Naturkatastrophen sind in den vergangenen Jahren heftiger und häufiger geworden. Das Technische Hilfswerk (THW) rettete in vielen Notsituationen Menschenleben, verhinderte schlimmere Schäden und stellte Infrastruktur wieder her. Damit das reibungslos und effektiv möglich ist, investiert das THW kontinuierlich in neue technische Ausstattung. Dazu zählen auch die unterschiedlichen Fahrzeugtypen mit verschiedenen Schwerpunkten für alle Einsatzszenarien des THW. Neben Gerätekraftwagen, Mehrzweckgerätewagen, Transportfahrzeugen und Anhängern sind auch Spezialfahrzeuge, wie Bagger oder Boote für das THW im Einsatz. Aktuell wird ein ganz spezieller Fahrzeugtyp sukzessive in den THW-Fuhrpark aufgenommen: Es handelt sich hierbei sowohl um das schwerste als auch das teuerste Einsatzfahrzeug im THW, das bisher in Serie beschafft wurde. Die Rede ist von vielseitig einsetzbaren Mobilkranen.
Neben den rund 88.000 Ehrenamtlichen, die das THW-Zahnrad drehen, ist die technische Ausstattung ebenfalls essenziell. Das THW muss sie zu jeder Zeit einsatzbereit halten, denn Einsätze sind kaum planbar und oft muss es schnell gehen. Diese wichtige Grundlage hat das THW als ersten Leitsatz verankert: „Wir sind jederzeit bereit, in Deutschland und weltweit zu helfen.“ Um dies bestmöglich zu garantieren, werden Ausstattung und Fahrzeuge auf Grundlage von Erkenntnissen aus vergangenen Einsätzen weiterentwickelt. Die Ausrüstung des THW ist auf viele verschiedene Fachbereiche und besondere Bedürfnisse angepasst. Eine sogenannte Fachgruppe ist im THW spezialisiert auf ein Aufgabengebiet. Ein Beispiel dafür ist die Fachgruppe Brückenbau. Für diese Fachgruppe investiert das THW aktuell insgesamt fast elf Millionen Euro in neue Mobilkrane des Typs „LTC 1050-3.1“ von Liebherr.
Vielfältige Fahrzeugflotte
Insgesamt hat das THW im vergangenen Jahr 634 neue Fahrzeuge zentral angeschafft. Davon sind beispielsweise 529 Anhänger, die die Transportkapazitäten der technisch-logistischen Einsatzorganisation nachhaltig stärken, und 24 LKW für die Fachgruppe Wassergefahren. Mehr zu den neuen „LKW-Wassergefahren“ mit Kran und Seilwinde können Sie in Ausgabe 3/2023 der Crisis Prevention lesen.
Die Anzahl und Art der Fahrzeuge in einem der 668 THW-Ortsverbände richten sich immer nach den am jeweiligen Standort ansässigen Fachgruppen. Insgesamt hat das THW aktuell bundesweit rund 11.800 Fahrzeuge. Bei der jüngsten Ergänzung des THW-Fuhrparks handelt es sich um eine im THW bisher noch nicht in Serie vorhandene Fahrzeugart, den Mobilkran für die Fachgruppe Brückenbau. Krane sind unabdingbar für die Fachgruppe Brückenbau. Erst mit ihnen können die Einsatzkräfte große Behelfsbrücken bauen.
Kernkompetenz Brückenbau
Die Fachgruppe Brückenbau befasst sich mit einer Kernkompetenz des Technischen Hilfswerks: das Errichten von temporären Brücken – vor allem nach Naturkatastrophen. Brücken sind ein besonders wichtiger Teil der Infrastruktur. National und international hat das THW seine Fähigkeiten im provisorischen Brückenbau an zahlreichen Einsatzstellen unter Beweis gestellt. Zum Beispiel haben THW-Einsatzkräfte nach dem Starkregen „Bernd“ im Sommer 2021 im Ahrtal 30 Behelfsbrücken errichtet. Aber auch im vergangenen Sommer in Slowenien haben sie mehrere Brücken gebaut. Dabei nutzen die Spezialistinnen und Spezialisten einzelne vorgefertigte Brückenteile und fügen sie zu einer Gesamtkonstruktion zusammen. Das beschleunigt den Aufbau, sodass die Brücke nach wenigen Tagen genutzt werden kann. Zusätzlich zeichnen sich die Brücken durch ihre hohe Stabilität aus, wodurch sogar LKW problemlos darüberfahren können. Je nach Bedarf und örtlichen Begebenheiten kann man die Anzahl der einzelnen Brückenelemente variieren. Aus wenigen, aber dafür schweren Einzelteilen entsteht so eine stabile Brücke. Um die vielen großen Einzelteile zusammenzufügen, nutzt das THW Krane.
Auf Bedürfnisse des THW angepasst
Der Nachteil von normalen Kranen ist, dass es lange dauert, um sie auf- und abzubauen. Nicht so beim neuen Mobilkran des THW. Mobil wird der Kran durch das LKW-Fahrgestell, auf dem er festmontiert ist. Durch diese Konstruktionsweise ist das Fahrzeug optimal auf die besonderen Bedürfnisse des THW zugeschnitten. Der neue Kran für die Fachgruppe Brückenbau ist mit einem Stückpreis von 913.000 Euro und 36 Tonnen Gewicht gleichzeitig das schwerste und teuerste Einzelfahrzeug im THW. Seit Ende Januar werden die ersten der insgesamt zwölf Exemplare übergeben. Elf von ihnen werden die Fachgruppen Brückenbau in verschiedenen Ortsverbänden unterstützen und ein weiterer wird im THW-Ausbildungszentrum Hoya eingesetzt.
Spezialfahrzeug im THW
Vor der Einführung des Mobilkrans nutzten die Einsatzkräfte der Fachgruppe Brückenbau in vielen THW-Ortsverbänden LKW mit Ladekran. Doch der neue Mobilkran bietet verschiedene Vorteile: unter anderem kann er mehr Gewicht heben und das sogar noch höher. Im Straßenverkehr aufgrund seiner kompakten Maße kaum als Kran zu erkennen, kann sich der Mobilkran in wenigen Minuten zum vollwertigen Kran umwandeln. Im Gegensatz zu einer normalen Baustelle, wo die Gegebenheiten auf den Kran angepasst werden müssen, passt sich der Mobilkran größtenteils selbstständig den Bedingungen vor Ort an. Durch die Geländefähigkeit und drei angetriebene Achsen kann das Fahrzeug auch Einsatzstellen abseits der normalen Straßen anfahren. Für die notwendige Stabilität für den Kranbetrieb sind vier individuell ausfahrbare Stützen verbaut. Diese sorgen auch bei Hindernissen um den Kran herum für einen sicheren Stand. Der Mobilkran kann aber auch ohne Stützen arbeiten, und das sogar in Bewegung. Mit einer Fernbedienung lassen sich sowohl Kran-Arm als auch Räder steuern. Über eine digitale Simulation zeigt der Mobilkran an, wie weit der Kran-Arm mit verschiedenen Lasten ausgefahren werden kann. Falls beispielsweise die Last zu schwer ist, leuchtet eine Warnlampe auf und ein Signal ertönt.
Die Hubkraft des Mobilkrans beträgt 50 Tonnen. Dadurch kann er schwere Brückenbauteile und kurze Brücken im Gesamten anheben und positionieren. Die Hubkraft hängt davon ab, wie weit der Kran ausgefahren ist. Wenn der Kran-Arm beispielsweise auf 21 Meter Höhe ausgefahren ist, hebt er noch 2,5 Tonnen. Auch sogenannte Personenkörbe kann der Mobilkran heben. Diese werden eingesetzt, wenn THW-Kräfte in luftiger Höhe arbeiten. Beispielsweise können THW-Einsatzkräfte hiermit sicher an instabilen Gebäuden arbeiten oder aber auch Personen aus Höhenlagen retten.
Übersicht gewährleistet
Das THW arbeitet oft in unübersichtlichen Lagen. Schnell kann es lebensgefährlich werden, wenn sich viele Menschen um einen Kran aufhalten und die Bedienenden keinen Überblick haben. Um dem vorzubeugen ist ein Funkgerät am Kran angebracht, womit die bedienende Einsatzkraft sich mit den Kameradinnen und Kameraden verständigen kann. Darüber hinaus hat der Mobilkran verschiedene Kameras, die dem Fahrer oder der Fahrerin einen Einblick in das Geschehen geben. Falls sie dann immer noch nicht genug Übersicht haben, können sie die Kabine auf sieben Meter Höhe anheben und neigen. Sie haben so einen besseren Blick durch das Glasdach auf die auf bis zu 31 Meter hoch ausgefahrene Kranspitze. Auch für die Übersicht in Engstellen ist gesorgt, denn der Fahrer oder die Fahrerin kann den Mobilkran zentimetergenau per Fernbedienung außerhalb der Kabine steuern. So kann die Lage besser eingeschätzt werden, indem er oder sie selbst um das Fahrzeug herum geht. Zudem kann die normale Durchfahrtshöhe durch kleine Veränderungen von fast vier Metern auf gut drei Meter verringert werden. Unter anderem wird dafür das Fahrwerk elektronisch abgesenkt.
Das fast elf Meter lange LKW-Fahrgestell des Mobilkrans ist besonders wendig. Möglich ist das durch die Allradlenkung. Die hinteren Räder lenken entgegen der vorderen Räder, was den Wenderadius extrem verkleinert. Die Allradlenkung macht das Fahrzeug sehr empfindlich für Lenkbewegungen, was bei Fahrten mit höheren Geschwindigkeiten wiederum hinderlich wäre. Daher hat der Mobilkran insgesamt vier verschiedene Lenkmodi, darunter auch die Straßenlenkung, in der die Allradlenkung ausgeschaltet ist. Darüber hinaus gibt es noch die Hundeganglenkung, reduziertes Ausschermaß und unabhängige Hinterachslenkung. Bei der Hundeganglenkung stehen alle Räder im gleichen Einschlagwinkel. Das ermöglicht es, konstant in einem bestimmten Winkel parallel zu einem Objekt zu fahren. Das reduzierte Ausschermaß verhindert, dass das Fahrzeugheck in Kurvenfahren stark ausschert. Bei der unabhängigen Hinterachslenkung werden die hinteren beiden Achsen per Taster gelenkt und die vordere mit dem Lenkrad. So kann man spezielle Wendemanöver fahren.
Crisis Prevention 1/2024
Janik Nolden
Bundesanstalt Technisches Hilfswerk Pressestelle
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