicht-staatliche Akteure zusammenarbeiten und Netzwerke bilden, daher werden auch Unternehmen der sog. Kritischen Infrastrukturen (KRITIS) und Vertreter aus dem Wissenschaftsbereich eingebunden. Je nach Szenario-Schwerpunkt werden so die mehreren Tausend Beteiligte für die anstehende Übung ausgewählt.

Ein Übungszyklus dauert i.d. R. zwei Jahre und gliedert sich in vier Phasen: Planung, Vorbereitung, Durchführung und Auswertung. In der Planungsphase werden das übergreifende Thema für die Übung festgelegt, intensivübende Länder vorgeschlagen sowie ein grobes Szenario einschließlich erster Rahmenbedingungen festgelegt. Das Herzstück ist die aufwendige und arbeitsintensive Vorbereitungsphase, die bis zu zwölf Monaten dauern kann. Hier werden in vielen gemeinsamen Treffen das Szenario und die Grundlagen der Übung weiterentwickelt und bei Bedarf wissenschaftliche Gutachten zu Fachfragen eingeholt. In dieser Phase entsteht auch das Drehbuch für die Steuerung der Übung. Der Höhepunkt ist die sich anschließende Übungsdurchführung, in der während zwei Tagen, meist im November, bis zu 3000 Personen aktiv eingebunden sind und die vorliegenden Krisen- und Alarmpläne bei einem konkreten, fiktiven Einsatzgeschehen einem Stresstest unterziehen.

Einen besonderen Stellenwert hat hier das Schlüsselelement des strategischen Krisenmanagements – die Krisenkommunikation.

Hierfür wird während den Übungen ein möglichst realistisches Medienbild simuliert, angefangen von TV-Sendungen, Presse- und Hörfunkberichten über den Social Media Bereich bis hin zu Anfragen von Journalisten und dem Verhalten der Bevölkerung in solchen Situationen. In der folgenden Auswertungsphase werden die gewonnen Erkenntnisse und die sich daraus ableitenden Handlungsempfehlungen zusammengefasst und zur weiteren Optimierung von Strukturen und Verfahren des strategischen Krisenmanagements genutzt. Teilweise fließen diese – je nach Themenschwerpunkt – in die wiederbeginnenden Planungen für die nächste LÜKEX-Übung mit ein.

LÜKEX – Länderübergreifende  Krisenmanagementübung/Exercise
Quelle: TCRH

Wer darf „mitspielen“?

Die entwickelten Übungsszenarien sind so angelegt, dass mehrere Länder oder die Bundesrepublik in ihrer Gesamtheit betroffen sind und Staat, Gesellschaft und Wirtschaft in eine sich zuspitzende Krisensituation geraten und somit der Krisenstab der Bundesregierung und die Krisen- bzw. Verwaltungsstäbe der beteiligten Länder im Mittelpunkt dieser Übungen stehen.

Da unter realen Bedingungen mit den in Echtzeit handelnden Personen „gespielt“ wird, können vorhandene Pläne und Verfahrensbeschreibungen kritisch geprüft und Verbesserungspoten­­zial identifiziert werden.

Inzwischen hat jedes Bundesland mindestens einmal an einer LÜKEX-Übung als „intensiv übend“ teilgenommen. Je nach Übungsthema sind unterschiedliche Bundesländer schwerpunktmäßig betroffen, auch wenn die konstruierte Lage so gestaltet ist, dass eine Krise nationalen Ausmaßes entstehen würde. Länder, die sich direkt beteiligen, werden „intensiv übende“ Länder genannt, sind besonders eng in den LÜKEX-Prozess der Szenario-Entwicklung (Planungs- und Vorbereitungsphase) mit eingebunden und gestalten ihre gewünschten Übungsziele und -schwerpunkte mit. Das an den Übungstagen eingesetzte Krisenstabspersonal kennt das erarbeitet Szenario bis zum Beginn der Übung natürlich nicht. Als „Übende“ können Bundesländer und andere Akteure teilnehmen, ohne ihre kompletten Krisenmanagementstrukturen auffahren zu müssen. Auch wenn sie von den Übungsszenarien betroffen sind, können sie für die Bewältigung sogenannte Rahmenleitungsgruppen (RLG)- anstelle von realen Krisenstäben –bilden, die die übenden Behörden, Organisationen, Unternehmen oder Personen darstellen, die sich nicht an der Übung beteiligen, deren Mitwirkung für den realitätsnahen Verlauf aber unverzichtbar ist.

Nach dem 3-K-Prinzip wird das Zusammenspielgeübt
In Krisen Köpfe kennen – das Zusammenspiel muss geübt werden.
Quelle: TCRH

LÜKEX-Historie – was gab es schon alles?

Seit 2004 finden in der Regel alle zwei Jahre LÜKEX-Übungen mit wechselnden Krisenszenarien statt – nachfolgende die Themen und Kurzbeschreibungen der vergangenen Übungen:

  • LÜKEX 04 – Winterliche Extremwetterlage mit großflächigem Stromausfall

Das Übungsszenario war eine winterliche Extremwetterlage mit einem rund zweiwöchigen Stromausfall in großen Teilen des Landes. Zeitgleich ereigneten sich in Berlin und Schleswig-Holstein fiktive Terroranschläge; in Schleswig-Holstein wurde zudem ein Anschlag auf ein Fährschiff angedroht, welches sich auf hoher See befand.

  • LÜKEX 05 – Terroristische Anschläge im Zusammengang mit der Fußball-WM 2006

Um Erkenntnisse für die 2006 in Deutschland durchgeführte Fußball-Weltmeisterschaft gewinnen und in das Sicherheitskonzept umsetzen zu können, würde die Übung ein Jahr früher als sonst durchgeführt und orientierte sich an internationalen Großveranstaltungen. Im Drehbuch wurden Terroranschläge auf öffentliche Verkehrseinrichtungen, witterungsbedingte Katastrophen sowie technische Havarien angenommen.

  • LÜKEX 07 – Weltweite Influenza-Pandemie

Die bis dato umfangreichste Übung hatte eine Influenza-Pandemie als Übungsannahme zu Grunde, die mit einer angenommenen Erkrankungsrate von 33 Prozent der Bevölkerung, ca. 400 000 Krankenhauseinweisungen bundesweit und ca. 100 000 Todesfällen schwerwiegende gesamtgesellschaftliche und gesamtstaatliche Auswirkungen hat. Weiterhin bestand in Deutschland eine anhaltende durch terroristische Bedrohung gekennzeichnete Gefahrenlage.

  • LÜKEX 09/10 – Terroristische Bedrohung mit konventionellen Sprengstoffen, chemischen und radioaktiven Tatmitteln („schmutzige Bombe“)

Die Übungsszenarien beinhalteten mehrere fiktive Unfälle, Anschlagsdrohungen und Sprengstoffanschläge, in denen alle 16 Bundesländer beteiligt waren und die zum Ziel hatten, verschiedene Krisen und außergewöhnlichen Gefahren- und Schadenslagen bei Tag und Nacht zu bewältigen.

  • LÜKEX 11 – Bedrohung der Sicherheit der Informationstechnik durch massive Cyber-Attacken

Hier ging es um zielgerichtete Angriffe auf IT-Systeme, deren Schwachstellen ausgenutzt wurden. Dabei kommt es zu erheblichen Beeinträchtigungen im Bereich der Kritischen Infrastrukturen und Versorgungsengpässen im gesellschaftlichen Umfeld (z. B. in den Bereichen Verkehr, Finanzwesen/Banken, Kommunikation sowie öffentlichen Verwaltungen), deren Ausfall dramatische Folgen für Staat, Gesellschaft und Wirtschaft hätten.

  • LÜKEX 13 – Biologisches Krisenszenario außergewöhnlicher Art

Hinter der Überschrift verbargen sich zwei Herausforderungen: sowohl der Umgang mit einer absichtlichen Lebensmittelvergiftung als auch die absichtliche Ausbringung eines biologischen Erregers auf einer Großveranstaltung. Beides führte in seiner Gesamtheit zu einer rätselhaften Krankheitswelle in Deutschland.

  • LÜKEX 15 – Sturmflut an der deutschen Nordseeküste

Die ursprüngliche Planung sah ein fiktives Sturmflutszenario an der Deutschen Bucht vor, wo es u. a. um den Umgang mit der Evakuierung größerer Menschenmengen und Fragen zur Warnung der Bevölkerung, dem Ressourcenmanagement und dem Umgang mit der eingeschränkten Verfügbarkeit von Information- und Kommunikationstechnologie sowie der Energieversorgung gegangen wäre.

Aufgrund der damals aktuellen Flüchtlingssituation Ende 2015 wurde die Übung nach einer gemeinsamen Entscheidung von Bund und Ländern abgesagt.

Ausblick 2018 – Um was geht es diesmal?

Im November 2018 wird sich die achte LÜKEX mit dem Thema „Gasmangellage in Süddeutschland“ beschäftigten. In der offiziellen Beschreibung, herausgegeben vom BBK, wird das Szenario wie folgt beschrieben:

„Im Szenario wird eine besonders kalte Winterperiode angenommen. Durch eine polare Kaltfront sinken die Temperaturen auf bis zu -25 °C. Aufgrund dieser langanhaltend extremen Wetterbedingungen sinken die Füllstände der Gasspeicher im Szenario. In der fiktiven komplexen Lage kommen viele technische, wirtschaftliche und wetterbedingte Faktoren hinzu, die zusammen zu einem Gasengpass führen. 

In der Übung werden davon beispielsweise durch Reduzierung oder Abschaltung der Gaszufuhr Industriekunden betroffen sein, vereinzelt auch Heiz- und Stromkraftwerke, ebenso Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und die Lebensmittelindustrie. Infolgedessen wird in der fiktiven Übungslage auch die Bevölkerung betroffen sein, so kann es durch die niedrigen Temperaturen vermehrt zu Krankheitsfällen kommen. Erst Ende des Winters wird im Szenario eine Entspannung der Lage durch steigende Temperaturen und Flüssiggaslieferungen angenommen.“


Weiterführende Links: www.bbk.de bzw. www.luekex.de

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