22.06.2021 •

Neues BMBF-Projekt: Wie Künstliche Intelligenz helfen kann, unerwünschte Stoffe im Wasser aufzuspüren

TZW: DVGW-Technologiezentrum Wasser

Mit einem virtuellen Kick-off-Meeting startete das Projekt „Künstliche und kollektive Intelligenz zum Spurenstoff-Tracking in Oberflächenwasser für eine nachhaltige Trinkwassergewinnung K2I“ gestartet. Das Projekt wird innerhalb der Fördermaßnahme „Digital GreenTech – Umwelttechnik trifft Digitalisierung“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit knapp 1 Million Euro gefördert. Von April 2021 bis März 2023 soll eine laborübergreifende Cloudlösung entwickelt werden, mit der Wasserversorger organische Spurenstoffe schnell entdecken und auf Grundlage einer überregionalen Datenbasis mögliche Quellen eingrenzen können.

Oberflächengewässer wie Flüsse, Seen oder Talsperren sind eine wichtige Ressource für die Trinkwasserversorgung. Derzeit wird in Deutschland etwa ein Drittel des Trinkwassers aus Oberflächenwasser, Uferfiltrat oder oberflächenbeeinflussten Grundwässern gewonnen. Gleichzeitig sind Oberflächengewässer ständig verschiedenartigen Einträgen von organischen Spurenstoffen und Mikroorganismen ausgesetzt. Typische Eintragsquellen sind lokale Einleitungen, z. B. aus der industriellen Produktion oder durch kommunale Kläranlagen sowie diffuse Stoffeinträge, z. B. aus Abschwemmungen, Versickerungen, Erosion oder landwirtschaftlich genutzten Flächen. 

Hinzu kommen Einträge aus nachgewiesenen, aber auch aus unbemerkten Schadensereignissen wie Unfällen oder Havarien. Unter den gesamten Spurenstoffeinträgen kann derzeit nur ein Bruchteil entdeckt, erkannt und identifiziert werden. Daher bleiben Spurenstoffe in den meisten Fällen unbemerkt und können dann nicht oder erst mit erheblichem instrumentellen und zeitlichem Aufwand einer Eintragsquelle zugeordnet werden. Die Emittenten bleiben oft unentdeckt und eine Reaktion kann nur mit unbefriedigender zeitlicher Verzögerung erfolgen. Umfassendere Erkenntnisse über den Eintrag und die Verbreitung von Spurenstoffen in Oberflächengewässern könnten somit fokussierte Schutzmaßnahmen für Trinkwasserressourcen und die aquatische Umwelt ermöglichen.

In dem neuen BMBF-Verbundprojekt (Förderkennzeichen 02WDG1593A-D) soll ein Demonstrator eines cloudbasierten Systems konzipiert und implementiert werden. Das Ziel ist es, die Daten von örtlich verteilten, hochspezialisierten Laboren der öffentlichen Trinkwasserversorgung in der Cloudlösung zusammenzuführen und so die Quellen von Spurenstoffen in Oberflächengewässern im Kollektiv rascher einzugrenzen. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf der Erfassung organischer Spurenstoffe durch das spezielle analytische Verfahren der hochauflösenden Massenspektrometrie (Non-Target-Screening). 

Aus der Vernetzung von bestehenden und neu gesammelten Analysedaten und Metainformationen aus unterschiedlichen Laboratorien, also einer kollektiven Intelligenz aus der Wasserversorgung und der künstlichen Intelligenz beim Prozessieren der Daten, entsteht ein erheblicher Mehrwert für die Quellzuordnung und die Identifikation bekannter und unbekannter Substanzen.

Projektpartner aus Wasseranalytik und Digital Science

Für dieses BMBF-Projekt bündeln vier Projektpartner ihre Kompetenzen: die Landeswasserversorgung, das Leibniz-Rechenzentrum der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, die Technische Universität München mit ihrem Lehrstuhl für Analytische Chemie und Wasserchemie, und das TZW: DVGW-Technologiezentrum Wasser. Die entwickelten Lösungsansätze werden mit den assoziierten Projektpartnern aus der öffentlichen Trinkwasserversorgung Hamburg Wasser, Hessenwasser GmbH, dem Zweckverband Bodensee-Wasserversorgung und der Westfälischen Wasser- und Umweltanalytik GmbH als Labor der Gelsenwasser AG auf ihre Praxistauglichkeit getestet. Dadurch wird der Transfer in die Praxis sichergestellt. Perspektivisch soll die Cloudlösung auch für weitere Partner offenstehen.

Die Landeswasserversorgung (LW) ist eine der größten und traditionsreichsten Fernwasserversorgungen Deutschlands und liefert jedes Jahr etwa 100 Millionen m³ Trinkwasser an drei Millionen Menschen in Baden-Württemberg und Bayern. Die LW nutzt Donauwasser, das in einem aufwändigen Verfahren aufbereitet wird, Karstgrundwasser und Karstquellwasser zur Trinkwasserversorgung. Die LW verfügt über ein eigenes Betriebs- und Forschungslabor in ihrem Wasserwerk Langenau bei Ulm. Mit ihrem Labor hat die LW jahrzehntelange Erfahrung bei der Untersuchung und Überwachung von Spurenstoffen in Roh- und Trinkwässern. Die LW führt auf Basis ihrer langjährigen Erfahrungen bei der Identifikation unbekannter Spurenstoffe das Proof of Concept der Cloudlösung an der Modellregion Donau@Ulm durch. Dabei koordiniert die LW alle Aktivitäten bei der analytischen Qualitätssicherung.

Das Leibniz-Rechenzentrum (LRZ) ist ein Institut der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und der Digitalisierungspartner der Münchner Universitäten und weiterer wissenschaftlicher Einrichtungen in Bayern, Deutschland und Europa. Als Bayerisches Big-Data-Kompetenzzentrum bietet das LRZ Beratung und Dienste im Bereich Big Data, Künstliche Intelligenz (KI) und Maschinelles Lernen (ML). Im Projekt liegt der Schwerpunkt des LRZ auf der Planung und Erstellung des cloudbasierten Datenmanagement- und Datenanalysesystems für die Verarbeitung der Analysedaten aus den Wasserlaboren. Die Erfahrung des LRZ im Bereich KI soll für die automatische Mustererkennung aus Analysedaten zur Identifikation unbekannter Spurenstoffe angewandt werden.

Die Technische Universität München (TUM), Lehrstuhl für Analytische Chemie und Wasserchemie entwickelt Laser-, Partikel-, Isotopen- und Bioanalytik für ein besseres Management von Chemikalien in der Umwelt und zur Charakterisierung des Selbstreinigungspotenzials von natürlichen Systemen. Zielgerichtete Bioanalytik von Bakterien und Viren ermöglicht es, biologische Qualitätsparameter rasch und kultivierungsunabhängig zu bestimmen. Im Projekt prüft die TUM eine perspektivische Erweiterung des cloudbasierten Systems auf mikrobiologische Parameter im Rahmen einer Feasibility Studie. Damit könnte künftig neben einer chemischen auch eine umfassende hygienische Bewertung der Oberflächenwässer möglich werden.

Das TZW: DVGW-Technologiezentrum Wasser ist als Einrichtung des DVGW (Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.V.) gemeinnützig und unabhängig. Das TZW mit seinen Standorten in Karlsruhe und Dresden kooperiert bei wissenschaftlich-technischen Themen aktiv mit Wasserversorgungsunternehmen und wirkt an der Regelsetzung des DVGW mit. Die Kompetenz des TZW stützt sich auf die Ergebnisse von etwa 50 Forschungsprojekten, die pro Jahr mit nationaler und internationaler Förderung bearbeitet werden. Im Projekt kooperiert das TZW mit der LW bei der Überwachung und Justierung der von der Cloudlösung berechneten Resultate. Darüber hinaus ist das TZW verantwortlich für die Koordination und die Öffentlichkeitsarbeit des Projektverbundes.


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