Erfolgreiche Ausbildung tunesischer Krisenmanager mit deutscher Unterstützung

Traditionell hat auch in diesem Jahr wieder die Jahresabschlussveranstaltung der Projektreihe "Schutz und Rettung von Menschen" im Dezember in Tunesien stattgefunden. Eine Vielzahl von Maßnahmen der diesjährigen Projektarbeit wurde dabei offiziell abgeschlossen und präsentiert. Die Aktivitäten knüpften an die Unterstützungsleistungen der Vorjahre an. An den Feierlichkeiten nahmen auch der tunesische Innenministers Hichem Fourati und der Deutsche Botschafter, Dr. Andreas Reinicke, sowie BBK-Präsident Christoph Unger und ONPC-Generaldirektor Moez Dachraoui teil. 

Grup­pen­bild aus der Luft mit In­nen­mi­nis­ter und Bot­schaf­ter
Grup­pen­bild aus der Luft mit In­nen­mi­nis­ter und Bot­schaf­ter
Quelle: ONPC / BBK

In der Hafenstadt Sousse, die zugleich drittgrößte Stadt Tunesiens ist, erfolgte zuvor die letzte der drei in diesem Jahr angesetzten Stabsübungen im administrativ-strategischen Krisenmanagement. Dabei übte der Krisenstab des Gouverneurs von Sousse die ressortübergreifende Zusammenarbeit bei der Bewältigung einer großflächigen Schadenslage, die durch den Unfall eines Gefahrguttransportes im Gouvernorat Sousse verursacht wurde. Zuvor haben in diesem Jahr bereits Stabsübungen mit den Stäben der Gouverneure von Ariana und Jendouba stattgefunden. 

An allen durchgeführten Übungen nahmen sowohl die Stabsmitglieder als auch der Gouverneur selbst teil und probten den Ernstfall anhand von verschiedenen Szenarien, die auf Basis der tunesischen Risikoanalyse entwickelt wurden. Die Übungsleitung wurde vollständig durch Ausbilder des tunesischen Zivilschutzes ONPC (Office Nationale de la Protection Civile) übernommen, die zuvor durch Dozentinnen und Dozenten des BBK ausgebildet wurden. 

Die ONPC-Ausbilder bewiesen, dass sie die in den durchgeführten Krisenmanagement-Seminaren erlernten Inhalte selbstständig anwenden können. Auch die Regionalstäbe bewältigten erfolgreich die herausfordernden Lagen und wurden dabei durch die vorgestellten Krisenmanagement-Methoden des BBK unterstützt.

Grup­pen­bild mit BBK-Prä­si­dent Un­ger (Mit­te) nach der Stabs­übung...
Grup­pen­bild mit BBK-Prä­si­dent Un­ger (Mit­te) nach der Stabs­übung in Sous­se
Quelle: Tut­te­nuj / BBK

Während in Sousse das ressortübergreifende Krisenmanagement im Fokus stand, erfolgten in Tunis zeitgleich weitere Ausbildungsmaßnahmen sowie die Vorbereitung zur Darstellung der diesjährigen Projektinhalte sowie der Übergabe der gelieferten Ausstattungshilfe unter Begleitung des tunesischen Innenministers und des Deutschen Botschafters. 

So führte die Frankfurter Feuerwehr, die dem BBK seit 2012 als langjähriger Partner für die Realisierung der Projektziele zur Seite steht, umfangreiche Ausbildungsmaßnahmen zur Einweisung in die neuen Fahrzeuge durch. Insgesamt nahmen daran 40 Einsatzkräfte aus 20 verschiedenen Gouvernoraten sowie zwei Ausbilder der nationalen Zivilschutzakademie ENPC (Ecole National de la Protection Civile) teil. 

Die Schulungsmaßnahmen fokussierten die Technische Hilfeleistung bei Verkehrsunfällen – THVU – und beinhalteten unter anderem die Themen Fahrsicherheit und Grundfunktionen des Fahrgestells, Einsatzstellenabsicherung, Sicherung eines Fahrzeugs und Umgang mit den verschiedenen Beladungsgegenständen wie Hebekissen, Schere Spreizer und Säbelsäge.

In den Vorjahren wurde durch die Lieferung von Spezialfahrzeugen im Norden des Landes ein Verbundsystem zur Bekämpfung von Vegetationsbränden aufgebaut. Im Jahr 2019 wurde das Konzept zur Bekämpfung von Vegetationsbränden um den Themenbereich THVU erweitert. Die Anzahl an Verkehrstoten in Tunesien ist hoch und lange Anfahrtswege sowie das unzureichend ausgebaute Straßennetz erschweren die Rettungseinsätze des tunesischen Zivilschutzes.

Die ge­lie­fer­ten Fahr­zeu­ge für die Tech­ni­sche Hil­fe­leis­tung...
Die ge­lie­fer­ten Fahr­zeu­ge für die Tech­ni­sche Hil­fe­leis­tung bei Ver­kehrs­un­fäl­len
Quelle: BBK / Fuchs

Nachdem im Vorjahr zunächst ein Prototyp entwickelt und getestet wurde, wurden in diesem Jahr in einer mehrmonatigen Bauphase 17 Einsatzfahrzeuge THVU fertiggestellt. Es handelt sich hierbei ebenfalls um Pick-ups, die das Verbundsystem aus Führungsfahrzeugen und wasserführenden Fahrzeugen ergänzen. Zusätzlich wurden drei weitere Führungsfahrzeuge angefertigt und übergeben.

Alle Pick-ups verfügen über mobile Aufbauten, sogenannte Slip-on-Units, in denen die Beladung verstaut ist. Die Slip-on-Units können leicht auf- und abmontiert und zwischen den Pick-ups ausgetauscht werden. Die THVU-Pick-ups sind unter anderem mit Gerätschaften zur Bergung von Fahrzeugen und zur Rettung von im Fahrzeug eingeschlossenen Personen ausgestattet. 

Zum Beleuchten der Einsatzstelle sind ein Licht-mast auf dem Dach des Fahrzeugs und zusätzlich ein mobiler Lichtmast vorhanden. Außerdem verfügt das Fahrzeug über Materialien zur Absicherung und Reinigung der Unfallstelle. Die Ausstattung baut auf der bereits vorhandenen Ausrüstung auf und schließt vorhandene Lücken im System.

Durch eine THVU-Simulation wurde dem Innenminister und dem Botschafter bei der feierlichen Übergabe der 20 Einsatzfahrzeuge der taktische Einsatzwert der Ausstattungshilfe verdeutlicht.

Zur Verbesserung der Selbstschutz- und Selbsthilfefähigkeiten von Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern erarbeitete das BBK in enger Abstimmung mit ONPC Ausbildungsunterlagen für diese Zielgruppen. Dabei wurden für die Zielgruppe der Sieben- bis Zwölfjährigen die beiden neuen Hauptakteure Salim und Amina geschaffen, die verschiedene Abenteuer im Bevölkerungsschutz erleben und bewältigen. Sie geraten mit ihrer Schulklasse in einen Sandsturm, werden mit Wasserknappheit oder Stromausfall konfrontiert und bei allen diesen Gefahren lernen sie sich selbst zu helfen. Ziel der Geschichten in Leseheften oder Arbeitsblättern ist, den Kindern und Jugendlichen Wissen zur Selbsthilfe zu vermitteln. 

BBK-Prä­si­dent Un­ger (Mit­te links) bei der of­fi­zi­el­len...
BBK-Prä­si­dent Un­ger (Mit­te links) bei der of­fi­zi­el­len Über­ga­be der 20 Ein­satz­fahr­zeu­ge an den tu­ne­si­schen In­nen­mi­nis­ter Fou­ra­ti (Mit­te rechts)
Quelle: ONPC / BBK

Die Unterrichtsmaterialien für Ausbilder und Lehrer sind mit entsprechenden didaktischen-methodischen Kommentaren zu verschiedenen Themen versehen und wurden im Rahmen der Jahresabschlussveranstaltung zusammen mit drei interaktiven Ausbildungsmodellen (Häuser der Gefahren) offiziell vorgestellt und übergeben. 

Allen Angeboten gemeinsam ist, den Kindern und Jugendlichen wichtige Verhaltensregeln zu Themen wie Brandschutz, Erste Hilfe und Selbstschutz zu lehren. Vor allem soll ihnen damit auch die Angst vor Notfällen und Katastrophen genommen und ihre Selbsthilfefähigkeit gestärkt werden. Mithilfe der in verschiedenen Workshops erarbeiteten Unterlagen sollen künftige Multiplikatoren aus allen Gouvernoraten Tunesiens durch Multiplikatoren der ENPC und das BBK in die Lage versetzt werden, selbst Informationsveranstaltungen an tunesischen Schulen abzuhalten. 

Für die Zielgruppe der Erwachsenen lag der Schwerpunkt im Bereich des Selbstschutzes und der Selbsthilfefähigkeit in diesem Jahr auf der Erarbeitung des Ratgebers für Notfallvorsorge und richtiges Handeln in Notsituationen. Wichtige Informationen und Kenntnisse sollen einer möglichst breiten Bevölkerung übermittelt werden, so dass diese zukünftig helfen, Gefahren und Krisen zu vermeiden oder besser zu bewältigen.

Während des Projektjahres 2019 wurde zudem in mehreren Workshops ein Ausbildungskonzept für die tunesische Zivilschutzschule ENPC erarbeitet und im Zuge der Jahresabschlussveranstaltung vorgestellt. Das Konzept enthält einen kurzen Überblick über Zivilschutz und Krisenmanagement in Tunesien und erläutert die zentrale Rolle der ENPC im Bereich der Ausbildung. Nach einer Aufzählung von Erfahrungen aus anderen Ländern wird der Bereich Ausbildung im Zivilschutz detailliert beleuchtet: sowohl der Ist-Zustand als auch der künftige Bedarf an Ausbildung werden aufgezeigt, Aufgaben, Bildungsinhalte, Methoden und Zielgruppen der ENPC werden definiert, die einzelnen Veranstaltungsarten erklärt und das Ausbildungsangebot der ENPC wird aufgelistet. 

Weiterhin beinhaltet das Konzept eine Anleitung zur organisatorischen Vorbereitung von Veranstaltungen und zum Seminarraummanagement. Das Konzept ermöglicht die Strukturierung der sich kontinuierlich weiterentwickelnden Ausbildung im tunesischen Bevölkerungsschutz sowie die Institutionalisierung der vom BBK eingeführten Krisenmanagement-Ausbildung. Dadurch wird ein Beitrag dazu geleistet, dass die Ausbildung an der ENPC mit den sich ständig wandelnden Herausforderungen Schritt hält.

Un­ter­zeich­nung der Ko­ope­ra­ti­ons­ver­ein­ba­rung durch...
Un­ter­zeich­nung der Ko­ope­ra­ti­ons­ver­ein­ba­rung durch BBK-Prä­si­den­ten Un­ger (links) und Ge­ne­ral­di­rek­tor Dachraoui (rechts)
Quelle: BBK / Tut­te­nuj

Parallel zur Durchführung der Seminare begleitete das BBK auch die Planung für den Bau weiterer Schulungsräume an der ENPC. So entstehen im 1. Stock des Lehrsaalgebäudes zusätzliche Seminarräume, zwei Räume für Medien- und Pressetraining sowie ein Stabsraum mit zugehörigem Steuerungsraum, die jeweils durch die in 2019 gelieferte BBK-Ausstattungshilfe mit Mobiliar, Unterrichtsmaterialien und EDV-Technik ausgestattet werden. Der hier angesiedelte Stabsraum wird künftig sowohl für die Übungen mit den Regionalstäben als auch, im Bedarfsfall, für reale Krisensitzungen des Nationalen Krisenstabes des Innenministeriums genutzt. 

Die langjährige Projektpartnerschaft zwischen ONPC und BBK wurde in diesem Jahr durch eine Kooperationsvereinbarung verstetigt, die durch BBK-Präsident Unger und OPNC-Generaldirektor Dachraoui unterzeichnet wurde. Durch die Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarung soll der Weg für eine bilaterale Zusammenarbeit beider Länder im Bevölkerungsschutz über das Projekt hinaus sichergestellt werden, um die Nachhaltigkeit der eingeleiteten Projektmaßnahmen zu gewährleisten.

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