Der bundesweite Warntag

Karin Scherer, Daniel Tuttenuj

Das Modulare Warnsystem soll als zentrales Auslöseorgan am bundesweiten Warntag geprüft werden.
ISF Bund-Länder-Projekt

Der bundesweite Warntag ist ein wichtiges Ereignis für die Warnung der Bevölkerung in Deutschland. In seiner Funktion zugleich Übung und Informationsveranstaltung, dient er der Überprüfung der technischen und organisatorischen Abläufe sowie der Sensibilisierung der Empfängerinnen und Empfänger.

Der bundesweite Warntag findet regelmäßig einmal im Jahr statt. Als Datum wird bewusst ein Werktag gewählt. Die Warnung soll die Menschen in Ihrem Alltag erreichen, denn auch im Ernstfall müssten Sie sich in Arbeit, Schule und unterwegs mit einer Gefahrenmeldung auseinandersetzen. An seiner Organisation und Durchführung beteiligen sich der Bund und die Länder. Eingebunden sind auch die kommunalen Spitzenverbände.

Übung mit Hochlastszenario

Im operativen Bevölkerungsschutz werden laufend Übungen abgehalten. Sie dienen vor allem dazu, bei den Beteiligten bestehende Routinen für die Bewältigung einer Lage zu etablieren und zu erhalten. Daneben dienen Sie der Erprobung neu eingeführter Verfahren und Abläufe. Gleich einem Feldversuch werden diese auf ihre Effektivität und Durchführbarkeit hin überprüft. Übungen sind sowohl Teil als auch Ausdruck einer notwendigen, offenen Fehlerkultur: Damit in einer realen Krise alles reibungslos läuft, müssen in den Übungen Fehler gemacht, erkannt und im Anschluss behoben werden.

Solch eine Übung stellt der bundesweite Warntag dar. An diesem Tag soll einmal jährlich der Ablauf einer bundesweiten Warnung durch alle beteiligten Stellen geübt werden – technisch wie organisatorisch. Im Alltag der Nutzung durch die Katastrophenschutzbehörden der Länder und Kommunen beweisen die Warnsysteme bereits ihre technische Zuverlässigkeit. Ein über diese Belastung hinausgehender Stresstest ist dennoch nötig für die Härtung und Weiterentwicklung des Warnsystems. Der Warntag wird dazu genutzt, mögliche Fehler zu identifizieren, um sie anschließend zu beheben. Außerdem festigen und überprüfen die beteiligten Stellen eigenständig ihre organisatorischen Routinen bei der Warnung nebst der Koordination mit über- und nebengeordneten Behörden.

Bei der Übung am bundesweiten Warntag handelt es sich um ein Hochlastszenario. Bei diesem werden alle verfügbaren Warnmittel synchron ausgelöst. Dabei versendet das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) über das in seiner Verantwortung liegende Modulare Warnsystem (MoWaS) eine bundesweite Probewarnung an alle an das System angeschlossenen Warnmittel und Warnmultiplikatoren. Die Warn­multiplikatoren, das sind z.B. Rundfunkanstalten, Medienunternehmen und Betreiber Kritischer Infrastrukturen, geben die Warnung ihrerseits auf den eigens betriebenen Kanälen weiter. Dazu gehören TV- und Radioprogramme ebenso wie Anzeigetafeln in öffentlich genutzten Räumen. Die Länder und Kommunen lösen zeitgleich mit dem BBK die in ihrer Verantwortung liegenden Warnmittel aus, wie beispielsweise kommunale Sirenennetze, mobile Sirenen und Lautsprecherwagen oder eigene Warn-Apps und Online-Warnkanäle. Das Szenario umfasst dabei sowohl die Warnung als auch die zugehörige Entwarnung. Letztere erfolgt in der Regel kurze Zeit nach der vorausgegangenen Warnung, wie vorgegeben im zwischen allen beteiligten Stellen in der gemeinsamen Bund-Länder-Arbeitsgruppe zum bundesweiten Warntag abgestimmten Auslösekonzept.

Das Auslösekonzept, das den technischen Ablauf des bundesweiten Warntages enthält, unterscheidet sich damit von einem „einfachen“ Funktions- oder Lasttest, weil neben der technischen auch die organisatorische Komponente eine bedeutende Rolle spielt.

Logo des bundesweiten Warntages
Logo des bundesweiten Warntages
Quelle: ISF Bund-Länder-Projekt

Menschen für die Warnung sensibilisieren

Da Warnung immer auch eine besondere Form der Krisenkommunikation ist, kann der vollständige Prozess der Warnung nur unter Einbezug der Empfängerinnen und Empfänger geübt werden. Der bundesweite Warntag wird daher auch genutzt, um die Menschen in Deutschland für den Empfang von Warnungen zu sensibilisieren. Sie werden somit zum Teil der Übung, indem sie ihrerseits Routinen bilden sollen, um im Krisenfall besonnener und zielgerichteter auf das Eintreffen einer Warnung reagieren zu können. Dadurch soll bei Echtereignissen die Warneffektivität, also das Verstehen der Warnung und das Aufgreifen von Handlungsempfehlungen für den Selbstschutz durch die Bevölkerung, gesteigert werden.

Um diesen Prozess zu unterstützen und zu fördern, wird durch die beteiligten Stellen vor und am bundesweiten Warntag verstärkt Öffentlichkeitsarbeit zur Warnung betrieben. Sie soll die Kenntnis vorhandener Warnkanäle und Warnmittel erhöhen und bestehende Informationsangebote bewerben. Beispiele hierfür sind die offizielle Website www.bundesweiter-warntag.de oder die dort verlinkten Informationsangebote der Länder. Weitere Angebote umfassen auch kommunale Informationsinitiativen. Über Warnung in Deutschland informiert auch das BBK, z.B. auf seiner Website unter www.bbk.bund.de/warnung. Weiterhin veröffentlicht das Amt seit November 2021 unter dem Hashtag
„#WarnmixFürDeutschland“ kontinuierlich Informationen in den vorhandenen Profilen auf den Sozialen Medien. Die Bund-­Länder-Arbeitsgruppe zum bundesweiten Warntag stimmt die jeweils für ein Jahr im Voraus geplanten Maßnahmen durch Erstellung bzw. Fortschreibung eines Rahmenkonzeptes Öffentlichkeitsarbeit ab. Die Koordination dieser Arbeitsgruppe liegt derzeit beim vom europäischen Innerer Sicherheitsfonds geförderten Bund-­Länder-Projekt „Warnung der Bevölkerung“, welches beim BBK angesiedelt ist.

So wie die technischen und organisatorischen Komponenten müssen auch die kommunikativen Aspekte des bundesweiten Warntages ausgewertet werden. Dabei geht es vor allem darum, ob und wie die Warnung angekommen ist, und ob die Empfangenden sie richtig einordnen und verstehen konnten. Da die Bevölkerung kein institutionalisierter Teil der Warnung ist, kommt es hier stark auf die freiwillige Initiative der oder des Einzelnen an. Für die jeweils von Ihnen betriebenen Warnmittel sammeln die Länder und Kommunen Rückmeldungen. Das BBK arbeitet derzeit ebenfalls an einem zentralen Rückmeldekanal für die Bevölkerung, der zum Warntag 2022 zur Verfügung stehen soll. Die Aktivierung und Motivation der Menschen stellt ein weiteres wichtiges Ziel für die den bundesweiten Warntag begleitende Öffentlichkeitsarbeit dar.

Das ISF-Projekt verfolgt das Ziel, die Warneffektivität in Deutschland zu...
Das ISF-Projekt verfolgt das Ziel, die Warneffektivität in Deutschland zu erhöhen.
Quelle: ISF Bund-Länder-Projekt

Der erste bundesweite Warntag 2020

Die Öffentlichkeitsarbeit spielte auch beim ersten bundesweiten Warntag am 10. September 2020 eine große Rolle. Im Vorfeld wurde dieser bundesweit, auf überregionaler wie regionaler Ebene, umfangreich beworben. Es gelang, den bundesweiten Warntag kommunikativ zu platzieren und Aufmerksamkeit dafür herzustellen. Dies ging mit einer deutlichen Erwartungshaltung der Öffentlichkeit einher. Eine Zuspitzung auf die Stunde X, auf den Moment, wo in Deutschland jede Sirene heulen, jedes ­Martinshorn erklingen wird, Handys vibrieren, Radio- und Fernsehsendungen unterbrochen, Durchsagen in Bussen und Bahnen gemacht werden. Es entstand die Vorstellung oder Erwartung, dass die Probewarnung im Eiltempo landauf und landab durch Deutschland fegen würde. Doch statt des großen Bebens, also der lautstarken, zeitgleichen, massiven Warnung auf allen Kanälen, erreichte die Testwarnung (mit Verzögerung) tatsächlich nur wenige Menschen.

Was war passiert? Zunächst einmal wurde die bundesweite ­Probewarnung über MoWaS aufgrund technischer Probleme erst mit einer Verzögerung von 35 Minuten an alle angeschlossenen Warnmultiplikatoren versandt. Entsprechend verschickte auch die an MoWaS angeschlossene Warn-App NINA die Probewarnung erst mit einer zeitlichen Verzögerung an ihre Nutzerinnen und Nutzer.

Die erstmals beim Warntag 2020 durch den Volllast-Test zu Tage getretenen Defizite im MoWaS wurden unmittelbar nach dem Warntag identifiziert und behoben. Das MoWaS wurde weiterentwickelt und gehärtet. Zudem wurde inzwischen eine umfassende Testlandschaft errichtet, die es ermöglicht, verschiedene Belastungsszenarien für das System zu testen, ohne in den Live-­Betrieb des Systems einzugreifen.

Weiterhin blieb am 10. September 2020 die Probewarnung über Sirenen um 11 Uhr an manchen Orten schlichtweg aus. Dafür gab es verschiedene Gründe: Da viele Kommunen ihre Sirenen in den letzten Jahrzehnten rück- und abgebaut haben, ist kein ­flächendeckendes Sirenennetz in Deutschland vorhanden. Die vorhandenen Sirenen sind teilweise technisch nicht in der Lage, Probewarnungen zu senden. Es gibt Sirenen, die nicht direkt von den Leitstellen oder kreisweit ausgelöst werden können. Darüber hinaus beteiligten sich nicht alle Kommunen aktiv am Warntag.

Der Bund hat inzwischen genau dort angesetzt und durch das Sonderförderprogramm Sirenen, das seit 2021 läuft, einen wichtigen Impuls für den Aus- und Aufbau von Sirenen im gesamten Bundesgebiet gesetzt. Die neuen Sirenen sollen künftig auch über das MoWaS von Bund, Ländern und Kommunen ausgelöst werden können.

Die damalige Warntag-Kommunikation hat den Probecharakter des Warntages, also das Ziel des Testens der Warnsysteme und der Warnmittel, nicht deutlich genug gemacht.

Im Ergebnis konnten durch den Test der technischen Systeme, Warnmittel und Abläufe sowie der Sensibilisierung der Menschen für die Warnung wichtige fachliche Ziele in 2020 erreicht werden. Die Verzögerungen beim Versand der Probewarnung haben jedoch deutlich Optimierungspotenzial für unser Warnsystem offengelegt.

Konsequenzen für den Warntag 2022

Die Erwartungen an den Warntag 2022 sind sehr hoch. Die Erfahrungen der Flutkatastrophe im Juli 2021 in Deutschland haben deutlich gemacht, wie wichtig eine Warnung im Ereignisfall ist. Auch vor dem Hintergrund des völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine ist die Sensibilität der Bevölkerung für das Thema Warnung nochmals gewachsen.

Zwar wurde nach dem letzten Warntag ein Sirenenförderprogramm aufgelegt, welches landesweit die Anschaffung von Sirenen unterstützen soll, doch ist nicht zu erwarten, dass sich dies bereits merklich beim kommenden Probealarm am Warntag 2022 niederschlagen wird.

Im Rahmen des bundesweiten Warntages 2022 wollen wir den neuen Warnkanal Cell Broadcast erstmals testen. Es muss jedoch klar sein: Da es sich um das erste Aussenden einer Testnachricht handelt, bevor das System vollständig implementiert ist, kann es dabei zu Fehlern kommen.

Daher wollen wir bei der Öffentlichkeitsarbeit für den Warntag 2022 darauf achten, dass wir viele Maßnahmen zur Verbesserung des MoWaS ergriffen haben, mit Blick auf die Auslösung von Sirenen und der Einführung von Cell Broadcast, jedoch noch in einem laufenden Prozess sind, und dass jedes Warnmittel neben Stärken auch Schwächen aufweisen kann. Aus diesem Grund richten wir unser Warnkonzept insgesamt mehrfach redundant aus. Das bedeutet, dass wir durch die Modularität des MoWaS einen breiten Warnmittel-Mix in Deutschland nutzen und es gilt, diesen kontinuierlich zu erweitern, damit auch beim Ausfall eines Warnkanals möglichst viele Menschen mit einer Warnung erreicht werden können.

Aus Fehlern lernen, um besser zu werden – das ist ein Zeichen dafür, dass alle mit der Warnung der Bevölkerung befassten Menschen ernsthaft und engagiert an einer Verbesserung der Warnung arbeiten.


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