Einsatzfahrzeuge im Rettungsdienst – von den ­Anfängen bis zur Entwicklung spezialisierter Fahrzeuge

Peter Alsbach

ASB Münsterland

Eine alte Volksweisheit besagt: „Aller Anfang ist schwer.“. Diese kann aber auch auf den Beginn dessen übertragen werden, was wir heute als Rettungsdienst bezeichnen. Schaut man zurück zu diesem Anfang, befindet man sich im 18. Jahrhundert, genauer gesagt am Ende des 18. Jahrhunderts. Zwar gab es auch zuvor im zivilen Bereich eine Versorgung von Verletzten, die durch private oder kirchliche Initiativen stattgefunden hat, jedoch war ein Transport von eben diesen Verletzten zu Ärzten oder Krankenhäusern nicht üblich.

Der organisierte Transport von Verletzten in eine behandelnde Einrichtung fand erstmalig zum Ende des 18. Jahrhunderts statt und wurde von Feuerwehren und freiwilligen Rettungsdiensten übernommen, sowie im Weiteren durch nationale Gesellschaften wie den Arbeiter-Samariter-Bund. In diesem legten sechs Berliner Zimmerleute mit dem von ihnen organisierten "Lehrkursus über die Erste Hilfe bei Unglücksfällen" für die Hilfe zur Selbsthilfe den Grundstein für den heutigen Arbeiter-Samariter-Bund. Arbeiter sollten fortan eigenständig Verunglückte in Werkstätten und Betrieben versorgen können. Das Deutsche Rote Kreuz, das sich durch die Genfer Konventionen zur wichtigsten, weltweit anerkannten Hilfsorganisation in Kriegszeiten entwickelt hat, der Malteser Hilfsdienst und die Johanniter Unfallhilfe, die sich in den 50er Jahren gegründet haben, ergänzten das o. g. Transportangebot.

Diesen zwar bereits organisierten Rettungsdienst kann und darf man nicht mit dem heutigen Rettungsdienst vergleichen, denn das Paradigma der damaligen Versorgung kann durch die heute übliche Ausdrucksweise „catch and carry“ beschrieben werden. Eine präklinische Versorgung des Patienten mit dem Ziel, eine Transportstabilität herzustellen, gab es nicht.

Erst Ende der 50er Jahre des letztens Jahrhunderts, kam es mit der Erprobung unterschiedlicher Notarztsysteme in Heidelberg und Köln zu einem Paradigmenwechsel innerhalb der präklinischen Versorgung. Dieser Paradigmenwechsel basierte unter anderem auf einer Erkenntnis, die ein Heidelberger Arzt auf den Punkt brachte: „Nicht der Patient muss so schnell wie möglich zum Arzt, sondern der Arzt zum Patienten, da die Lebensgefahr in unmittelbarer Nähe zum Notfallereignis am größten ist.“ Das Modell in Heidelberg war gekennzeichnet durch das „Klinomobil“, ein rollender OP-Saal mit Siebenköpfiger Besatzung. Die Stadt Köln verfolgte ein Konzept, welches ein Rettungsfahrzeug besetzt mit zwei Sanitätern und einem Arzt vorgesehen hat. Dieses System eines fest auf einem Fahrzeug stationierten Arztes (NAW System) findet sich auch heute noch in einigen Regionen Deutschlands.

Mitte der 60er Jahre des letztens Jahrhunderts wurde durch den Heidelberger Chirurgen Eberhard Gögler, seine Idee eines Einsatzwagens, welcher den Notarzt in einem kleinen wendigen Fahrzeug getrennt vom Rettungswagen zum Patienten bringt, zum Grundstein der Notarzteinsatzfahrzeuge und des heute praktizierten „Rendezvous-Systems“.

Neue Norm als Grundlage heutiger ­Rettungsmittel

In den letzten gut 60 Jahren seit Entwicklung des „Rendezvous-Systems“ haben sich Rettungswagen und Notarzteinsatzfahrzeuge stetig weiterentwickelt. Mit der DIN EN 1789 bekamen die Fahrzeuge Ende der 90er Jahre das „Gesicht“, welches wir heute kennen. Die DIN EN 1789 unterteilt Rettungsmittel in vier verschiedene Kategorien:

Einsatzfahrzeuge im Rettungsdienst – von den ­Anfängen bis zur Entwicklung...

Das Notarzteinsatzfahrzeug (NEF) hingegen ist nicht in der europäischen Norm zu finden. Normiert ist dieses Fahrzeug nach der DIN 75079. Gerade bei den Notarzteinsatzfahrzeugen haben sich in den letzten Jahren regional unterschiedlich einige Besonderheiten herausgebildet. Ein Trend dieser Zeit ist die Nutzung eines Kleinbusses oder Transporters als Fahrzeuggrundlage um das Einsatzfahrzeug mittels Funkarbeitsplatz und taktischer Ausrüstung gleichzeitig auch als Einsatzleitwagen Rettungsdienst im Falle eines Massenanfalls von Verletzten betreiben zu können. Je nach regionalem Konzept bzw. rettungsdienstlicher Infrastruktur, bietet diese Variante eines Führungsmittels viele Vorteile.

Intensivtransportfahrzeuge als Sonderform des Rettungswagens

Historisch lässt sich das Aufkommen von Intensiv- oder Interhospitaltransfers nicht so eindeutig abgrenzen wie der kurze Abriss zu Beginn dieses Artikels über die Entstehung unseres heute bekannten Systems der präklinischen Versorgung.

Der Arbeiter-Samariter-Bund begann bereits 1987 als erste Hilfsorganisation mit dem Interhospitaltransfer von Intensivpatienten. Dass der Transport von intensivpflichtigen Patienten besondere Anforderungen mit sich bringt, wird bereits in der DIN 13050 erläutert. Dort wird ein Interhospitaltransfer definiert als: „Sekundäreinsatz zur Beförderung eines intensivüberwachungs- und behandlungspflichtigen Patienten, bei dem Notarzt und Rettungs­assistent/ Notfallsanitäter mit besonderer intensivmedizinischer Qualifikation sowie ein geeignetes Rettungsdienstfahrzeug (Intensivtransportmittel) erforderlich sind. Intensivtransporte stellen somit im Bereich der arztbegleiteten Sekundärtransporte eine spezielle Untergruppe dar, die zur Transportdurchführung aus medizinischen Gründen eine erweiterte medizinische Ausstattung sowie eine entsprechende Personalqualifikation erfordern“.

Eigens für den Intensivtransport eingesetzte Intensivtransportwagen (ITW) verfügen meist über ein größeres Platzangebot als ein regulärer Rettungswagen sowie über eine zusätzliche Ausstattung mit intensivmedizinischen Geräten. Da die Basisausstattung die eines NAW ist, ist es ferner möglich einen ITW im Rahmen von Einsatzspitzen bei Primäreinsätzen zu nutzen, jedoch sind je nach lokalem Konzept gewisse Vorlaufzeiten einzuplanen.

Auch der Regionalverband Münsterland e. V. des Arbeiter-Samariter-Bundes betreibt seit gut zwei Jahrzehnten einen Intensivtransportwagen in Kooperation mit der Universitätsklinik Münster, welchen wir an dieser Stelle exemplarisch näher betrachten wollen.

Einsatzindikationen Intensivtransport mit Beispielen:

Präinvasive Transporte (ACVB, Clipping, Coiling), Periintensivmedizinische Transporte (ARDS, Sepsis, SIRS), Interventionstransporte (Trans- bzw. Explantationen), Posttraumatische Indikationen (bspw. SHT, Polytrauma, Verbrennungen), Spezialtransporte (IABP und /oder ECMO Therapie), Transport schwergewichtiger Patienten (bis 228 kg).

Fahrzeugbesonderheiten:

Das Fahrzeuggrundgestell besteht aus einem DAF Benz-LF45. Der Kofferaufbau verfügt speziell, wie auch andere ITW, über Airliner Profile am Boden und der Fahrzeugwand zur sicheren Befestigung von intensivmedizinischen Großgeräten wie bspw. einer ECMO. Somit kann auch ein Transport von Intensivpatienten unter fortlaufender ECMO-Therapie durchgeführt werden, was bei Nutzung eines Rettungswagens nicht möglich wäre. Eine besondere Luftfederung sorgt für einen schwingungsarmen und schonenden Transport. Der Patientenraum ist über eine Kameraverbindung durch den Fahrer einsehbar.

Zusätzliche Intensivmedizinische Ausstattung:

  • Intensivrespirator Hamilton T1 (sowie zusätzliches Gerät als Backup)
  • Corpuls C3
  • Erhöhte Anzahl an Spritzenpumpen
  • BGA Gerät zur Ermittlung aller gängigen Parameter inkl. Laktat
  • Tragesystem Mefina Medical ITS in Kombination mit dem Stryker Powerload-System und integriertem 800 l Sauerstoff
  • 8.000 Liter Sauerstoffvorrat
  • 2.000 Liter Druckluftvorrat
  • Lagerungsmaterial zur Dekubitusprophylaxe
  • Umfangreiches Ampullarium mit erweiterter Medikamentenausstattung

Quo vadis Einsatzfahrzeuge?

Der Weg der Entwicklung von Einsatzfahrzeugen für „Krankenträger“ über erste Notarztsysteme wie dem „Klinomobil“ bis zur Ausdifferenzierung von speziellen Rettungsmitteln wie bspw. dem Intensivtransportwagen ist beeindruckend und wird sich sicherlich durch Weiterentwicklungen in der Medizin und damit auch der Präklinik weiter fortsetzen. Ein besonderes Augenmerk der Weiterentwicklung liegt dabei neben dem Aspekt der Fahrzeugsicherheit, auf der Ergonomie. Elektrohydraulische Fahrtragen sollen das oftmals rückenbelastende Heben minimieren. Bessere Aufteilungen der Gerätschaften sowie Systeme zur autonomen Fahrzeugdesinfektion oder EDV gestützte Programme die über Sensoren zuvor mittels Chip versehendes Verbrauchsmaterial zählen, sollen Arbeitsabläufe optimieren. Ebenfalls spannend wird der Einzug der Telemedizin in den Rettungsdienst sein und die damit verbundenen Änderungen auch und gerade in Bezug auf die Ausstattung unserer Fahrzeuge. 


Die Literatur liegt beim Verfasser.


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