Einsatzkräfte im Alltag

Feuerwehr und CBRN-Schutz

Heinz Neumann

Heinz Neumann

Vielen Menschen in Deutschland ist nicht bewusst, dass die Feuerwehr der erste Ansprechpartner ist, wenn bei Unfällen gefährliche Substanzen im Spiel sind. Die Polizei mag zwar oft als erster am Unfallort sein. Aber sobald festgestellt wird, dass unbekannte Chemikalien austreten, dass Gas, Reizstoffe o. ä. Menschen beeinträchtigen oder gar radioaktives Material vermutet wird, bleibt Polizisten nichts anderes übrig, als weiträumig abzusperren und sich selbst nicht in Gefahr zu bringen. Sie haben weder die Ausbildung noch die Ausrüstung, um hier einzugreifen. Die Kompetenz dafür liegt allein bei den Feuerwehren.

Spezialisiert auf diese Szenarios hat sich bei der Berufsfeuerwehr Mönchengladbach Heinrich Roemgens, der uns einen faszinierenden Einblick gewährte in ein Gebiet, das den allermeisten Bürgern und auch dem Großteil der Einsatzkräfte in unserem Land verschlossen bleibt. Roemgens zählt in Mönchengladbach zum Feuerwehr-Urgestein, bestand als junger Mann mit 19 Jahren den Einstellungstest und ist seitdem mit Leib und Seele bei der Berufsfeuerwehr. Heute gehört er zur Führungsebene und ist zuständig für Einsatzplanung und Vorbereitung. 

Wie läuft eigentlich die Behandlung von CBRN-Fällen einschließlich der Vorbereitung im Feuerwehralltag ab?

Basis für jegliches Handeln in solchen Fällen sind die einschlägigen Dienstvorschriften, insbesondere die Dienstvorschrift 500. Dort werden im Prinzip alle Einsätze mit Gefahrgut beschrieben incl. der angezeigten Vorgehensweisen. Dazu kommen die vfdb-Richtlinien als anerkannte Regeln der Technik aus dem Referat 10, die z. B. über Dekontamination und Messverfahren informieren. 

Die normale Führungsstruktur im Einsatzfall sieht zwei sogenannte C-Dienste (Zugführer) vor, die in der Regel mit dem Löschzug bzw. dem Hilfeleistungszug zuerst an der Einsatzstelle eintreffen und dann die erste Gefahrenabwehr durchführen. Danach bildet der B-Dienst (Verbandsführer) Abschnitte wie Menschenrettung, Schadensbekämpfung, Brandbekämpfung oder Gefahrgutbekämpfung, und die Kräfte werden aufgeteilt und eingesetzt.

Auf dem Abrollbehälter für Gefahrgut wird die erforderliche Ausrüstung zur...
Auf dem Abrollbehälter für Gefahrgut wird die erforderliche Ausrüstung zur Bekämpfung von Unfällen mit gefährlichen Stoffen mitgeführt.
Quelle: Heinz Neumann

In Mönchengladbach laufen Einsätze typischerweise folgendermaßen ab: Das Stadtgebiet ist in Ausrückebereiche aufgeteilt, zuständig sind insgesamt drei Feuer- und Rettungswachen, die jeweils eine Grundeinheit vorhalten. Diese Grundeinheit rückt im Alarmfall aus, von der nächsten Wache rückt dann gegebenenfalls eine Verstärkungseinheit zusätzlich aus. Die komplette CBRN-Ausrüstung ist auf der Feuer- und Rettungswache II stationiert. Wenn CBRN-Ausrüstung notwendig wird, fährt von der Feuer- und Rettungswache II ein Abrollbehälter Gefahrgut (AB-G) los, um die Einsatzkräfte vor Ort mit Spezialgerät für Gefahrguteinsätze zu versorgen.

 Ob es sich um einen CBRN-Einsatz handelt, entscheidet der Leitstellendisponent, der den Notruf beispielsweise bei einem Unfall auf der Autobahn entgegennimmt. Der Disponent führt eine strukturierte Notrufabfrage durch: Laufen Substanzen aus? Gibt es eine Gefahrgutkennzeichnung?

Wenn entsprechende Informationen vorliegen, wählt er ein Stichwort aus. Anhand der Alarm- und Ausrückeordnung werden dann die vorgesehenen Schritte eingeleitet, und die notwendigen Spezialkräfte rücken aus. Der jeweilige Einsatzleiter würde in einem solchen Fall entscheiden, ob die eigenen Kräfte ausreichen oder ob er nach dem ABC-Landeskonzept Nordrhein-Westfalens zusätzliche überregionale Einsatzkräfte anfordert wie z. B. Dekon-Einheiten aus der Gebietsnachbarschaft. Im Prinzip muss aber zunächst einmal jeder Feuerwehrmann vor Ort in der Lage sein, die Gefahrenlage richtig einzuschätzen und zu handeln. Das bedingt permanentes Training auch für den CBRN-Fall. 

Schon in der Ausbildung ist deshalb ein ABC 1 Lehrgang „ABC-Einsatz“ Pflicht für jeden Angehörigen der Berufsfeuerwehr. Führungskräfte absolvieren zusätzlich den Lehrgang ABC 2 „Führung im ABC-Einsatz“. Darüber hinaus werden in diesem Bereich noch Speziallehrgänge für Messeinsätze oder Dekon-Seminare und weitere Spezialthemen angeboten. In Mönchengladbach ist jeder Diensthabende auf den Feuer- und Rettungswachen so ausgebildet, dass er zur Gefahrenabwehr eingesetzt werden kann und eine Dekontamination der Stufe 2 – d. h. grobe Dekontamination der Einsatzkleidung – durchzuführen. 

AB-G aus der Innenansicht.
Blick ins Innere des AB-G.
Quelle: Heinz Neumann

Auch Messeinsätze kleineren Umfangs können von allen Einsatzkräften selbstständig abgewickelt werden. Die notwendigen Messgeräte werden von jeder Grundeinheit mitgeführt. Sollten Einsatzlagen dieses zu bewältigende Niveau überschreiten, würde ein Abschnitt Messen gebildet und ein dafür vorgehaltenes Messfahrzeuge eingesetzt. 

Das Landeskonzept NRW sieht ein zweistufiges Messzug-Konzept vor. Auf der ersten Ebene müssen alle notwendigen Kräfte und Mittel für durchschnittliche Anforderungen vor Ort vorgehalten werden. Heinrich Roemgens als Koordinator der Fachgruppe Messen kann über ein Messfahrzeug und drei Messeinheiten – Mannschafts­transportfahrzeuge mit einer Mess-Zusatzausstattung inkl. Schutzkleidung – verfügen. Je nach Schwere der Lage sieht die zweite Ebene überregionale Unterstützung vor, wenn alle vorhandenen Kräfte eingebunden und ausgelastet

sind. Im Regierungsbezirk Düsseldorf beispielsweise gibt es drei Messzüge, die angefordert werden können. Dann würden Messfahrzeuge aus verschiedenen Gebietskörperschaften unter einer Messleitung zusammengezogen. Ereignisse dieses Ausmaßes kommen glücklicherweise nicht allzu häufig vor. Das letzte Mal erforderte der Brand einer Flüssigdüngerfabrik in Krefeld 2014 den überregionalen Einsatz von Messzügen mit Beteiligung der Feuerwehr Mönchengladbach.

In den Messkisten befindet sich alles Notwendige, um erste Schritte... Messeinrichtungen an Bord des BBK-Messfahrzeuges. Das Messfahrzeug ist jederzeit einsatzbereit und wird vom BBK zur Verfügung... Messkisten werden stets in ausreichender Zahl vorgehalten.

Kleinere Vorfälle im innerstädtischen Bereich dagegen sind relativ häufig. Erst kürzlich z. B. gab es hier wieder eine Lage unter dem Stichwort für auslaufende Gefahrstoffe, das so die adäquate Einsatzmittelkette vorgibt. Zwei Arbeiter eines Chemieunternehmens führten Reinigungsarbeiten ohne ausreichende Schutzkleidung durch. Dabei kam es zu Verätzungen durch auslaufende Lauge.

Zu Zwischenfällen mit der Beteiligung radiologischer oder nuklearer Stoffe kommt es extrem selten.

Heinrich Roemgens hat das selbst noch nicht erlebt, hält seine Abteilung aber für gut gerüstet. Ein Vorteil bei Unfällen mit radioaktiven Substanzen ist für die Feuerwehr, dass austretende Stoffe sehr gut messtechnisch erfasst werden können und die Taktik beim Eingreifen dadurch klar strukturiert ist. Das gleiche gilt im Prinzip auch für Einsätze unter Beteiligung chemischer Gefahrgüter, wenn es gelingt zu ermitteln, um welche Stoffe es sich handelt. Die Chancen dafür stehen meist gut. 

Die meisten Unwägbarkeiten gehen von biologischen Gefahrstoffen aus. Bioschnelltests existieren nicht, die Einsatzkräfte tappen oft im Dunklen. Wenn hochinfektiöse Stoffe angenommen werden müssen, ist das Tragen von sogenannten Gebläsefilteranzügen unbedingt erforderlich. Das Mittel der Wahl ist hier in der Regel der Angriff mit effizienten Desinfektionsmitteln sowohl der kontaminierten Bereiche als auch der Ausrüstung der Einsatzkräfte.

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