Noch immer wird weltweit mit Hochdruck an der Entwicklung weiterer Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 geforscht. Über 200 Vakzine befinden sich in unterschiedlichen Phasen der Entwicklung, mittlerweile sind zwei in der europäischen Union zugelassen. Doch wie sicher sind die neuen Impfstoffe angesichts des Zeitdrucks bei der Entwicklung?
In allen Entwicklungsphasen sind rechtliche und wissenschaftliche Standards vorgegeben. „Diese Phasen können weder verkürzt noch im Umfang reduziert werden“, erklärt Oberfeldarzt Dr. Svenja Liebler, Referentin für Infektionsschutz im Verteidigungsministerium. Umfangreiche klinische Studien mit Impfteilnehmern aller Alters- und Bevölkerungsgruppen seien zwingend durchzuführen.
Die Prüfung in den Behörden könne aber beschleunigt werden. Bei Routinezulassungen müssen alle Phasen vollständig abgeschlossen sein um die erforderlichen Unterlagen zeitgleich beim zuständigen Paul-Ehrlich-Institut (PEI) zur Prüfung einreichen zu können.
Beschleunigtes Zulassungsverfahren
Mit einem sogenannten Rolling-Review-Verfahren – zugelassen durch die Europäische Arzneimittelzulassungsbehörde (EMA) - werde der Zulassungsprozess beschleunigt. „Die Hersteller legen nach und nach ihre Ergebnisse aus den einzelnen Entwicklungs- und Prüfschritten vor. Diese Ergebnisse werden kontinuierlich begutachtet und bewertet“, sagt Liebler. Durch dieses Vorgehen kann dann auch die abschließende Bewertung schneller erfolgen. Um das Forschungsvorhaben zu beschleunigen, erhalten zudem Firmen und Forschergruppen finanzielle Mittel verschiedener Staaten. Wenn alles planmäßig verläuft, können Impfstoffe zügig zugelassen werden, so wie dies Ende Dezember 2020, beziehungsweise Anfang Januar 2021 bei den ersten beiden Impfstoffen der Fall war.
Entwicklungs- und Prüfphasen
Nach Analyse des Erregers wird geprüft, auf welche Erregerbestandteile das Immunsystem reagiert. Daraufhin werden mögliche Impfstoffkandidaten entwickelt: zuerst in Zellkulturen und in der nächsten Phase an geeigneten Tieren getestet. „Erst nach diesen umfangreichen Tests kann die Testung an Freiwilligen, die sich in die Phasen I bis III gliedert, beginnen“, so Liebler. Hierbei müsse für die Herstellung des Impfstoffes mit einer definierten und gleichbleibenden Qualität auf Wirksamkeit und nachgewiesener Verträglichkeit geachtet werden.
Phase I und II
Beginnend mit einer einzelnen Person und einer ersten Beobachtungsphase, um die Verträglichkeit und Sicherheit zu testen, werden in Phase I bis zu hundert gesunde Probanden geimpft. Es erfolgt eine erste Bestimmung der erforderlichen Dosis.
Mit einer größeren Zahl an Freiwilligen findet in der Phase II die genauere Bestimmung der erforderlichen Dosis beziehungsweise Anzahl der erforderlichen Impfungen statt. Ab dieser Phase erfolgt ein erster Wirksamkeitsnachweis. Bei mehreren Hundert bis wenigen Tausend Probanden werden jetzt Nebenwirkungen erkannt, die seltener auftreten und in Phase I nicht aufgefallen sein könnten.
Phase III
Mehrere Tausend bis Zehntausend Probanden nehmen in Phase III teil. Die konkrete Wirksamkeit wird statistisch ermittelt und seltener auftretende Nebenwirkungen werden erkannt. „Die konkrete Wirksamkeit wird in dieser Phase statistisch ermittelt. Die eine Hälfte der Studienteilnehmer erhält ein Placebo, also ein nicht wirksames Scheinmedikament, die andere Hälfte den eigentlichen Impfstoff“, erläutert Liebler. „Dann wird überprüft, wie viele Infektionen auftreten und auf welche der beiden Gruppen sich diese verteilen.“
In einer Phase der Pandemie, in der in der Bevölkerung viele Infektionen in kurzer Zeit auftreten, sind die statistisch erforderlichen Infektionsfälle natürlich schneller erreicht als bei einer seltenen Erkrankung. Auch daher konnten die erforderlichen Ergebnisse für diese Zulassungsphase schnell erreicht werden.
Nach der Zulassung
Nach behördlicher Begutachtung der Impfdaten zu Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit erfolgt die Zulassung. Diese kann mit Auflagen verbunden sein: Zusätzliche Studien müssen durchgeführt oder weitere Daten aus laufenden Studien nachgereicht werden. Wichtig ist ein nachgewiesenes, fortlaufend positives Nutzen-Risiko-Verhältnis.
Auch nach der Zulassung wird fortlaufend auf Wirksamkeit und Verträglichkeit überwacht. „Dies ist ein Standardverfahren bei allen in Deutschland zugelassenen Medikamenten und keine Besonderheit eines Impfstoffs gegen COVID-19Coronavirus Disease 2019“, betont Liebler. „Unbekannte Nebenwirkungen sind durch die behandelnden Ärzte oder die Geimpften selbst an das PEI zu melden.“
So sind auch besonders seltene oder zeitlich verzögert auftretende Nebenwirkungen erfasst. Für die Impfung gegen SARSSchweres Akutes Respiratorisches Syndrom-CoV-2 wird ein Digitales Impfquoten-Monitoring (DIM) eingeführt, über das die Impfzentren die gesamten Patientendaten dokumentieren.
BW Claas Gärtner